William und Joanna ~ 1178

Joanna legte den Arm um Joanna und seufzte. "Wie meinst du das, weg? Er ist nicht nach Hause gekommen, sagst du? Seit wann? Wie lange schon nicht?" Das hatte sie John nun wirklich nicht zugetraut, er lief normalerweise nicht vor seinen Problemen davon.
"Beruhige dich, Liebes. Er wird schon zurückkommen. Hattet ihr in letzter Zeit Streit? Ist etwas vorgefallen?"
Sie biss sich kurz auf die Unterlippe. "Ich weiß nur, dass er mit William Streit hatte. Er unterrichtet und behandelt die Kinder nicht mehr, weil er völlig neben sich steht und Elias Angst gemacht hat. Er war völlig ungeduldig, sagt William. Also hat William ihm erst einmal den Unterricht entzogen. Vielleicht ist er deshalb fort gegangen."

"Einfach weg ..." murmelte Constance und zwang sich dann dazu sich etwas zusammen zu reißen. Sie atmete leise aus und nickte. "Er ist gegangen um Elias zu behandeln. Ich dachte mir schon, dass er den Tag über nicht zurück kommen würde, er hat einige Patienten und dann den Unterricht der Kinder, aber dann ist er auch die ganze Nacht weggeblieben und bis jetzt nicht wieder aufgetaucht." erklärte Constance mit rauer Stimme.
Unbehaglich sah Constance ihre Freundin an und nickte dann, senkte beschämt den Blick. "Ich konnte ihn einfach nicht in Ruhe lassen." erklärte sie dann leise. "Er hat abends oft dagesessen und nachgedacht, wollte seine Ruhe haben ... alles nachdem Rupert gestorben ist. Er hat sich Vorwürfe deswegen gemacht. Und ich ... ich war so dumm." Constance schüttelte den Kopf. "Ich habe immer wieder versucht an ihn heran zu kommen, obwohl er mir sagte, er bräuchte Zeit & Ruhe zum Nachdenken. Aber er hat so gut wie kein Interesse mehr an mir gehabt, auch ... auch wenn es darum ging das Bett miteinander zu teilen. Und als er es dann doch einmal versucht hatte, da -" Constance brach ab und ihre Wangen wurden ein wenig rot. "Ich kann ihm einfach nicht mehr genug bieten." murmelte sie betroffen und faltete ihre Hände in ihrem Schoß.
"Dann war ich auch noch so dumm und habe ihm Vorwürfe gemacht und habe ihm unterstellt, dass er ... dass er eine andere haben könnte, weil er abends immer verschwunden ist und mich nicht mehr wollte." Constance vergrub das Gesicht in den Hände. "Gott, Joanna, ich war so dumm."
Die Erkenntnis, dass John auch mit William aneinander geraten war, nahm Constance zwar auf, aber dennoch hielt sie das nicht für den Grund von Johns Verschwinden. Es war ihre Schuld, weil sie so ungeduldig gewesen war.

Joanna runzelte die Stirn ein wenig. "Rupert? Was hat John mit Ruperts Tod zu tun? Rupert war alt und schon länger nicht mehr so auf der Höhe." Joanna schüttelte den Kopf. "Hör auf damit dir das einzureden, Liebes. Es ist nicht deine Schuld. Es war nur richtig, dass du versucht hast für ihn da zu sein und ihn nicht allein zu lassen. So sollte eine Ehe funktionieren, Constance. Und die Sache mit dem Bett..." Herrje, William würde sie umbringen, wenn er herausfand, dass sie Constance das erzählte, aber ihre Freundin brauchte Trost.
"Das kann passieren. William und mir...uns ging es auch einmal so. Er war so angespannt, so voller Stress über Tage hinweg, dass es einfach nicht funktionierte. Aber irgendwann kam das von selbst wieder, darum mach dir also keine Sorgen. Das liegt nicht an dir. Es ist nur richtig, dass du dir Gedanken machst. Aber ausgerechnet John? Er schaut keine andere Frau auch nur an, Liebes. Er liebt nur dich, auch wenn er es im Moment vielleicht nicht so zeigen kann. Wir bringen deinen Liebsten schon wieder in die Spur."

"John hatte Rupert schon mehrfach untersucht und nie etwas finden können. Er ist dann abends noch einmal zu uns gekommen und hat über Schmerzen geklagt, John hat ihm ein Mittelchen gegeben und ihm gesagt, er solle sich hinlegen. Wir haben noch über Rupert gesprochen und über die Möglichkeit nachgedacht, dass er sich seine Schmerzen nur einredet, um ein wenig Aufmerksamkeit zu bekommen." Constance senkte beschämt den Blick bei der Erinnerung. "Wir haben uns dann einen schönen Abend gemacht und mitten in der Nacht ist Martin aufgetaucht und hat John geholt, aber da war es schon zu spät, er hat Rupert mit mehr helfen können. Er hat sich wahnsinnige Vorwürfe gemacht, weil er Rupert nicht ernst genommen hatte." erzählte Constance ihrer Freundin.
Dann atmete sie tief durch, wusste nicht genau, ob Joannas Bericht sie nun beruhigte oder nicht. "Aber er hat mich immer los werden wollen, hat mich weg geschickt und gesagt, ich ginge ihm auf die Nerven. So kenne ich ihn gar nicht ... ich weiß wirklich nicht, was ich noch tun soll." Nervös kaute Constance auf ihrer Unterlippe herum. "Ja, ich weiß, bisher hat er das nie, aber ... er lügt mich an, Joanna. Erinnerst du dich daran, dass ich erzählte, er hat mir gesagt, er wäre mit William etwas trinken gewesen? Und so ist es bald jeden Abend, er sagt, er hätte Patienten im Dorf, aber so spät abends? Und das ständig?" Constance schüttelte den Kopf. "Was treibt er denn dann, wenn es keine andere Frau ist?"
Constances Finger zitterten als sie sich über das Gesicht fuhr. "Und jetzt hat er mich alleine gelassen. Was, wenn er nicht mehr wieder kommt? Dann sitze ich da mit sechs Kindern und ohne John bin ich doch niemand ..."

Joanna nickte langsam. "Eine kleine Fehleinschätzung nach Jahren der tadellosen Arbeit. Rupert war alt, er wäre sowieso in naher Zukunft gestorben. John hat getan, was er konnte. Niemand kann von ihm verlangen, dass er Tag und Nacht für seine Patienten da ist und sich kein Vergnügen gönnen darf. Aber John ist ein nachdenklicher Mensch, kein Wunder, dass er an sich zweifelt. Doch das ist kein Grund für sein Verhalten. Ich glaube einfach, John kam mit sich selbst nicht mehr zurecht und darüber war er wütend. Das hat er an dir ausgelassen, ohne dass er es vielleicht selbst so wollte. Aber es wird wieder besser werden, glaub mir. Zeig ihm einfach, dass du trotzdem zu ihm stehst." Joanna drückte Constance leicht an sich.
"Ich weiß, das ist nicht in Ordnung von ihm. Und was er treibt, werden wir schon noch irgendwie herausfinden. Doch ich glaube ehrlich gesagt wirklich nicht an eine Frau. Das passt nicht." Sie stockte, zögerte kurz.
"Sechs Kinder? Bist du schwanger, Constance? Weiß er davon? Aber vertrau mir, er kommt zurück."

"Ja, ich habe auch versucht ihm klar zu machen, dass er keine Schuld an Ruperts Tod hatte, aber davon hat er nichts hören wollen." berichtete Constance bedrückt und seufzte leise. "Ich versuche es ja, wirklich, aber er macht es mir so schwer. Wie soll ich ihm beistehen, wenn er mich nicht bei sich haben will? Wenn er meine Nähe scheut?"
Constance wusste einfach nicht mehr weiter. "Nein, es passt nicht. Und es widert mich an, dass ich überhaupt auf solch eine Idee komme und es ihm auch noch vorgeworfen habe ... da brauche ich mich doch gar nicht wundern, wenn er verschwindet, so hässlich wie ich zu ihm war."
Dann sah Constance überrascht auf. Sie hatte gar nicht darüber nachgedacht als sie von sechs Kindern gesprochen hatte. Sie nickte zögerlich. "Das bin ich." erklärte sie langsam und schüttelte dann den Kopf. "Nein, weiß er nicht. Ich selbst habe es ja erst gemerkt, das heißt, ganz sicher bin ich mir noch nicht einmal. Aber ich habe vier Schwangerschaften hinter mir, ich bin mir ziemlich sicher." Constance zögerte einen Moment. "Vielleicht nur gut, dass er es nicht weiß. Sonst hätte er noch einen Grund weg zu bleiben." Wenn sie daran dachte, wie widersprüchlich er sich zu ihrem Kinderwunsch geäußert hatte ...

"Für John ist es schwer, aber keine Sorge, wir reden ihm das schon aus. Sei nicht so traurig. Bleib wie du bist und biete ihm deine Liebe immer wieder an. Irgendwann merkt er, was für ein Dummkopf er ist dir wehzutun. Es ist ganz normal, dass du auf diese Idee kommst und ihn danach fragst. Wenn er dich anlügt, ist er daran auch selber Schuld. Das ist nicht deine Schuld und du musst dir auch nicht alles gefallen lassen, Liebes."
Joanna nahm Constance in die Arme. "Ach, Constance...du wirst sehen, alles wird wieder gut. Wenn du Probleme hast, komm zu mir. Wenn du etwas brauchst...und du wirst sehen, er kommt bald zurück. Warum sollte er wegbleiben, wenn er von deiner Schwangerschaft erfährt? Er liebt eure Kinder über alles. Und das wird er auch mit diesem tun. Ich werde William fragen. Er hat John schon einmal aufgegabelt, er wird ihn wieder finden. Lass mich nur machen."

Es tat erstaunlich gut von Joanna in die Arme genommen zu werden und so gestattete Constance es sich einen Moment lang einfach nur die Geborgenheit zu genießen, die ihre Freundin ihr gerade bot.
Kurz kaute sich auf ihrer Unterlippe herum und zögerte, ehe sie sich erklärte. "Er hat so merkwürdig geredet. Er wusste, dass ich mir noch ein Kind wünsche, aber er ... er hat mich abgewiesen und gesagt, dass ihm unsere Familie so gefällt, wie sie ist." erzählte sie. "Am nächsten Tag hat er sich zwar entschuldigt, aber ... er scheint seine Meinung momentan fast Stündlich zu ändern."
Dann konnte Constance zum ersten Mal wieder etwas lächeln. "Ich danke dir. Eure Hilfe bedeutet mir wirklich viel." Vielleicht hatte Joanna ja Recht und John würde wieder kommen und alles gut werden.

"Irgendetwas stimmte mit John nicht und ich glaube nicht, dass es mit Rupert zu tun hat. Er ist völlig neben sich, das meinte auch William. Wir wissen nicht, was es ist, aber seine Hände haben gezittert und er war blass. Aufbrausend, launisch. Das kennen wir nicht von ihm. Aber ich bin sicher, William wird den Grund herausfinden."
Joanna küsste ihre Freundin auf die Wange. "Du bist auch immer für mich da, wenn ich mal wieder Streit mit William habe. Unsere Hilfe ist dir immer sicher, Constance. Egal, was es ist. Glaub mir, alles wird gut. Und du solltest daran denken, dass du nicht allein bist und dass du dich schonen musst. Darum wirst du dich jetzt ein bisschen hinlegen und ausruhen, ich rede derweil mit William."

Constance nickte langsam. "Ich begreife auch nicht, was mit ihm los ist. Er kommt mir vor wie ein ganz anderer Mensch." murmelte sie bedrückt. In einem Moment war er so, im nächsten ganz anders und es kamen Seiten an John zum Vorschein, die sie höchstens von seinem Bruder kannte ... dieses schroffe, abweisende und herrische Art, sobald er genervt war.
Constance drückte Joanna noch einmal kurz an sich. "Ich danke dir wirklich." erwiderte sie und nickte dann. "Das sollte ich vielleicht wirklich. Ich habe in letzter Zeit kaum genug Schlaf gefunden und die letzten zwei Nächte waren besonders furchtbar. Allerdings ... könntest du vielleicht für zwei, drei Stündchen auf Jane aufpassen? Sie ist gerade bei ihrer Kinderfrau, aber ich hatte dieser zugesagt, dass ich die Kleine heute Vormittag zu mir nehme."

Joanna hatte geahnt, dass sie ihren Mann um diese Zeit im Stall finden würde. Gemeinsam mit Edward begutachtete er den jungen Pferdenachwuchs, der in diesem Winter oder spätestens im Frühjahr unter den Sattel kommen sollte. Sie musste lächeln, als sie die Beiden zusammen sah, die Köpfe mit dem roten und dem schwarzen Schopf zusammengesteckt und eifrig am diskutieren.
"Da steckt ihr also. Nun, geht es den Pferden gut?" Sie schenkte beiden ein Lächeln, wurde dann aber ernst.
"John ist verschwunden. Seit dem Streit mit dir ist er nicht nach hause gekommen, Constance ist außer sich vor Sorge."

Wie üblich, wenn es um die Pferde ging, hatte William sich mit Edward verabredet und sie besprachen das weitere Vorgehen für die jungen Pferde, die sie bald anreiten würden. Als Joannas Stimme hinter ihnen erklang, drehte William sich herum und schenkte seiner Frau ebenfalls ein Lächeln. "Oh ganz hervorragend sogar. Wir haben dieses Mal ein paar wirklich viel versprechende Jungtiere dabei." bemerkte er zufrieden, zog dann aber überrascht die Augenbrauen in die Höhe. "Er ist verschwunden?" fragte William irritiert und fühlte sich mit einem Mal sichtlich unwohl in seiner Haut. Er fuhr sich durch die dunklen Haare und sah Joanna etwas rastlos an. "Ich hoffe nur, dass er keine Dummheiten gemacht hat ... ich wollte ihn ja nicht vertreiben." murmelte er und seufzte tief. "Ich werde mich auf die Suche nach ihm machen. Zwar habe ich keine Ahnung, wo ich anfangen sollte, aber wo soll er schon groß hin? Besonders zu Fuß kann er nicht weit gekommen sein bisher."

Joanna nickte. "Ja. Er ist zwei Nächte nicht nach Hause gekommen, Constance macht sich Sorgen, er könnte sie verlassen haben. Sie hatten in letzter Zeit wohl ebenfalls Streit. John war abweisend zu ihr, schroff. Ich glaube nicht, dass es nur deine Schuld ist. Deine Entscheidung war richtig. John ist einfach nicht er selbst, aber ich weiß nicht wieso. Ich glaube auch nicht, dass er fort ist. Er würde sie trotzdem nicht einfach mit den Kindern allein lassen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Also wird er in der Nähe geblieben sein. Finde ihn und wasch ihm den Kopf."
Edward hatte bislang schweigend zugehört, räusperte sich dann. "Nun...ich habe da so eine Ahnung, wo das Problem liegt. Julia hat mir erzählt, dass er seit Wochen fast jeden Abend im Wirtshaus ist und sich betrinkt. Es sei ein Wunder, dass er dann noch geradeaus nach Hause laufen könne, sagt sie."

William nickte. "Das werde ich. Er kann nicht einfach so verschwinden und Constance alleine lassen." William drehte den Kopf beinahe langsam herum und sah Edward verdutzt an als dieser sich plötzlich einmischte. Für einen Moment wusste William nicht über welchen Umstand er verwunderter sein sollte ...
"Ich lasse jetzt erst einmal die Frage außen vor, warum zum Teufel Julia dir so etwas anvertraut und hoffe, dass du keine Dummheiten machst." begann William schließlich und zog die Augenbrauen in die Höhe. "Aber bist du dir sicher, dass sie von dem gleichen John redet? Der und betrunken? Ich bitte dich, das ist doch absurd. John ist doch schon besoffen, wenn er nur -" William stockte.
Die zitternden Hände, das blasse Gesicht und diese Gereiztheit ...
"Edward, wir reden später noch einmal. Ich sollte besser gleich los." entschied er dann und gab Joanna einen Kuss auf die Wange. "Ich werde ihn schon wieder her bringen." versprach William, ehe er aus dem Stall hinaus eilte.

Edward grinste verlegen. "Danach fragst du besser nicht, du willst es sowieso lieber nicht wissen. Aber keine Sorge, ich mache keine Dummheiten." Immerhin traf er Julia zwar regelmäßig, aber mehr als ein paar Küsse und Berührungen waren nicht zwischen ihnen passiert, so sehr er sich auch danach sehnte. Das Risiko war zu groß. "Sie hat es mir gesagt, weil sie weiß, dass er zu uns gehört und sie macht sich selber Sorgen um ihn. Schließlich hat er ihr das Leben gerettet. Sie kennt John."
Joanna nickte. "Beeil dich. Und bring ihn zurück, er wird noch gebraucht." Edward setzte an um zu fragen, ob er bei der Suche helfen solle, doch dann war sein Vater schon verschwunden.

William hatte direkt den Weg zum Dorf eingeschlagen. Wenn John im Wirtshaus tatsächlich seine Abende verbracht hatte, war es nicht unwahrscheinlich, dass er sich auch jetzt irgendwo dort in der Nähe verkrochen hatte. Die Frage war nur in welchem Zustand er seinen Freund vorfinden würde.
Es war für William in gewisser Weise unvorstellbar, dass ausgerechnet John unter die Trinker gegangen sein sollte. Ausgerechnet John, der sonst immer mehr als maßvoll mit Alkohol umging und schon nach einem Becher schwerem Wein schon gut angetrunken war ...
Nachdenklich ging William die Straße entlang in der das Wirtshaus sich befand und sah sich um. Das Wirtshaus würde erst am Nachmittag öffnen, aber wenn Edward die Wahrheit gesagt hatte, würde John sich sicher in der Nähe aufhalten, um sich bald Nachschub zu holen.
Letztlich war es das Stroh- und Heulager eines der Bauern, das Williams Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war ein größerer Holzverschlag, der eigentlich mit einer Tür und einem Balken davor verschlossen war, doch der Balken lag an der Seite und die Tür stand ein wenig offen - und das obwohl William wusste, dass der Bauer mit seiner Familie für ein paar Tage zu seiner Schwester zwei Dörfer weiter gereist war, um sie zu Besuchen.
Langsam trat er auf das Gebäude zu und schob die Tür ein wenig weiter auf. "John?" fragte er in das Dämmerlicht hinein, dass dort herrschte und wartete darauf, dass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.

John war seit zwei Tagen hier um sich seinem Selbstmitleid zu überlassen. Er ging abends in die Schenke und nahm einen Krug mit, der bis zum nächsten Tag genügte, wenn er sich einteilte. Hier hatte er eine wundervolle Ruhe, niemand nervte ihn, niemand beschimpfte ihn und er konnte tun und lassen, was er wollte.
Es war fast Mittag und er spürte, dass es ihm jetzt gut tun würde, wieder etwas Nachschub zu bekommen, aber der Wirt hatte noch geschlossen. Er war leicht angetrunken noch, das half ihm möglichst glücklich über den Tag zu kommen.
Nun saß er da auf seinem Strohballen, die Augen ins Leere gerichtet und träumte vor sich hin, bemerkte kaum das Zittern, dass ihn dieses Mal am ganzen Körper erfasst hatte. Nur leicht, aber dennoch.
Er hörte die Stimme an der Tür und verhielt sich weiter ruhig. Er wollte William nicht sehen. Dieser Bastard hatte ihm seine Arbeit genommen, seine Leidenschaft.

William wartete einen Moment, erhielt aber keine Antwort, was ihn zugegebener Maßen auch wenig überraschte. John würde sich sicher nicht freuen ihn zu sehen. Er blinzelte noch einmal kurz, dann konnte er in dem Halbdunkel auch mehr erkennen und trat langsam ein, sah sich ein wenig um.
Und sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht. Dort hinten saß er auf einem Strohballen, einen Krug in der Hand. "John." William trat langsam näher und ließ sich dann neben seinem Freund ins Stroh sinken.
"Mann, ahnst du eigentlich, was du uns für einen Schrecken eingejagt hast?" fragte er zunächst und schüttelte den Kopf. "Du kannst doch nicht einfach so verschwinden ohne ein Wort ... Constance ist fast gestorben vor Angst, weil sie denkt, du hättest sie und die Kinder verlassen."

John stellte den leeren Krug auf dem Boden ab, nachdem er einen letzten Schluck genommen hatte und antwortete nicht, bis William sich neben ihn gesetzt hatte. Ihm behagte das alles ganz und gar nicht, warm ließ man ihn denn nicht in Ruhe? Hier hatte er Ruhe, hier war es wirklich wunderbar still und niemand widersprach ihm, niemand schrieb ihm vor, was er zu tun hatte....
"Kümmert euch doch sowieso nicht, solange ich nicht mache, was ihr wollt.", erwiderte John undeutlich. "Constance geht mir auf die Nerven. Immerzu will sie wissen, was ich mache. Lässt mich nicht nachdenken. Aber wenn sie das glaubt, dass ich sie verlasse, dann ist sie selber schuld." Er war doch trotzdem verheiratet und Vater."

William hatte den Alkohol schon deutlich gerochen als er sich zu John gesetzt hatte und als dieser nun zu sprechen begann, bekam William eine Vorstellung davon, wie es um seinen Freund stand. "Sie will doch nur wissen, was du treibst, weil sie sich Sorgen um dich macht. Sie liebt dich, John und deshalb hat sie auch solche Angst davor, du könntest einfach so verschwinden." entgegnete William.
Er warf einen Blick auf den Krug und fragte sich, ob John schon wieder oder immer noch betrunken war, aber letztlich spielte das ja keine Rolle mehr.
"Dein Krug ist leer, hm?" bemerkte er nachdenklich und musterte John aufmerksam. Das Zittern entging ihm dabei keineswegs. "Was hältst du davon, wenn wir zurück zur Burg gehen und du ein Bad nimmst und dann ... besorg ich uns beiden noch etwas Wein und wir reden ein wenig." schlug William vor, wenngleich er nicht vor hatte John tatsächlich noch mehr Wein einzuflößen, aber vielleicht lockte es ihn ja ein wenig. "Der Wirt macht eh erst in ein paar Stunden auf, vorher kriegst du hier nichts."

"Trotzdem glaubt sie mir nich..." Er hatte schließlich eine Eheversprechen gegeben. "Sie denkt doch sowieso, dass ich 'ne Andere hab..."
John erschauderte unwillkürlich und bedachte William mit einem argwöhnischen Blick. "Was soll ich denn auf der Burg? Da macht mir doch nur jeder Vorwürfe...ich bleib lieber hier, da kann ich warten. Ich schaff das schon...irgendwie." Auch wenn es wirklich scheußlich war, noch so lange warten zu müssen, bis Tom aufsperrte.
"Reden bringt nix...was wills' du eigentlich? Geh weg..." Er hatte nicht vergessen, wie William ihn angefahren hatte. Jetzt war er ein Niemand mehr. Kein Arzt, kein Lehrer, er machte sowieso alles falsch. Ein guter Ehemann war er auch nicht...
"Lass mich zufrieden."

William atmete geräuschvoll aus. Er hatte damit gerechnet, dass John nicht vernünftig genug war, um mit ihm zu kommen, aber er hatte es wenigstens versuchen wollen. "Nun denn ..." murmelte er, stand auf, doch er ging nicht einfach, sondern packte John fest am Arm und zog ihn in die Höhe.
Selbst in nüchternem Zustand hätte John keine Chance gegen ihn gehabt, betrunken wie er war also erst Recht nicht. "Ich habe es im Guten versucht." erklärte William und zerrte John aus der Scheune auf die Straße. "Aber jetzt ist es genug. Du kannst dich hier nicht verkriechen und dich voll laufen lassen." knurrte William.
"Du hast die Wahl, entweder du gehst freiwillig mit mir und nimmst in der Burg ein Bad oder ich schleife dich zum Fluss, verpasse dir dort dein Bad und dann zerre ich dich hoch zur Burg. Es liegt bei dir."

John wollte nicht angefasst werden und versuchte sich mit einer ausladenden Geste von William zu befreien. Dabei geriet er völlig ins Wanken und fiel nur nicht, weil William seinen Arm weiter umklammert hielt.
"Lass mich in Ruhe! Ich will nich mit dir gehen! Lass mich, lass mich....", protestierte er doch der körperliche Widerstand verebbte langsam, weil ihn die Kraft verließ. Er hatte es gewusst. Gott hatte ihn verlassen, weil er dem Orden den Rücken gekehrt hatte. Jetzt bestrafte er ihn so...
"Will sie nich sehen jetzt..." Er hatte kein Bedürfnis danach Constance mit ihrer übertriebenen Sorge jetzt zu begegnen. Wie würde sie ihn wieder bemuttern.

William packte John am Kragen und drückte ihn energisch gegen die Wand der Scheune. "Hör dich einmal an!" fuhr er ihn wütend an. "Jammerst hier herum, wie ein kleines Kind. Was ist los mit dir, bist du völlig verrückt geworden? Reiß dich verdammt nochmal zusammen und hör endlich auf dich so gehen zu lassen, das ist ja widerlich." zischte William.
"Ob du es glaubst oder nicht, ich werde sie sicher nicht zu dir lassen. Nicht solange du so so dreckig bist, stinkst wie ein Weinfass und sturzbesoffen bist. Das will ich Constance nun wirklich nicht an tun. Du bist also noch ein wenig sicher vor ihr und vielleicht nutzt du die Zeit ja, um darüber nachzudenken, was du angerichtet hast!"
William zog ihn wieder von der Wand weg und schob John nun vor sich her die Straße entlang. "Und jetzt sparst du dir dein Gejammer und wir gehen. Und glaub mir, wenn du dich weigerst, kann ich noch ungemütlicher werden."

"Ich lasse mich nicht gehen! Ich bin ganz normal!" John hasste es, wenn man so mit ihm sprach. Er war kein Kind mehr, was viel William eigentlich ein? Dann aber begann er freudlos zu kichern, völlig unerwartet. "Was mit mir los ist? Gott hat mich verlassen und straft mich für meine Sünden. Gott hat mich verlassen und kehrt nie wieder zurück." Er schaffte es einfach nicht mehr dieses Leben zu leben. Alles war so anstrengend geworden und er konnte nur noch daran denken, wann er den nächsten Becher Wein bekam. Das war alles viel zu viel, immerhin musste er Constance nicht sehen.
Williams Drohung erreicht ihn dann doch und er kam ein bisschen bereitwilliger mit. Immerhin hatte William gesagt, er würde ihnen einen Becher holen. Und vielleicht war ein Bad ja auch nicht so schlecht.