William und Joanna ab 09.09.12 - Teil 5

Robert lächelte zufrieden. Das war doch immerhin schon einmal ein Anfang und er war sicher, dass die hübsche, junge Lady bei Philippe schon einen guten Eindruck hinterlassen würde, zumal sie nicht dumm war. Klug, aber höflich und bescheiden, wie man es von einer Frau erwarten konnte.
"Ich danke dir. Du wirst sehen, sie wird dir auch gefallen. Ihr Name ist Amélie, die Tochter eines normannischen Grafen. Damit du wenigstens weißt, mit wem du es zu tun hast." Er sagte ihm allerdings lieber nicht, dass Amélie ihn notgedrungen heiraten würde, egal, wie scheußlich er sich benahm. Aber seine Braut wollte um keinen Preis ins Kloster. Er konnte es verstehen...
"Mach dir keine Gedanken. In zwei Wochen kommt sie her und dann sehen wir weiter." Und er wusste genau, Philippe würde nervös sein.

Philippe

"Na, das werden wir dann sehen, ob sie das wird." bemerkte Philippe abschätzig. Dann starrte er seinen Bruder beinahe verblüfft an. "In zwei Wochen?" fragte er ungläubig. "Das heißt, ihr verdammten Hunde habt schon alles arrangiert ohne abzuwarten was ich sage!" stellte Philippe fest und gab Robert einen Klaps auf den Hinterkopf. "Was hättest du getan, wenn ich nein gesagt hätte, hm? Das Mädchen einfach wieder weggeschickt?" Philippe brauchte nur einen Moment um zu begreifen. "Himmel, Robert, du gerissener Fuchs. Du wusstest genau, dass ich sie nicht einfach wegschicken würde, wenn sie erst einmal hier ist, nicht wahr?" knurrte Philippe ein wenig verärgert. Manchmal war es wirklich nicht gut, dass sie beide sich so nahe standen und einander so gut kannten.

Robert steckte den Klaps mit einem Grinsen ein. "Vater hat sie eingeladen, nicht ich. Mitsamt ihrem Vater natürlich. Und ich wusste, dass du sie zumindest kennenlernen würdest, wenn sie schon her kommt. So herzlos bist du einfach nicht, schon gar nicht zu einem jungen Mädchen."
Robert klopfte ihm auf den Rücken. "Vertrau mir, Bruder. Ich kenne dich, das ist richtig, aber ich habe mir vorher ein Bild von ihr gemacht, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich etwas für dich wäre. Und glaub mir, sie ist ein gutes Mädchen. Sie kümmert sich liebevoll um ihre kleinen Geschwister und kann einen Haushalt führen, sie ist klug, aber nicht vorlaut und sehr genügsam. Mach dir keine Sorgen...lern sie einfach kennen und dann sehen wir weiter. Du wirst daran ohnehin nichts ändern können."

Philippe

Philippe schnitt eine Grimasse. "Na wunderbar." bemerkte er und zog eine Augenbraue in die Höhe. "Junges Mädchen? Ich hoffe, ihr setzt mir hier kein kleines Kind vor!"
Philippe seufzte und schüttelte den Kopf. "Nein, daran kann ich wohl wirklich nichts ändern." Er legte den Kopf zurück und schloss für einen Moment die Augen. Das durfte doch wirklich alles nicht wahr sein. Aber vielleicht war es ja nur gut, wenn das Mädchen so bald hier auftauchte. Auch wenn er nicht die Absicht hatte zu heiraten, so würde ihr Besuch ihn zumindest ein wenig von dem Schmerz ablenken, der sich gerade tief in seine Brust fraß.
Philippe schlug die Augen wieder auf und sah seinen Bruder wieder an. "Komm, die nächste Runde geht auf mich hatten wir gesagt ... mir ist heute Abend nun wirklich danach mich ein wenig zu betrinken." entschied Philippe und rappelte sich wieder auf.

"Sie ist fünfzehn, also alt genug. Keine Sorge, sie wirkt älter als sie ist." Robert lächelte und erhob sich ebenfalls. Das Gespräch hatte eine Wendung genommen, mit der er nie gerechnet hatte. Das war ausgezeichnet.
Vielleicht würde doch noch alles gut werden, wenn Philippe über seinen Schatten sprang. Leicht würde es nicht werden, aber es gab Hoffnung.
"Das nenn ich ein Wort, nun, dann lass uns dem Wirtshaus einen Besuch abstatten und ein paar Bier trinken. Solange Ed nicht dabei ist, bekommen wir auch keinen Ärger.", erklärte er lachend und schlug Philippe auf den Rücken.

Philippe

"Fünfzehn." Philippe seufzte leise. Ja, alt genug um zu heiraten, aber ansonsten ... er konnte nur hoffen, dass Robert Recht behielt, sonst würde schon das Kennenlernen anstrengend werden.
Dann grinste er müde. "Endlich mal kein Rotschopf dabei, der uns Ärger bereitet." bemerkte er spöttisch. "Und keine Ausflüchte heute Abend. Mit ein paar Bieren kommst du mir nicht so leicht davon!" versicherte Philippe, dem wirklich der Sinn danach stand, sich einen ordentlichen Rausch anzutrinken, um diesen Abend einfach zu vergessen. Selbst der Kater, der Morgen folgen würde, war ihm willkommener als Erinnerungen an heute Abend.

Amélie

Amélie war nervös. Ihr Vater hatte sie hergebracht, damit sie den Sohn des Lordkanzlers kennenlernte, der vielleicht ihr zukünftiger Ehemann werden sollte. Lord Robert hatte sie zwar vorgewarnt, dass der Bräutigam von seinem Glück nicht so begeistert war, aber noch hoffte sie, es werde nicht allzu schlimm werden. Heiraten würde sie ihn in jedem Fall, denn ein Leben hinter Klostermauern war nichts für sie. Davor graute ihr regelrecht.
Als sich die Tür des wohnlichen Kaminzimmers endlich öffnete, in das man sie gebracht hatte um ihn kennenzulernen, erhob Amélie sich rasch und blickte einem hoch gewachsenen, dunkelhaarigen Mann entgegen, der seine Verwandtschaft mit dem Lordkanzler wahrlich nicht leugnen konnte. Ebenso wenig wie sein Halbbruder.

Philippe

Die zurück liegenden zwei Wochen waren für Philippe fast unerträglich gewesen. Er hatte noch schwer mit den Neuigkeiten zu kämpfen gehabt, die Robert ihm unterbreitet hatte und die bevorstehende Ankunft des Mädchens, dass man für ihn ausgesucht hatte, hatte ihn zusätzlich nervös gemacht.
Und nun klopfte er also an die Tür hinter der sie wartete und trat langsam ein. Philippe schluckte als er die Tür schloss und drehte sich herum, um sich im nächsten Moment dem Mädchen gegenüber zu sehen, das zweifellos Amélie sein musste. Das Alter schien zu stimmen und wenigstens in einem Punkt hatte Robert recht, sie war ein hübsches Mädchen. Ihre Haare schimmerten in einem satten hellbraun, das Philippe unweigerlich an Bernstein denken ließ. Er gab sich einen Ruck und verneigte sich vor ihr. "Mylady, auch wenn Ihr es wohl schon vermutet, mein Name ist Philippe. Ich bin der Sohn des Lordkanzlers." stellte er sich langsam vor. "Es freut mich, Euch kennen zu lernen." fügte er der Höflichkeit halber hinzu. "Ich hoffe, Eure Reise war nicht zu anstrengend und hier ist alles zu Eurer Zufriedenheit?"

Amélie

Amélie musterte Philippe mit halb verborgener Neugier. Er war ein gut aussehender Mann, das stand fest. Ob er auch einen so guten Charakter hatte wie sein Bruder gesagt hatte?
Sie knickste vor ihm und schaute ihm kurz in die dunklen Augen, ehe sie den Blick sittsam senkte. "Die Freude liegt ganz bei mir, Sir Philippe. Ich danke Euch sehr für Eure Sorge, aber die Reise war nicht allzu lang von London aus und es ist alles so, wie ich es mir wünschen könnte.", erwiderte sie mit einem vorsichtigen Lächeln.
Sie schluckte schwer und suchte dann tapfer etwas zu sagen. "Ich hoffe, Ihr vergebt mir, dass ich Euch nicht so recht mit anregender Plauderei unterhalten kann, aber ich muss leider zugeben, ich war...sehr aufgeregt vor unserem Treffen."

Philippe

Die Anrede, die sie benutzte jagte Philippe einen leichten Schauer über den Rücken. Noch hatte er sich nicht wirklich daran gewöhnt, dass er nun ein Ritter war und die Leute ihn auch dementsprechend behandelten. Allerdings gefiel ihm, wie sie seinen Namen aussprach. Die meisten Engländer verhunzten seinen Namen fürchterlich, weil sie nicht in der Lage waren auch nur ansatzweise Französisch zu sprechen, Amélie hingegen wusste genau, wie man seinen Namen aussprach. Gegen seinen Willen musste Philippe lächeln als sie den Blick senkte.
"Das freut mich." entgegnete er und lauschte ihren ein wenig mühsam vorgebrachten Worten. Er spitzte leicht die Lippen zu einem spöttischen Lächeln, riss sich dann jedoch zusammen. "Da ging es Euch wohl nicht anders als mir." bemerkte Philippe, wenngleich seine Aufregung nicht nur ihrem Treffen geschuldet war.
Er griff nach ihrer Hand und deutete dann zum Kamin hinüber vor dem mehrere Sessel standen. "Kommt, wir sollten uns ein wenig setzen. Ich habe die Vermutung, dass man uns erst wieder aus diesem Raum heraus lässt, wenn wir uns ein wenig unterhalten haben."

Amélie

Sein Lächeln war schön, beruhigend und vielversprechend auf seine Weise. Das gefiel ihr und sie spürte, dass sie diesem Mann wirklich gerne eine gute Ehefrau wäre. Er würde sie mit Respekt behandeln, auch, wenn er ihr keine Zuneigung entgegen bringen konnte. Ihre Anspannung löste sich ein wenig, als er eingestand, ebenfalls ein wenig Aufregung verspürt zu haben und als er ihre Hand nahm, schenkte sie ihm ein deutlich offeneres Lächeln.
"Ihr habt Recht." Sie ließ sich folgsam in einen der Sessel sinken. Gerne hätte sie ihn gefragt, warum er so gegen eine Ehe war, aber sie wagte es nicht. Es war taktlos.
"Unsere Väter versprechen sich viel von dieser Verbindung.", erklärte sie schließlich nachdenklich.

Philippe

Philippe seufzte innerlich auf als sie ihn anlächelte. Das hier war doch absurd! Robert hatte Recht, sie war hübsch und vermutlich auch ein wirklich nettes Mädchen, aber warum sollte er Hoffnungen wecken, wo es keine gab?
Philippe ließ sie ihr gegenüber nieder und war Amélie insgeheim dankbar, dass sie ihm mit ihren Worten eine nahezu perfekte Vorlage gab. "Nicht nur unsere Väter, mein Bruder wohl ebenso. Aber ... wie steht es mit Euch, Mylady? Was versprecht Ihr Euch von einer möglichen Verbindung?" Philippe machte eine kurze Pause und lehnte sich etwas zurück. "Und war mein Bruder bei eurem Gespräch wenigstens so ehrlich und hat Euch keine allzu großen Hoffnungen auf eine Heirat gemacht?" Philippes Stimme war ruhig, immerhin konnte das Mädchen ja nichts dafür, dass Robert und sein Vater sich diesen irren Plan in den Kopf gesetzt hatten.

Amélie

Amélie betrachtete einige Momente lang ihre Hände auf ihrem Schoß, dann hob sie den Blick und sah in seine braunen Augen. Was er wohl von ihr dachte? Was er über sie wusste?
"Ich...ich verspreche mir ein schönes Zuhause mit einer erträglichen Ehe. Euer Bruder war in diesem Punkt sehr ehrlich zu mir, mach Euch keine Sorgen. Aber da er es war, möchte ich es auch zu Euch sein. Meine Alternative ist ein Kloster, das aber möchte ich um jeden Preis vermeiden. Ich würde hinter diesen Mauern ersticken, abgeschnitten vom Leben. Wie Ihr also seht, habe ich keine sonderlich großen Ansprüche, solange ich nur nicht in ein Kloster muss. Und ich hatte schon die Hoffnung, dass Euer Bruder Euch zumindest soweit bringt, die Möglichkeit einer Ehe in Betracht zu ziehen. Ich wäre Euch eine tadellose Gemahlin, Sir Philippe. Ihr würdet keinen Grund zur Klage haben."

Philippe

Philippe hörte dem Mädchen aufmerksam zu und schon während sie sprach, begannen seine Mundwinkel zu zucken. Als sie schließlich endete, brach er in schallendes Gelächter aus. Es dauerte einige Augenblicke bis er sich wieder soweit im Griff hatte, dass er sprechen konnte. "Herrlich." keuchte er ein wenig atemlos. "Der emotional verkrüppelte Bastard und die übrig gebliebene Tochter, die sich vor dem Kloster fürchtet. Wahrlich, wir würden ein vortreffliches Paar abgeben." bemerkte Philippe und schüttelte ungläubig den Kopf. Was hatten sie sich nur dabei gedacht? Wo sollte das hier nur hinführen?
"Versteh mich nicht falsch, Mädchen. Ich glaube gern, dass du mir eine gute Gemahlin sein möchtest, aber vertrau mir, in Wahrheit willst du jemanden wie mich gar nicht haben." erklärte er dann.

Amélie

Amélies Miene verdüsterte sich, als er zu lachen begann. Er lachte sie aus, einfach so. Robert hatte recht gehabt, dieser Mann würde eine harte probe für ihre Geduld sein, so viel war sicher. Egal, ob eine Ehe zustande kam oder nicht.
"Ich wüsste nicht, dass ich Euch gestattet hätte, mich so vertraulich anzusprechen, Sir Philippe.", sagte sie kühl, ihre Augen hatten sich ein klein wenig verengt. "Und ich bin durchaus in der Lage selbst zu entscheiden, wen ich haben möchte und wen nicht, dazu brauche ich Euer Urteil nicht. Für einen verkrüppelten Bastard, wie Ihr Euch selbst nennt, seid Ihr aber sehr erpicht darauf mir darzulegen, wie wenig Ihr meine Anwesenheit hier schätzt. Oder wie sonst soll ich Eure Herablassung verstehen? Haltet Ihr Euch für etwas Besseres, weil ich nur die fünfte Tochter des Grafen bin?"

Philippe

Philippe zollte ihr insgeheim Respekt dafür, dass sie sich nicht unterkriegen ließ. "Verzeiht, wie taktlos von mir, Mylady." erwiderte er und grinste dann breit. "Ich mich für etwas Besseres?" Er musste erneut lachen. "Im Leben nicht. Im Gegenteil. Ich denke, Ihr hättet etwas weitaus besseres verdient als mich. Ihr seid immerhin eine ehrbare Tochter eines Grafen, wenn auch nur die fünfte, ich bin nicht einmal von legitimer Geburt. Ich bin als Sohn einer Frau aufgewachsen, die man im Dorf eher gemieden hat und wenn einmal einer der Männer ihr geholfen hat, dann nur, weil er eine Gegenleistung von ihr haben wollte. Glaubt mir, so etwas stärkt nicht unbedingt das Selbstwertgefühl." bemerkte Philippe und wurde wieder ernster. "Mylady, ich bin nicht erpicht auf eine Heirat und ich fürchte, ich würde Euch Euer Leben nur unnötig schwer machen und das habt Ihr nicht verdient. Nehmt meinen Rat an und vergesst das mit uns. Ich sorge gerne dafür, dass sich ein aufrichtiger, ehrbarer Mann für Euch findet, damit Ihr nicht ins Kloster müsst, aber an meiner Seite würdet Ihr nicht glücklich werden." bekannte Philippe dann offen.

Amélie

"Eure Entschuldigung nehme ich Euch nicht ab, aber es ist mir auch gleichgütig.", eröffnete Amélie ihm gelassen. "Aber Euer Vater ist der Lordkanzler, ich nehme an, das hat Euer Selbstwertgefühl in den letzten Jahren doch etwas gestärkt, nicht wahr? Macht Euch nicht schlechter als Ihr seid, das steht Euch nicht.", erwiderte sie dann höflich. Sie musste vorsichtig sein. Sie wollte ihn nicht beleidigen, sich aber auch nicht so einfach abspeisen lassen.
"Und woher wollt Ihr wissen, dass ich an Eurer Seite nicht glücklich wäre? Das entscheide ich doch gern selbst. Vielleicht würde es mich ja reizen heraus zu finden wie Ihr so seid, wenn Bitterkeit nicht Euren Verstand trübt. Mir macht es nichts aus, dass Ihr mir keine Zuneigung entgegen bringt. Solange Ihr mich mit Respekt behandelt."

Philippe

Philippe lehnte sich etwas vor. "Vielleicht ein wenig." gab er zu. "Aber der Erlebnisse der Kindheit sitzen tief und fest verankert." fügte Philippe hinzu und musste Amélie erneut Respekt aussprechen. So leicht wie er zunächst gedacht hatte, ließ sie sich nicht einschüchtern und dennoch gelang es ihr dabei höflich zu bleiben. Eine beinahe faszinierende Fähigkeit.
Er sah ihr in die grauen Augen und schwieg einen Moment, ehe er letztlich antwortete. "Und was, wenn es so wäre?" fragte er dann langsam. "Wenn die Bitterkeit meinen Verstand trübt und mich verdirbt?"
Nun war er wirklich gespannt darauf, wie sie reagieren würde, dieses kleine Mädchen, das Robert ihm hier vorgesetzt hatte und dem es gegen Philippes Willen bereits gelungen war, ihn zu beeindrucken.

Amélie

Amélie nickte. "Das tun sie, ich weiß. Aber wenn man immer nur in der Vergangenheit lebt, kann man nur unglücklich werden. Viel erbaulicher ist es doch zu schätzen, was einem von Gott geschenkt worden ist.", sagte sie leise.
Sie musste unwillkürlich lächeln. "Das wäre nicht weiter schlimm, denn irgendwie wird es sicher gelingen, die Bitterkeit, die wie ein dunkler Schatten auf Euch lastet, ein wenig zu lindern. Es wird eine Herausforderung sein, aber nicht unmöglich. Eine Herausforderung, die ich nur zu gerne annehmen würde. Ich glaube, dass Ihr in Eurem Innern ein sehr liebenswerter Mann sein, wenn Ihr mich nicht gerade vom Gegenteil zu überzeugen versucht."

Philippe

Ohne es zu wissen hatte Amélie mit ihren Worten genau ins Schwarze getroffen. Und dieses Mal war es an Philippe den Blick zu senken. Mit einem Mal fühlte er sich miserabel, weil er versucht hatte so widerwärtig zu ihr zu sein und gleichzeitig plagte ihn sein Gewissen, weil er es für falsch hielt sich jetzt schon wieder einer Frau zuzuwenden.
"Mein Bruder hatte Recht." bemerkte Philippe schließlich und sah wieder auf. "Ihr seid ein nettes Mädchen. Aber ich halte dennoch nicht viel von der Idee zu heiraten. Das hat nichts mit Euch zu tun, Mylady, es geht eher um das Prinzip. Ich sehe mich nicht in der Lage solch ein wichtiges Bündnis wie die Ehe einzugehen und mich einer Frau gegenüber zu öffnen." Philippe schüttelte leicht den Kopf. Wie sollte er für eine Frau sorgen, wenn er nicht einmal für sich sorgen konnte?

Amélie

Amélie beobachtete ihren Gegenüber ganz genau und war daher recht überrascht, als er den Blick senkte. Offenbar hatten ihre Worte den richtigen Punkt getroffen. Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite, lauschte ihm aber aufmerksam.
"Ich habe nie verlangt, dass Ihr Euch mir gleich öffnet. Das wird irgendwann von selbst kommen." Sie wusste genau, dass das hier ihre einzige Chance war einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Ihr Vater wäre wirklich enttäuscht, wenn es ihr nicht gelingen würde Philippe für sich zu gewinnen. Aber sie auch...irgendwie mochte sie diesen verschlossenen Mann ein wenig und sie war tatsächlich neugierig, ob er ein so netter Mann war, wie sie hinter der Fassade zu erkennen glaubte.
"Irgendwann müsst Ihr doch heiraten und eine Familie gründen...dafür hat Gott uns geschaffen."

Philippe

Aber wenn man immer nur in der Vergangenheit lebt, kann man nur unglücklich werden.
Eine Zeit lang hatte Philippe versucht sich in die Vergangenheit zu flüchten in der alles gut gewesen war. Hatte sich mit den Erinnerungen vergnügt, die ihm das Herz wärmten und dann plötzlich hatte ihn die Gegenwart wieder eingeholt und ihm wurde bewusst, dass all das vergangen und verloren war. Jeden Tag erinnerten ihn seine Narben daran, wie abrupt alles geendet hatte. Die schlimmsten waren für ihn nicht sichtbar auf seinem Rücken, aber ein paar Striemen waren auch auf seiner Brust zurück geblieben und sorgten so dafür, dass er gar nicht vergessen konnte, was er alles verloren hatte.
"Muss ich das?" erwiderte Philippe ein wenig müde. "Gott hat nicht jeden von uns dafür geschaffen. Denkt nur an all die Geistlichen, die im Dienste Gottes stehen und solch weltlichen Dingen abgeschworen haben. Vielleicht hat er auch mich nicht für eine Ehe geschaffen." Warum sollte Gott ihm sonst seine Liebe zu Marguerite geschenkt haben, nur um sie ihm wieder zu entreißen? Das musste doch ein Zeichen dafür sein, dass ihm eine Gemahlin und eine Familie nicht vergönnt sein sollten.
Philippe seufzte leise und warf einen Blick zum Fenster. "Was haltet Ihr von einem Spaziergang, Amélie?" fragte er dann unvermittelt. "Ich weiß, dass Wetter ist nicht allzu erbaulich und es ist noch recht kalt draußen, aber ich könnte Euch ein wenig herum führen und der Garten hat zu dieser Jahreszeit seine ganz eigenen Reize."

Amélie

"Nun, Ihr macht mir aber nicht den Eindruck, als zöge es Euch in den Priesterstand, oder irre ich mich? Ich glaube nicht, dass es Euch glücklich machen würde. Und Ihr könnt indes gar nicht wissen, ob Gott Euch für die Ehe geschaffen hat oder nicht. Ihr wart noch nie verheiratet oder? Ich weiß nicht, was Euch so gegen eine Ehe eingenommen hat, aber was es auch war, offenbar war das nicht der Weg den Gott für Euch ersonnen hat.", widersprach Amélie ruhig, war aber sehr überrascht davon, als er sie zu einem Spaziergang einlud.
"Sehr gern, Sir Philippe. Ich bin kein verzärteltes Pflänzchen, die Kälte stört mich nicht. Ich würde sehr gerne einmal den Garten sehen.", erwiderte sie und lächelte leicht.
Ob das nun ein Entgegenkommen seinerseits war?

Philippe

Philippes Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln. "Wer weiß." bemerkte er. "Ich habe schon mehr Zeit in einem Kloster verbracht als Ihr Euch wohl vorstellen mögt." fügte Philippe hinzu, dann verschloss er sich jedoch wieder etwas und wurde ernst. Er wollte nicht darüber sprechen, weshalb er nicht heiraten wollte. Er wollte nicht über Marguerite sprechen, am liebsten nicht einmal an sie denken.
Als Amélie auf seinen Vorschlag einging und sich bereit erklärte, huschte kurz ein Lächeln über seine Lippen und Philippe stand auf. "Das freut mich, Mylady." erwiderte er und ging zur Tür neben der an der Seite ihr Mantel lag. Er hob ihn auf und hielt ihn in die Höhe, um ihn Amélie um die Schultern zu legen. "Wenn ich bitten dürfte?"

Amélie

"Das ändert nichts an meinem Eindruck von Euch. Ihr liebt das Leben eigentlich viel zu sehr um Euch Euer Leben lang hinter Klostermauern zu verschanzen. Sonst wärt Ihr schon längst dort." Sie erhob sich und trat zu ihm hin, damit er ihr den Mantel um die Schultern legen konnte.
"Ich danke Euch." Sie legte die Hand auf den ihr angebotenen Arm und folgte ihm durch die Tür hinaus in den Garten. Der Schnee hatte sich hartnäckig gehalten und malte eine wunderschöne Landschaft in weiß in den kleinen Garten von Truro.
Augenblicklich fühlte Amélie sich wohl hier. "Ein wunderschöner Ort. Ich liebe den Winter sehr...alles sieht so majestätisch aus. Kühl, aber von ganz eigener Schönheit."