William und Joanna ~ 1178

William überging Johns Kommentar schlicht und ergreifend, zog aber eine Augenbraue in die Höhe als John zu kichern begann. Himmel, der war wirklich völlig neben sich.
"Red nicht solch einen lästerlichen Unsinn. Gott hat dich nicht verlassen, höchstens dein Verstand." erwiderte William ruppig und schob John vor sich hin zur Burg. Dort verfrachtete er ihn bewusst zunächst in ein ruhiges Gästezimmer, denn es war die Wahrheit gewesen, so würde er Constance nicht zu ihm lassen.
Er bat einen Diener ein Bad vorbereiten zu lassen, mit kühlem Wasser, damit John wieder zu Verstand kam, und Essen zu holen, aber ganz bewusst keinen Wein.
"Na los du von Gott Verlassener." forderte William ihn auf als das Wasser bereit stand. "Rein mit dir, ich warte vor der Tür." Und idealerweise würde William John hier so schnell nicht mehr raus lassen.
Wenn er die Lage richtig einschätzte, hatte John sich ein nicht unerhebliches Alkoholproblem angetrunken und den Guten wieder vernünftig Nüchtern zu bekommen, würde sicher Zeit in Anspruch nehmen.

John zog es vor nichts mehr zu antworten. Stattdessen ließ er sich von William zur Burg schieben und war dankbar für das so schön ruhige Zimmer, in das er ihn brachte.
Als William hinaus ging, zögerte John, nahm dann aber dennoch wie geheißen ein Bad und zog die frischen Kleider an, die William ihm borgte.
Dann legte er sich auf das Bett und nun, da sein Kopf ein klein wenig nüchterner wurde, wurde es erst wirklich schlimm für ihn.
Das Zittern verstärkte sich am ganzen Leib und zugleich begann er zu schwitzen. Er fühlte sich grauenvoll und wünschte sich zu sterben.
Doch das würde William niemals zulassen.

William hatte nach Essen schicken lassen und ebenfalls einen Diener zu Joanna geschickt, um sie her zu holen. Am Besten diese würde Constance schonend beibringen, dass John wieder da war, aber sie besser noch etwas wartete bis sie ihn aufsuchte.
Als das Essen kam, nahm er es dem Diener dankbar ab, klopfte kurz an die Tür, um sich anzukündigen und trat ein. "Hier, ich hab dir was mitgebracht." erklärte er und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass John offensichtlich gebadet und sich umgezogen hatte und nun im Bett lag.
Er zog den kleinen Tisch heran und stellte das Essen dann neben das Bett und betrachtete John eingehend. Der sah nun zwar wieder sauberer aus, aber deshalb nicht unbedingt besser. Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet und er zitterte. "Tja, dummerweise bist du hier von uns beiden der Arzt, sonst hätte ich dir irgendwas zusammen gebraut." murmelte William und goss einen Becher mit Wasser voll, um ihn John hin zu halten. "Hier trink, wir müssen den Alkohol aus dir raus kriegen." Und das konnte dauern, wusste William.

John hob nur mäßig interessiert den Kopf, drehte ihn aber sofort wieder weg, als er das Essen sah. Allein von dem Anblick wurde ihm übel, geschweige denn von dem Geruch. Er biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen den Brechreiz an, der ihn überkam.
"Nimm es weg..."
Er schlang die Arme um seinen Körper und rollte sich zusammen. Seine Muskeln schmerzten, das taten sie öfter in den letzten Tagen. "Du musst mir nichts zusammenbrauen, du musst mir einfach nur einen Becher Wein geben."
Es war so einfach und doch konnte John sonst kaum einen klaren Gedanken fassen. Er ignorierte den Becher erst einmal. "Ich kann nicht..." Wenn er das jetzt versuchte, würde er sich vor Williams Füße übergeben.

William schüttelte den Kopf. "Sicher nicht. Du musst ein wenig was Essen, ob es dir gefällt oder nicht. Und es ist nur eine leichte Brühe, die wirst du schon hinunter bekommen." erwiderte William dann und verzog die Lippen zu einem freudlosen Lächeln. "Das, mein Freund, ist das einzige, was du hier nicht bekommen wirst. Du hast für lange Zeit erst einmal genügend Wein getrunken." erklärte William und hielt den Becher mit Wasser unnachgiebig vor Johns Nase.
"Du willst nur nicht." bemerkte er trocken. "Aber du musst. Na los, reiß dich zusammen, je eher du anfängst zu trinken, desto schneller bekommst du auch den Alkohol aus deinem Körper gespült."
William zog sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. Sein Blick huschte kurz zur Tür und er hoffte, dass Joanna bald auftauchen würde, er musste immerhin einige Dinge mit ihr besprechen.

"Hinunter vielleicht, aber dort wird es nicht lange bleiben.", erwiderte John heiser und schluckte schwer. Ihm war übel, warum ließ William ihn nicht einfach in Ruhe? "Lass mich schlafen..."
Er wollte seine Ruhe und er wollte einen Becher Wein. Dann würde es ihm wieder gut gehen. "Warum tust du das? Ich kann selber entscheiden, was ich tue. Du hast kein Recht über mich zu bestimmen."
John biss die Zähne zusammen, als das Zittern sich wieder etwas verstärkte, ehe es wieder nachließ. William würde ihn zwingen, wenn er es nicht tat.
Er griff nach dem Wasser, das in seinem Griff bedenklich im Becher hin und her schwappte. Er musste sich überwinden und nahm einen kleinen Schluck. Es würde nicht lange gut gehen, das wusste er jetzt schon.
Joanna war vom Diener alarmiert worden und eilte nun zum Gästegemach. Sie klopfte und trat dann ein. Entsetzt weiteten sich ihre Augen, als sie den Gesuchten sah. "Mein Gott, John..."

William lehnte sich etwas zurück und seufzte. "Nun gut, dann lass das Essen kalt werden. Aber das Wasser wirst du trinken müssen, anders geht es nicht." erwiderte er ernst.
Er zog eine Augenbraue in die Höhe und maß John mit einem beinahe spöttischen Lächeln. "Warum ich das tue? Weil du mein Freund bist, ganz einfach. Und weil ich nicht dabei zugucken werde, wie du dich und deine Familie zugrunde richtest." entgegnete William und nickte zufrieden als John endlich den Becher nahm und trank. "Lass dir Zeit dabei und nimm kleine Schlucke, dann wird es schon unten bleiben." riet er John dann und sah zur Tür als es klopfte.
Erleichterung machte sich auf Williams Zügen breit als Joanna eintrat. "Ah, na endlich." murmelte er und stand auf, um ihr entgegen zu gehen. Er zog Joanna kurz in seine Arme und gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Ich habe ihn in einer Scheune in Nähe des Wirtshauses gefunden." berichtete William. "Du musst ein paar Dinge für mich erledigen." fuhr er dann fort. "Schick Robert her, er wird in den nächsten Tagen meine Aufgaben hier übernehmen müssen. Wenn etwas wichtiges ist, soll er es mit dir besprechen, ich werde hier wohl alle Hände voll zu tun haben." murmelte William nachdenklich und sah kurz zu John hinüber. "Vor allem aber musst du dich um Constance kümmern. Sag ihr, dass wir ihn wieder her gebracht haben, aber du musst um jeden Preis verhindern, dass sie her kommt. Sie sollte ihn so wirklich nicht zu Gesicht bekommen. Zumal er ... reichlich schlechte Laune hat und ich vermute, das wird in den nächsten Tagen nicht besser."

"Freund...ja klar." John schnaubte missmutig und starrte in seinen Becher. William quälte ihn wissentlich, was sollte das für eine Freundschaft sein? Doch so langsam dämmerte ihm auch durchaus, dass er ein ernsthaftes Problem hatte. Nur wahr haben wollte er es noch nicht.
Er bedachte William mit einem finsteren Blick und nahm einen weiteren kleinen Schluck Wasser, als er feststellte, dass es noch ging. Und es behagte ihm gar nicht, dass Joanna ihn so sah.
Diese war wirklich schockiert über Johns Zustand, hörte aber ihrem Mann aufmerksam zu. "In Ordnung, ich werde ihn herschicken und mit Constance reden. Überlass das nur mir, ich werde ihr klar machen, dass sie sich nicht in Gefahr bringen darf. Doch William...pass du auch auf dich auf, wenn er so launisch ist. Er ist unberechenbar.", fügte sie leise hinzu.

William schenkte John ein leichtes Lächeln. "Ja, Freund. Aber dass du das momentan nicht begreifen willst, ist mir schon klar. Aber ich hoffe, dass du irgendwann erkennst, warum ich das hier tun muss." erklärte William knapp.
Dankbar nickte er Joanna zu. "Gut, es wäre denke ich mal nicht hilfreich, wenn sie hier auftaucht und John sie in seinem Groll beschimpft. Wenn er das mit mir macht, in Ordnung, aber Constance verkraftet das wohl kaum." Dafür war Johns Gemahlin doch einfach eine zu zarte Seele.
William musste grinsen und gab Joanna einen Kuss. "Keine Angst, ich werde mit unserem Trunkenbold schon fertig. John kann mir nüchtern in solchen Dingen nicht das Wasser reichen, da wird er es mit einem bösen Kater erst recht nicht können." erwiderte William gedämpft.

Joanna nickte. "Das denke ich auch. Außerdem wird John ziemlich zu leiden haben, denke ich. Das würde ihr zu sehr zu schaffen machen. Und es wäre im Moment auch nicht gut für sie sich so aufzuregen." Sie senkte die Stimme.
"Constance ist schwanger...", flüsterte sie. Sie schenkte ihrem Mann ein Lächeln. "Gut, wenn du es sagst, wird es wohl so sein. Sei trotzdem vorsichtig und pass auf dich auf. Und sei ein bisschen nachsichtig mit ihm, er hat es gerade nicht leicht. Im Grunde ist es ja nicht seine Schuld, dass er da hinein geraten ist und für sein Verhalten kann er nichts, solange der Alkohol nicht aus seinem Körper heraus ist. Sein Körper hat sich so daran gewöhnt..."

William zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. "Tatsächlich?" Er warf einen Blick über die Schulter zu John. "Nun, sobald er wieder bei klarem Verstand ist, wird ihn das wohl freuen zu hören." fügte William lächelnd hinzu und legte Joanna eine Hand auf den Arm. "Aber nun geh lieber, Constance wird sicher hören wollen, dass er wieder da ist." William gab Joanna noch einen Kuss, dann ging er wieder zu Bett hinüber und ließ sich auf dem Stuhl daneben nieder.
"Nun dann, ich schätze, wir haben noch ein paar spannende Tage vor uns, John." bemerkte er und seufzte leise. Ausgerechnet John, der sonst so beherrscht war und wenn dann eher in der Rolle zu finden war, dass er William Vorhaltungen machte ...

Joanna hatte sich mit einem kurzen Umweg zu Robert direkt auf den Weg zu Constance gemacht. Sie ahnte, dass ihre Freundin immer noch außer sich vor Sorge war.
Sie klopfte und fand ihre Freundin grübelnd am Tisch vor, setzte sich ihr gegenüber. "William hat John gefunden und zurückgebracht, Constance. Aber du solltest dich die nächsten Tage von ihm fern halten. Dein Mann hat ein ernsthaftes Problem. Er...Ihn beherrscht die Trunksucht. William versucht ihn auszunüchtern, aber dabei wird John natürlich nicht gerade blendender Laune sein. Um deines Kindes und um deiner selbst Willen...William wird uns auf dem Laufenden halten, er wird bei ihm bleiben, bis es ausgestanden ist."

Constance fühlte sich furchtbar. Sie machte sich solche Sorgen um John, dass sie kaum etwas zu Stande brachte und so saß sie wieder einmal am Tisch und dachte nach, betete zu Gott, dass er John wieder gesund nach Hause schicken würde, als es mit einem Mal klopfte.
Müde bat sie den Besuch herein, sah jedoch hoffnungsvoll auf als es Joanna war, die eintrat. Im nächsten Moment war sie auf den Füßen vor Aufregung. "Er ist wieder da? Ihr habt ihn gefunden! Geht es ihm gut? Wo ist -" Sie brach ab und starrte ihre Freundin entsetzt an. "Was soll das heißen, ich soll mich von ihm fern halten? Will er mich nicht sehen? Hat er das gesagt?" fragte Constance entsetzt und spürte, wie sich ihr Magen angstvoll zusammen zog.
Bei Joannas nächsten Worten stockte ihr der Atem und ein leiser Schreckenslaut entfuhr ihr. "Was? Nein, das kann nicht sein! John würde niemals -" wieder brach Constance ab. John würde niemals so viel trinken? Aber war er nicht häufiger angetrunken nach Hause gekommen? Oder hatte zumindest nach Wein gerochen?
Constance schluckte, dann sank sie wieder auf ihren Stuhl und ein wenig in sich zusammen. "Ich hätte es merken müssen." murmelte sie elendig und sah Joanna betroffen an. "Es hätte mir doch auffallen müssen ... Hast du ihn gesehen? Geht es ihm sehr schlecht?"
Die Vorstellung, dass ihr Mann litt und sie nicht zu ihm durfte, behagte Constance ganz und gar nicht.

Joanna schüttelte leicht den Kopf. "Ich weiß nicht, ob er dich sehen will. Jedenfalls ist er gerade zu sehr damit beschäftigt, wie sein Körper darauf reagiert, dass William ihm keinen Alkohol mehr gibt. Es geht ihm nicht sonderlich gut, aber das ist normal und da muss er erst durch, damit er wieder der Alte werden kann. Verstehst du? Lass ihm Zeit..."
Joanna legte ihrer Freundin tröstend die Hand auf den Arm. "Niemandem ist es aufgefallen, Constance. Es geht schleichend und er hat es offenbar gut verborgen. Nun weißt du auch, warum er abends fort war. Er war im Wirtshaus. Ich habe ihn gesehen und noch geht es einigermaßen, aber es wird schlimmer werden. Ist dir nicht aufgefallen, dass seine Hände zittern? Das ist besonders dann der Fall, wenn er zu lange nichts getrunken hat. Aber keine Sorge, William kriegt ihn wieder nüchtern."

Constance legte die freie Hand vor Mund und Nase und kämpfte mit den Tränen. "Aber ich bin seine Frau, mir hätte es auffallen müssen. Und ich hatte nichts besseres zu tun, als ihm Vorwürfe zu machen. Oh Gott, was für Unrecht habe ich ihm getan!" Constance rang einen Moment um ihre Fassung, dann schüttelte sie den Kopf. "Nein ... ich hab ihn ja in letzter Zeit auch kaum noch zu Gesicht bekommen. Morgens ist er vor mir aufgestanden und war schon angezogen, wenn ich aus dem Bett kam und abends ... war er weg." Constance vergrub das Gesicht nun in beiden Händen und schluchzte einmal leise, dann hatte sie sich wieder besser im Griff und sah Joanna wieder an.
"Ich muss ihn sehen, Joanna." erwiderte sie dann leise. "Er ist mein Mann und ich muss ihm beistehen, besonders jetzt, wo es ihm so schlecht geht."

Joanna schüttelte den Kopf. "Nein, Constance. Er hat es perfektioniert es vor uns zu verbergen. William ist es nur aufgefallen, weil Julia ihn immer im Wirtshaus gesehen hat und es Edward erzählt hat. Edward hat es seinem Vater gesagt. Sonst wären wir bis heute ahnungslos. Deine Vorwürfe waren sicherlich gerechtfertigt und es nützt jetzt nichts über die Vergangenheit traurig zu sein, Constance. Wichtig ist die Zukunft. Dass John wieder auf die Beine kommt."
Joanna nahm Constances Hände.
"Liebes...das geht nicht. John ist nicht er selbst und er wird es sich niemals verzeihen, wenn er dich im Rausch schlägt und dir oder dem Kind etwas passiert. Bürde ihm das nicht auch noch auf. William tut, was er kann und er kann John bändigen, wenn es schlimm wird. Vertrau ihm, ich bitte dich." Vielleicht konnte sie ja einmal einen Blick auf ihn werfen, wenn er schlief. Falls das in den nächsten Tagen passieren würde...

Constance hörte ihrer Freundin zu und sah sie voller Zweifel an, nickte dann aber langsam. Joanna hatte wohl Recht, es half nichts, wenn sie sich jetzt über ihre Versäumnisse den Kopf zerbrach.
Sie biss sich auf die Lippe als Joanna ihre Hände ergriff. "Das würde er nicht tun!" hauchte sie erschrocken und sah Joanna beinahe schockiert an, sank dann jedoch in sich zusammen. Doch, möglicherweise würde er es tun, wenn Constance jetzt zu ihm ging und diese Erkenntnis quälte sie unheimlich.
"In Ordnung." wisperte sie schließlich. "Aber du musst mir immer sagen wie es ihm geht, hörst du?"

Joanna seufzte. "Ich würde im Moment für keine von Johns Reaktionen die Hand ins Feuer legen. Aber du weißt, das ist nicht er. Das ist der Alkohol. Du musst jetzt Geduld haben, auch wenn es schwer ist. Wenn du Hilfe brauchst wegen der Kinder, komm zu mir, ja?"
Sie lächelte schwach und nickte. "Ich danke dir. Ich werde William immer fragen und dir zweimal am Tag sagen, wie es ihm geht. In ein paar Tagen ist er vielleicht schon wieder halbwegs auf den Beinen. Und wenn es soweit ist, sei für ihn da, mach ihm keine Vorwürfe und sorg dafür, dass er nicht wieder anfängt zu trinken."
Das war das Wichtigste. John durfte keinen Rückfall bekommen.

Constance nickte. "Ich danke dir. Mit den Kindern wird es schon gehen, denke ich. Bis auf Jane sind sie ja alle alt genug und die Kleine ist hin und wieder bei der Kinderfrau. Aber wenn etwas ist, komme ich zu dir." erklärte Constance dann und seufzte schwer. Harte Zeiten standen ihnen noch bevor, so viel war sicher.
Sie hörte Joanna aufmerksam zu und nickte dann. "Er ist mein Mann und die Liebe meines Lebens, ich werde immer für ihn da sein." Wenngleich John es ihr in letzter Zeit wirklich nicht leicht gemacht hatte. Constance hoffte nur, dass sich ihr Verhältnis wieder besser würde, sobald John von dem Alkohol weg war.

Es war die schrecklichste Nacht seines ganzen Lebens gewesen. Keine Minute hatte er die Augen schließen können, denn sein Körper wollte keine Ruhe. Sein Körper befand sich im Krieg. Die ganze Nacht hindurch war ihm übel gewesen und nicht wenig des aufgezwungenen Wassers hatte er wieder von sich gegeben. Dazu gesellten sich grauenvolle Magenschmerzen und sein Kopf hämmerte regelrecht.
Doch jetzt hielt er es nicht aus, die Unruhe trieb ihn in den Wahnsinn. Er stand auf und wanderte endlose Runden durch das Zimmer, rüttelte vergeblich an der Tür, die ihn von allem abschnitt. Er hielt das nicht aus, er musste raus hier aus diesem Käfig!
Nach der gefühlten hundertsten Runde war es immer noch nicht besser geworden, das laufen schien nicht zu helfen. Dafür knickten ihm ohne Vorwarnung die Beine weg und er ging zu Boden.
"William, du Bastard...", flüsterte er voller Zorn und Verzweiflung.

William war eine ganze Weile bei John geblieben, hatte aber irgendwann entschieden, dass er auch etwas Schlaf finden musste, wenn er weiter auf John achten wollte. Also hatte er die Tür gut verschlossen und sich direkt im angrenzendem Zimmer schlafen gelegt. Er war früh auf den Beinen gewesen und hatte noch etwas gefrühstückt, bevor er sich nun wieder in die Höhle des Löwen wagte - so ziemlich auf alles gefasst.
Er schloss auf, trat ein und schloss die Tür hinter sich vorsichtshalber gleich wieder. Nur für den Fall, dass John doch an ihm vorbei kam.
"Auch wenn du nicht in Jubel ausbrechen wirst, ich habe dir Wasser mitgebracht." erklärte William und drehte sich herum, zog die Augenbrauen in die Höhe als er John am Boden sah. Er seufzte, stellte den Krug auf dem Tisch ab und packte John am Arm, um ihn hochzuziehen und Richtung Bett zu bugsieren. "Was treibst du denn hier für Sachen, hm?"

Johns Beine gehorchten ihm erst wieder halbwegs, als William ihn in die Höhe zog und auf das Bett setzte. "Red nicht mit mir als wäre ich ein Kind!", fauchte John ihn schließlich. "Du sperrst mich hier ein wie ein Tier, ich halt das nicht aus! Es macht mich wahnsinnig!"
Er schlang die Arme um den Oberkörper und blieb ruhig sitzen. "Warum quälst du mich so? Lass mich hier raus...ich schaff das nicht, was du von mir willst. Ich schaff das nicht! Ich will sterben..."
So elend fühlte er sich, dass ihn sonst nichts mehr interessierte. Es fühlte sich wahrhaftig grauenvoll an.
"Ich will laufen und schaffe es nicht, ich kann nicht liegen, das macht mich verrückt vor Unruhe. Warum konntest du mich nicht einfach dort lassen?"
Constance hätte irgendwann jemanden gefunden, der sie nicht so schlecht behandelte.

William atmete geräuschvoll aus. "Doch natürlich schaffst du das. Ich bin hier um dir dabei zu helfen, klar? Aber du musst schon selbst ein wenig kämpfen." entgegnete er ruhig.
Dann schnitt er eine Grimasse und legte John eine Hand auf die Schulter. "Das hättest du wohl gerne, was? Nein nein, du wirst nicht sterben und glaub mir, es wird zwar schwer, aber nicht unmöglich." William bedachte seinen Freund mit einem schiefen Blick. "Weil du wieder auf die Beine kommen musst. Constance macht sich furchtbare Sorgen um dich und es wird sicher nicht mehr lange dauern bis auch die Kinder ihren Vater vermissen. Du wirst also noch gebraucht, da konnte ich dich schlecht dort lassen." entgegnete William und seufzte. "Willst du es mit etwas Wasser versuchen?" fragte er dann schließlich.

John schüttelte leicht den Kopf. "William...ich kann das nicht, ich werde verrückt hier drin!" William hatte leicht rede. Er kannte die Qualen nicht, die er gerade litt.
"Sie brauchen mich nicht. Constance braucht niemanden, der sie schlecht behandelt." Er stöhnte leise und legte die Hand auf den Magen. Wenn diese Krämpfe nur nachlassen würden...
"Ich weiß es nicht.."
Er hatte keine Ahnung, ob ihm das nun gut tun würde oder nicht. "Du wirst ohnehin nicht locker lassen, bis ich es versucht habe.", bemerkte er schließlich missmutig. Er war heute halbwegs bei sich, aber das konnte sich stündlich ändern, hatte er gelernt. Manchmal drehten sich seine Gedanken so im Kreis, dass ihm ganz schwindelig davon wurde. Manchmal packte ihn plötzlich die Wut.

"Doch du kannst. Streng genommen bleibt dir nämlich auch keine andere Wahl." erklärte William dann. "So Leid es mir tut, aber solange das hier nicht ausgestanden ist, kann ich dich hier nicht raus lassen." Denn dann würde es nicht lange dauern bis John den nächsten Becher Wein in der Hand hätte.
William hatte gewusst, dass John ihn irgendwann bis an seine Grenze treiben würde, doch dass diese so schnell erreicht war, hatte er nicht erwartet. Die Hand, die eben noch auf Johns Schulter gelegen hatte, packte ihn nun am Kragen. "Hör auf mit diesem verdammten Scheiß!" zischte William wütend. "Natürlich brauchen sie dich! Die Kinder brauchen ihren Vater, sie lieben ihn! Und was glaubst du wohl, wie es Constance geht seit du einfach verschwunden bist? Sie ist ein Häufchen Elend! Und das, weil sie dich wieder haben will, ganz egal wie widerlich du in der letzten Zeit zu ihr gewesen bist. Sie glaubt an dich also solltest du das auch tun, du verfluchter Mistkerl."
Am liebsten hätte William ihm eine verpasst, aber stattdessen ließ er John wieder los und nahm den Becher mit Wasser. "Hier, trink etwas." forderte er ihn nun mit ruhiger Stimme wieder auf und hielt John den Becher entgegen.