William und Joanna ~ 1170

"Ja, Ihr gebt stur wieder, was die Kirche vertritt ohne dabei Euren eigenen Kopf zu benutzen.", warf John ihm fast ein wenig gelangweilt vor. Er wusste immer noch nicht, warum um Himmels Willen William ausgerechnet Owen hatte hierher bringen müssen. Er hielt den Priester nach wie vor für denkbar ungeeignet.
"Doch. genau das habt Ihr gesagt. Außerdem ist es sehr anmaßend von Euch Gott den Menschen gleichzustellen. Ich mag nicht alle Menschen gleich lieben, aber Gott ist eben Gott und kein Mensch und darum über solche Eitelkeiten der Menschheit erhaben."
John gab einen verächtlichen Laut von sich. "Ich nehme mich nicht wichtig, es ist offensichtlich. Ihr wisst ganz genau, dass die Kinder bei solchen Themen Fragen über mich stellen, gerade Edward. Und das stellt mich als ihr Lehrer in Frage, was Ihr sehr genau wisst. Und ich weiß auch nicht, was Ihr mir da vorwerfen wollt. Ihr werdet nicht erleben, dass ich jemals Worte in den Mund genommen habe, die Euch schaden. Und den Kindern gegenüber schon gar nicht."

Owen verengte die Augen zu Schlitzen und maß John mit geringschätzigem Blick. "Ihr solltet nicht vorschnell ein Urteil über andere fällen, wenn Ihr keine Ahnung habt. Es ist interessant, dass Ihr mir ein solches Verhalten unterstellt, selbst aber nicht in der Lage seid, Euch einen tieferen Eindruck zu verschaffen ehe Ihr urteilt." ging er John scharf an. Solche Behauptungen ließ er nur ungerne auf sich sitzen, denn er hatte schon seine eigenen Gründe weshalb er versuchte sich an die Dinge zu halten, die die Kirche ihm vorgab.
Owen schob die Hände in die weiten Ärmel seines Gewandes und ließ so, vor Johns Blicken verborgen, seinen Rosenkranz langsam durch seine Finger gleiten.
"In der Tat, Ihr habt gewartet bis die Kinder weg waren, bis Ihr mir grobe Vorwürfe gemacht habt. Was wundert Ihr Euch eigentlich? Wie sagt man so schön, wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus. Und Ihr habt mir nicht einmal Anlass dazu gegeben meine erste Einschätzung von Euch womöglich als Fehleinschätzung zu revidieren. Seit ich hier bin, seid Ihr nur darauf aus mich wieder los zu werden ... wenn Ihr es nicht ertragen könnt, dass Euer ehemaliges Amt neu besetzt wird, dann habt Ihr vielleicht einen Fehler gemacht."

"Ebenso wenig wie Ihr mir in der Zeit, in der Ihr hier seid, Anlass gegeben habt irgendetwas an meinem Urteil über Eure Fähigkeiten zu ändern. Ich kenne Euch nun mehr als ein Jahr und dennoch...ich halte Euch noch für genauso ungeeignet hier Priester zu sein wie am Anfang. Und das hat wirklich nichts damit zu tun, dass ich diese Stelle nicht besetzt sehen will, sonst hätte ich mich auch nicht bereit erklärt, bei der Suche nach einem Priester zu helfen. Da der Earl of Cornwall letztlich allerdings auf meinen Rat doch verzichtet hat, werde ich mich auch nicht in seine Wahl einmischen. Was nicht bedeutet, dass ich persönlich Euch schätzen muss. Es genügt, was ich sehe. Es besteht keine Notwendigkeit, dass Ihr Eure erste Einschätzung ändert, im Herzen würdet Ihr mich ja doch weiter verachten. Und da Ihr offenbar nicht die nötige Selbstbeherrschung besitzt um solche Gedanken für Euch zu behalten, wenn es angemessen ist, erwarte ich auch gar nicht mehr viel von Euch."
John schüttelte leicht den Kopf. Er hatte nicht vergessen, was Owen ihm an den Kopf geworfen hatte, als sie sich in diesem Wirtshaus gesehen hatten. William rettete ihm den Hals um zum Dank dafür wurde dieser Waliser auch noch unverschämt! Es wurmte ihn immer noch, dass William seinem Urteil nicht vertraute, aber er war genügsam und deshalb regte er sich darüber gar nicht mehr auf. Und offen schon gar nicht. Schließlich war sogar Constance ihm in dieser Sache in den Rücken gefallen.
"Hört auf den Kindern Themen so zu unterbreiten, dass sie derartige Fragen stellen. Das war kein reiner Vorwurf, das war eine Warnung. Und Ihr tätet auch gut daran sie zu beherzigen."

"Ich verfüge wohl über weit mehr Selbstbeherrschung als Ihr das überhaupt nur vermuten könnt, aber lassen wir das. Ihr kennt mich nicht, Ihr könnt von gewissen Dingen einfach keine Ahnung haben." Owen schüttelte den Kopf. "Es ist traurig, wie man hört, seid Ihr ein aufrichtiger und ehrlicher Mann, doch offensichtlich soll es uns ja nicht gegönnt sein Frieden zu schließen."
Owen musterte John nachdenklich. Er war es leid sich vor anderen zu rechtfertigen, besonders, wenn diese ohnehin eine feste Meinung von ihm hatten. Und John ließ keinen Zweifel daran, dass er auch gar kein Interesse daran hatte auf Owen zuzugehen.
"Wenn die Kinder fragen stellen, dann liegt das nicht an mir. Ich beantworte ihnen jede Frage die aufkommt. Aber hört endlich auf damit, zu denken, ich würde Themen extra so behandeln, damit Ihr am Ende schlecht dasteht. Üble Nachrede ist eine unendliche Widerwertigkeit und ich habe selbst genügend Erfahrung damit machen müssen, so dass ich keineswegs bestrebt bin mit anderen so zu verfahren."

"So wie Ihr mich nicht kennt und doch darüber urteilt, aus welchen Gründen ich nicht mehr den selben Weg verfolge wie Ihr. Ich zweifle nicht an Euren menschlichen Eigenschaften, sondern einfach nur an Eurer Geeignetheit für die Stelle des Hauskaplans hier. Und ich habe auch nicht vergessen, dass Ihr mich verachtet. Glaubt mir, Eure Worte waren sehr deutlich, als wir uns kennengelernt haben und ich lege keinen Wert darauf mich vor Euch nochmals rechtfertigen zu müssen."
John verschränkte die Arme vor der Brust.
"Erfahrungen mit übler Nachrede habe ich selbst genug, dafür brauche ich sicher nicht Euch. Davon habe ich für mein ganzes Leben ausreichend gehabt. Außerdem bin ich nicht taub. Ich weiß, was Ihr von Männern wie mir haltet und das habt Ihr mehr oder weniger deutlich auch den Kindern zu verstehen gegeben. Edward ist nicht dumm. Aber darüber werden wir Euch wohl nie einig werden...Nun denn, ich habe Euch gewarnt...und nun entschuldigt mich." John entfernte sich langsam. Wie gern würde er William nochmals sagen, was er von Owen hielt. Aber das hatte ohnehin keinen Sinn.

"Ach, und würdet Ihr die Güte besitzen, mir zu erklären, warum Ihr daran zweifelt, wenn diese Einschätzung nicht meinen menschlichen Eigenschaften geschuldet ist?" fragte Owen herausfordernd.
Owen runzelte die Stirn. "Ach so? Dann seid Ihr ausgesprochen begabt, wenn Ihr das wisst." Owen machte einen Schritt auf John zu und schüttelte den Kopf. "Nein, mein Freund. Was Ihr zu wissen glaubt, ist nur ein Bruchteil. Eine Phrase die Ihr gehört habt und nun macht Ihr Euch Euer Bild von dem was in meinem Kopf vorgeht. Ich darf Euch allerdings darauf hinweisen, dass Ihr mit aller Wahrscheinlichkeit ausgesprochen falsch liegt."
Owen schnaubte leise als John sich abwandte. "Ich lasse mir von Euch nicht drohen, John." erwiderte er laut genug, dass dieser ihn noch klar und deutlich verstehen konnte.

"Zum einen seid Ihr zu jung, viel zu unerfahren und zum Anderen finde ich die Umstände, unter denen wir Euch aufgegabelt haben, auch nicht unbedingt schmeichelhaft. Ich finde Eure Ansichten auch nicht immer gut. Nicht passend für diesen Haushalt. Das sollte für den Anfang genügen."
John schnaubte verächtlich.
"Ich denke nicht, dass ich falsch liege. Ich weiß, was Ihr mir damals gesagt habt und ich weiß, was ich gehört habe. Und ich drohe Euch nicht, das war lediglich eine Warnung."
Und damit wandte er sich ab und machte sich auf den Weg zu seiner Frau. Er wollte einfach nur seine Ruhe und sich mit diesem Waliser nicht mehr auseinandersetzen. Er war sauer genug.

"Die Umstände unter denen Ihr mich aufgegabelt habt, also? Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung. Was wisst Ihr denn, dass Ihr darüber urteilen könnt? Soll ich etwa das einzige was meinem Leben Sinn gegeben hat aufgeben, weil ich es mir nicht leisten kann, wenn ich mir doch auf andere Wege Geld leihen kann? Ein Studium in Oxford ist teuer. Ich weiß ja nicht, wie Ihr dafür aufgekommen seid, aber nicht jeder hat solches Glück." erwiderte Owen scharf.
"Und ich warne Euch, treibt es nicht zu weit. Auch wenn Ihr vielleicht schon länger hier seid, der Lordkanzler hat sich entschieden mich einzustellen und wie mir scheint, ist er mit meiner Arbeit auch recht zufrieden. Also lasst mich einfach in Ruhe das tun, wozu ich hergekommen bin und Ihr tut das Eure. Ich mische mich schließlich auch nicht in Eure Arbeit ein."

John kochte vor Wut, als er schließlich die Räumlichkeiten erreichte, die er mit seiner Familie bewohnte. "Dieser...!" Es machte ihn beinahe sprachlos, wie unverschämt dieser Waliser sich aufführte. Erst sorgte er dafür, dass wieder solche Fragen über Constance und ihn aufkamen und dann spielte er den Unschuldigen! Das war doch zum Verrückt werden!
Kaum hatte er sich auf einem Stuhl niedergelassen, sprang Constances Hund ihm auf den Schoß, weil er gestreichelt werden wollte. Noch ging das, weil der Hund noch nicht allzu groß war, aber bald war das nicht mehr so einfach, er sollte der Kleinen das schnell abgewöhnen.
Beiläufig streichelte er ihr über den Kopf und setzte die junge Hündin dann auf den Boden zurück. "Nicht jetzt..."
Wenn er bloß gewusst hätte, was er jetzt unternehmen sollte! Zu William konnte er nicht einfach gehen, der würde ihm ohnehin nicht glauben, wenn Owen sich rechtfertigte.
Wie hatte er nur diesen Jungspund einstellen können?

Constance sah von ihrer Stickerei auf als John fluchend herein kam. Sie zog eine Augenbraue in die Höhe und legte dann vorsichtig den Rahmen beiseite. Im Gegensatz zu ihr, hatte ihre kleine Hündin deutlich schneller reagiert und ihren Mann bereits in Beschlag genommen. Der Ansatz eines Lächelns erstarb auf Constances Lippen als John den Hund wieder hinunter setzte. Es musste in der Tat etwas ernstes vorgefallen sein.
Sie ging zu ihm hinüber, griff nach seinen Händen und ging dann neben ihm in die Hocke. "Was ist denn passiert?" fragte sie ein wenig besorgt. Wenn ihr Mann so reagierte, war irgendetwas im Busch, so viel stand fest. "Wer ist denn die Laus, die dir über die Leber gelaufen ist?"

John atmete durch und versuchte wieder Herr über seine Beherrschung zu werden, ehe er Constance antwortete. Die würde ihn wahrscheinlich ohnehin nicht verstehen, sie mochte Owen ja.
"Ach, wer wohl...dieser verdammte Waliser." John knirschte mit den Zähnen. "Erst behandelt er Themen wie das Zölibat und tut dann so, als wäre es reiner Zufall, wenn Edward fragen über uns stellt! Und als ich ihm gesagt habe, er soll das gefälligst unterlassen, spielt er das Unschuldslamm! Er würde mir ja nicht schaden wollen! Ich weiß nicht, warum William ihn überhaupt mitgenommen hat damals. Er ist völlig unfähig für diese Stelle und natürlich sorgt er mit solchen Themen dafür, dass sie Kinder Fragen über uns stellen, die mich gleichzeitig als ihren Lehrer in Frage stellen. Ich war froh, dass endlich Ruhe war! Er ist anmaßend. Gott sei Priestern näher, er liebe Priester anders und mehr als andere Menschen. Er predigt stur, was die Kirche will! Das ist absolut nicht passend für diesen Haushalt."

Constance nickte langsam. Sie hatte schon befürchtet, dass John wieder mit Owen aneinander geraten war. Die beiden schienen nämlich so gar nicht warm miteinander zu werden, ein Umstand, den Constance sehr schade fand, denn ihr gegenüber war der junge Waliser nach wie vor immer ausgesprochen freundlich.
"Ach John" murmelte sie leise und strich ihrem Mann über die Wange. "Bist du sicher, dass er dieses Thema von sich aus angeschnitten hat? Edward zum Beispiel fragt im Moment doch nach jeder erdenklichen Kleinigkeit, vielleicht hat er dem Jungen einfach nur geantwortet?" fragte sie dann, auch wenn sie wusste, dass John diese Überlegung nicht zulassen würde.
"Vielleicht solltet ihr euch einmal mit William zusammen setzen, so dass dieser eingreifen kann ... ihr müsst euch irgendwie aussprechen, es ist doch kein Zustand so. Du wirkst jedes Mal so unglücklich, wenn du ihm über den Weg läufst."

John hatte genau gewusst, dass Constance das anders sah als er und womöglich Owen auch noch verteidigte. "Sag mal, auf welcher Seite stehst du eigentlich, Constance? Unterstellst du mir ich würde lügen? Warum sollte ich das sagen, wenn es nicht so ist? Natürlich hat er das. Er hat mit den Kindern über das Zölibat geredet und als die Kleinen gefragt haben, warum man denn so etwas macht, hat er ziemlich deutliche Antworten gegeben, auch wenn er natürlich keine Namen nennt. Glaub mir, seine Ansichten haben sich nicht geändert und damals hat er sie mir schon ziemlich deutlich gemacht. Er verachtet mich für meinen Lebenswandel und ich kann nicht verstehen, wie er so urteilen kann!"
Er tauschte einen leicht genervten Blick mit seiner Frau.
"Und ich werde mich sicherlich nicht mit ihm aussprechen, so weit kommt es noch! Ich bin nicht unglücklich, wenn ich ihm begegne, sondern wütend!" Ein Grund, warum er sich standhaft weigerte bei Owen zur Beichte zu gehen.
"Warum sollte ich mit ihm reden? Er weiß, dass ich ihn für vollkommen unfähig halte und ich weiß, was er von mir hält. Das genügt. Solange er nicht anfängt die Kinder gegen mich aufzuhetzen!"

Constance wurde blass und presste die Lippen aufeinander, ehe sie Johns Hände los ließ und aufstand. "Du bist so ein verbohrter Dummkopf!" fuhr sie ihn an. Wenn sie eines nicht leiden konnte, dann waren es diese Momente in denen John versuchte seinen Ärger an ihr auszulassen.
"Wenn du ohnehin nicht hören willst, was ich dazu zu sagen habe, dann komm gefälligst das nächste Mal erst her, wenn du dich wieder im Griff hast. Du bist furchtbar so." entgegnete sie verärgert und ging wieder zu ihrem Platz am Fenster zurück, um ihre Stickerei wieder aufzunehmen. Ihre Hündin sah einen Moment verwirrt zwischen John und ihr hin und her, entschied sich dann jedoch, dass es besser war, ihrem Frauchen zu folgen und setzte sich neben Constance auf den Boden, um ihren Kopf auf Constances Schoß abzulegen. Ein wenig misstrauisch beäugte das Tier John, während Constance ihre Arbeit wieder aufnahm. Sie wollte davon nichts hören, wenn das ganze sowieso nur wieder in einem sinnlosen Streit endete ... sie wusste noch zu genau, was ihr letzter großer Streit für Folgen gehabt hatte ...

John seufzte leise und fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht. Das durfte doch alles nicht wahr sein, jetzt hatte er auch noch Ärger mit Constance. Warum konnte sie nicht einfach einmal seiner Meinung sein?
"Was soll ich denn sagen, wenn meine eigene Frau mir nicht glaubt? Du verteidigst ihn auch noch. Danke für dein Verständnis, wirklich.", stellte John ein wenig ruhiger fest. Nicht, dass er weniger wütend wäre, aber so kam er ja auch nicht weiter.
"Ich höre doch, was du zu sagen hast! Aber ich sehe keinen Sinn darin mich mit ihm auszusprechen. Ich mag ihn einfach nicht." Owen brachte ihm nur Ärger ein. Er wollte doch einfach nur seine Ruhe.
"Ich dachte, wenigstens du würdest mich verstehen. Aber offenbar ist dem nicht so. Soll ich wieder gehen?"
Wenn er ihr so auf die Nerven ging, verschwand er lieber, er hasste es mit ihr zu streiten. Zur Not würde er eben in die Kapelle gehen und Gott fragen, was er mit dieser Prüfung bezwecken wollte.

Constance verengte die Augen ein wenig. "Ich habe nie behauptet, dass ich dir nicht glaube. Ich habe lediglich gefragt, ob das nicht vielleicht auch ein Missverständnis hätte sein können. Aber du bist ja so versessen darauf einen Fehler an ihm zu finden, dass du vor lauter Hass über so etwas gar nicht nachdenken willst. Lieber beschuldigst du stattdessen mich auch noch dir in den Rücken zu fallen. Darauf kann ich verzichten, vielen Dank." erwiderte Constance kühl und strich ihrer Hündin sanft über den Kopf.
Sie war wirklich froh, das Tier zu haben, leistete es ihr doch beständig Gesellschaft und verhinderte somit, dass Constance allzu einsam wurde.
"Das liegt ganz bei dir, mein Lieber." erklärte sie dann. "Wenn du weiter so streitsüchtig bist, dass du selbst mir Dinge unterstellst, vielleicht solltest du das dann."

"Ich habe doch mit eigenen Ohren gehört, was er gesagt hat, Constance. An welches Missverständnis also soll ich glauben?" Am liebsten hätte er sich die Haare gerauft. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
"Meine Güte, so habe ich das doch gar nicht gemeint. Ich bin einfach nur sauer. Und irgendwie ein bisschen enttäuscht, dass niemand meine Meinung zu teilen scheint. Er war mir von Anfang an unsympathisch und normalerweise trügt mich mein Instinkt nicht so. Ich frage mich einfach immer noch, warum William ihn eingestellt hat. Er hat gar keine Ahnung vom Leben, nicht einmal sein Studium hat er beendet." John seufzte tief. "Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Dieser Waliser macht mich irgendwann noch rasend."
Warum konnte der denn nicht nach Oxford zurückkehren?
"Was also soll ich deiner Meinung nach tun?"

Constance zog die Augenbrauen in die Höhe. "So furchtbar viel älter warst du doch auch nicht als du von William eingestellt wurdest, oder? Und ich schätze, er hätte sein Studium sicher noch beendet ... aber wer schlägt schon ein solches Angebot aus? So etwas hat man nur einmal im Leben." gab Constance zu bedenken und ließ ihren Stickrahmen wieder sinken.
Sie lehnte sich etwas zurück und legte den Kopf schief. "Bist du sicher, dass du das überhaupt hören willst?" fragte sie skeptisch.
"Ich denke, dass jeder Mensch einen Grund für sein Verhalten hat. Du verurteilst ihn doch auch nur so schnell und hart, weil wir beide schon so viel hinter uns haben, wegen dieser Sache. Andernfalls würdest du doch sicher auch anders damit umgehen, meinst du nicht? Und ich denke, dass es Owen genau so geht. Er wird einen Grund haben, so zu handeln ... zumal er mir gegenüber immer offen, freundlich und hilfsbereit ist. Es tut mir Leid, dass ich dich in deiner Abneigung gegen ihn nicht bestärken kann, aber ich habe ihn noch nie so erlebt wie du.
Ich kann dir nur ans Herz legen, dich mit ihm auszusprechen. Alles andere führt doch zu nichts."

"Ich war fünf Jahre älter. Ich hatte mein Studium beendet, mich meinem Bischof entgegen gestellt und bin dafür ins Kloster gegangen. Also...ich schätze, ich dürfte um ein paar Erfahrungen reicher gewesen sein."
Johns Augen verengten sich ein klein wenig.
"Wenn ich es nicht würde hören wollen, hätte ich dich dann gefragt?"; fragte er ein wenig sanfter. "Allerdings hatte ich befürchtet, dass du so etwas sagst. Ich verurteile ihn, weil er glaubt, er ist etwas Besseres und weil er mir unterstellt, ich hätte dich nur aus Schwäche geheiratet. Findest du das gerecht? Ich nicht...es ist immer dasselbe, aber sollte er als Mann Gottes nicht eigentlich darüber stehen? Du hattest nie Probleme mit ihm, ja das wundert mich nicht. Was soll er dir denn auch vorwerfen? Du kannst doch nichts dafür, dass ich vorher die falsche Laufbahn eingeschlagen hatte...Du warst einfach nur da....Was soll ich denn mit ihm reden? Ich kann mir ihm nicht reden ohne dass wir in Streit geraten. Und ich will es auch eigentlich gar nicht...Vom ersten Moment an hat er mich merkwürdig angesehen, weil ich mich anders entschieden habe als er es tun würde."

"Du weißt doch gar nicht, was er vorher möglicherweise erlebt hat." gab Constance zu bedenken, beließ es dann aber dabei.
Stattdessen bedachte sie John mit einem langen, nachdenklichen Blick. "Ist das so?" fragte sie dann langsam. "Ich sehe, wie er dich beobachtet. Wie er William ansieht. Ich glaube manchmal fast, dass er ein wenig neidisch ist. Neidisch auf das, was du getan hast und was du dadurch erreicht hast. Vielleicht fehlt ihm der Mut dazu oder er hat andere Gründe, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass er es dir gerne gleich tun würde." äußerte Constance dann eine Vermutung, die ihr schon vor einer ganzen Weile gekommen war, doch sie hatte bisher mit niemandem darüber gesprochen. Schließlich war das allein Owens Sache, doch gerade schien es doch wichtig sein, diese Gedanken John gegenüber zu äußern.

"Nein, das weiß ich nicht. Das weiß nicht einmal William. Bei mir wollte er gleich meine ganze Geschichte wissen. Ich verstehe nicht, warum er diesem Waliser mehr vertraut als mir am Anfang, obwohl ich ihm da schon das Leben gerettet hatte. Das ist ziemlich frustrierend.. Sehe ich so wenig vertrauenserweckend aus?" Ihn hätte er nie so einfach eingestellt. Wenn er daran dachte, wie sehr er darum hatte kämpfen müssen, dass William ihm vertraute...
"Neidisch?", echote John dann ungläubig. "Auf mich? Warum sollte er denn neidisch sein und gleichzeitig immer wieder deutlich machen, dass er niemals eine Frau heiraten wird und dass es nicht möglich ist, sich Gott und einer Frau zu widmen. Seiner Meinung nach geht nur eines von Beidem. Völliger Unsinn."
Johns Blick wurde nachdenklich.
"Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Woher willst du das eigentlich wissen? Hast du mit ihm gesprochen?" Eigentlich war das völlig absurd...

Constance seufzte leise und sah John auffordernd an. "Wirst du wohl endlich her kommen?" forderte sie ihn auf und streckte ihm eine Hand entgegen. Eine Unterhaltung so quer durch den Raum war doch völlig unnötig.
"Das tut er, um zu verbergen was eigentlich in ihm vorgeht. So verhindert er, dass irgendjemand auf die Idee kommt, dass er eigentlich anders denkt und gerne anders handeln würde ... es aus irgendeinem Grund aber scheinbar nicht kann." mutmaßte sie weiter.
Dann huschte ein mildes Lächeln über ihre Lippen. "John, ich bin eine Frau. Ich brauche für so etwas nicht mit ihm zu sprechen. Nenn es weibliche Intuition, mein Lieber. Außerdem sage ich nicht, dass es tatsächlich so ist. Es ist nur eine Vermutung."

John lächelte leicht und erhob sich, um zu Constance hinüber zu gehen. Er nahm ihre Hand und setzte sich auf die Lehne ihres Sessels, wo er den Arm um sie legen konnte.
"Ich finde deine Theorie ziemlich absurd. Das passt so gar nicht zu ihm. Warum sollte er sich mir gegenüber so abfällig äußern, in Wirklichkeit sich aber selbst ein Leben wie dieses wünschen? Ich weiß nicht...Aber wenn deine weibliche Intuition dir das sagt....es macht es zwar auch nicht besser mit ihm, aber was sollte er dagegen schon tun? Reden wollte er nicht mit ihm, er hatte auch seinen Stolz. Er würde nicht angekrochen kommen.
John lehnte seinen Kopf an Constances, seufzte leise und ließ seinen Blick kurz nachdenklich über sie gleiten. Ob ihnen wohl irgendwann noch einmal Nachwuchs vergönnt sein würde? Sie wünschten sich Beide so sehr ein Geschwisterchen für Cathie, aber bisher hatte es nicht gekappt...

Constance lehnte sich an John als er sich auf die Lehne ihres Sessels setzte und seufzte leise. So fühlte sie sich gleich etwas wohler. Wenn er bei ihr war und sie in den Arm nahm. Dann zuckte sie schmunzelnd mit den Schultern. "Ich habe nicht behauptet, dass sie logisch klingt. Es ist nur, was mir aufgefallen ist. Er versucht es gut zu verstecken, aber manchmal, wenn er denkt, dass keiner hin sieht, dann ist da irgendetwas in seinem Blick ..." erklärte sie John.
Dann seufzte sie erneut und legte den Kopf an seine Brust. "Aber vielleicht bin ich auch einfach zu sentimental ..." mutmaßte sie und schloss die Augen. Constance war froh, dass der Winter vorbei war. Das trübe Wetter machte es ihr besonders in den Momenten schwer in denen sich alleine in ihrem Gemach saß und Zeit dazu fand, darüber nachzudenken, dass sie eigentlich ein kleines Kind auf dem Schoß hätte sitzen haben sollen.
Auch wenn sie mit John nicht darüber sprach, so fiel es ihr noch immer schwer, dass sie eine Fehlgeburt gehabt hatte ... und das sie nun so lange Zeit schon ohne Hoffnung auf weiteren Nachwuchs war.

John lächelte leicht und küsste seine Frau sanft auf die Schläfe."Wer weiß, vielleicht hast du wirklich recht und siehst einfach mehr als alle Anderen. Meine kluge Frau...Du bist auch auf keinen Fall zu sentimental, du bist nur sehr mitfühlend. Und das liebe ich an dir so sehr."
Auch wenn sie nicht mit ihm darüber sprach, er wusste, dass ihre Fehlgeburt sie noch sehr beschäftigte. Er hoffte so sehr, dass sie irgendwann noch einmal Eltern werden würden, besonders um ihretwillen. Sie wünschte es sich doch so sehr. Hatte Owen am Ende doch recht? War das Gottes Strafe für sein Abwenden? Aber warum strafte er dann Constance? Sie konnte doch nichts dafür. Es war doch seine Entscheidung. Er hatte gewählt.
"Wie geht es dir?"