William und Joanna ~ 1170

Constance schloss für einen Moment die Augen und atmete dann geräuschvoll aus, ehe sie sich zwang Joannas Aufforderung nach zu kommen und weiter zu erzählen. "Er ... sagte, es würde ihm gefallen, dass ich ... dass ich mich zieren würde, aber dass es nun genug sei." gab sie wieder, was Robin ihr an jenem Abend mit einem Lächeln auf den Lippen erklärt hatte, während seine Hand über ihren Körper geglitten war.
Constance schluckte und musste für einen Moment erneut mit den Tränen kämpfen. "Ich wollte an ihm vorbei, wollte weg von ihm, aber er ... er hat mich einfach in eine Ecke gezogen. Ich wollte schreien, aber auch das konnte ich nicht, weil er mir den Mund zu hielt, während ... während er mein Kleid hochzog." Constance stockte erneut. Sie hatte noch nie mit jemandem so ausführlich darüber gesprochen ... nicht, seit sie Arthur davon erzählt hatte. Und dieser hatte sie im Stich gelassen.
"Ich konnte nichts tun. Egal, wie sehr ich mich gewehrt habe, dass schien es nur schlimmer zu machen." flüsterte sie dann.

Es ließ Joanna ganz und gar nicht kalt, was Constance ihr berichtete, bis ins Detail, und es fiel ihr schwer ihr zuzuhören, aber es musste sein und sie wusste das. Es musste sein, damit ihre Freundin endlich über ihre Angst hinweg kam. Wie gut sie sie doch verstehen konnte...sie hatte Glück gehabt, doch beinahe, beinahe hätte sie dasselbe erdulden müssen und niemand hätte ihr helfen können. Es war schon schlimm genug gewesen die Hände eines Mannes, den man verabscheute, so gierig auf dem eigenen Körper zu spüren, ohne dass man etwas dagegen unternehmen konnte. Es war einfach zwecklos gewesen.
"Manche Männer sind einfach so. Für sie zählt lediglich das eigene Vergnügen, ohne Rücksicht. Sie denken sich alles herausnehmen zu können und nur zu oft sind sie uns überlegen. Aber wir Beide, wir haben Glück gehabt. Wir haben Beide wundervolle Männer geheiratet. John würde dich niemals zu irgendetwas zwingen, er würde sich lieber umbringen als dich gegen deinen Willen anzufassen. Und er würde sich in jedes Schwert stürzen, wenn er dich damit vor Unheil beschützen könnte. Robin hat dir Schlimmes angetan und dich erniedrigt, aber du bist am Leben, Constance. Du hast eine Familie, die dich sehr liebt. Du hast ihm ein Schnippchen geschlagen, denn er hat dich nicht für den Rest deines Lebens so gedemütigt, dass du dich verkriechst. Du lebst ein gutes Leben und du könntest über ihn lachen. Er war einfach nur sehr erbärmlich, weil er nie gespürt hat, was Liebe bedeutet. Lass dich nicht von den Erinnerungen beeinflussen, auch wenn sie mächtig sind. Erinnerungen bleiben Erinnerungen. Wichtig ist die Zukunft, du musst nach vorne sehen:"
Joanna wurde ernster. "Wie hast du dich gefühlt, als er es wieder und wieder getan hat? Und warst du..glücklich, als er starb?"

Constance starrte Joanna für einen Moment an, ehe sie schluckte und sich daran machte, die Frage zu beantworten. "Ich habe versucht dem zu entgehen, aber ... entweder er kam zu mir oder er ließ mich zu ihm holen, wenn ich nicht ... wenn ich nicht freiwillig gekommen bin." murmelte sie und schloss kurz die Augen. Als wäre all das nicht schon Erniedrigung genug gewesen, nein, Robin hatte sie irgendwann stets zu sich rufen lassen ... hatte sie zu ihm kommen lassen. Constance hatte sich so manches Mal geweigert, aber das hatte ihr natürlich auch nicht geholfen. "Wenn ich nur daran denke, wird mir schlecht ... ich war nie ... nie in meinem Leben so machtlos." Es war ein grausames Gefühl gewesen nicht mehr über das eigene Leben bestimmen zu können ... nicht einmal mal über den eigenen Körper.
Kurz flackerte die Angst wieder in ihr auf und sie fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. "Ich ... ich habe zu Gott gebetet als ich von seinem Tod erfahren habe." sagte sie langsam. "Ich habe gebetet, dass es wahr sein möge und dass ich ihm für immer dankbar wäre, wenn er mich endlich von ihm befreit hätte. Und ... und gleichzeitig hatte ich Angst."

"Ich weiß. Ich kann dich so gut verstehen. Aber du wirst nie wieder so machtlos sein, Constance. Nie wieder wird jemand Hand an dich legen, wenn du es nicht willst. Dafür werden wir alle sorgen. John vermisst dich zwar, aber er wird jede Entscheidung deinerseits akzeptieren, selbst wenn sie ihn erst einmal zu Enthaltsamkeit verdammt. Er ist genügsam. Du kannst dir die Zeit lassen, die du brauchst um wieder mit dir ins Reine zu kommen und zu begreifen, dass es vorbei ist. Niemand wird mehr einfach über dich und deinen Körper bestimmen."
Joanna legte die Stirn in Falten und dachte einen Moment lang nach, ohne aber ihre Freundin loszulassen. "Nun, ich kann verstehen, wie dankbar du warst. Es ist auch nur allzu verständlich und ich bin sicher, Gott hat dich erhört."
Eines aber verwirrte sie dann doch noch, was sie nicht einfach nachvollziehen konnte.
"Aber wovor hattest du Angst, Constance? Er war doch....tot. Ist tot."

Constance schluckte leicht. "Ich weiß, dass es ... dass es falsch war. Aber ich konnte einfach nicht anders als erleichtert sein." gestand sie. Die Frage, die Joanna dann jedoch stellte, brachte Constance an den Rand eines mehr als tiefen Abgrundes in den sie lange nicht gesehen hatte.
"Angst ... ich ... ich hatte Angst, weil ich nicht wusste, was nun aus mir wird." begann sie mit dem ersten Teil der Wahrheit. "Es war zu dem Zeitpunkt schließlich kein Geheimnis mehr, was Robin getan hatte ... und Arthur wäre nicht Manns genug gewesen, jemanden an so etwas zu hindern ... nicht nachdem er es bei seinem Bruder schon nicht getan hatte." erklärte Constance leise. "Und dann hatte ich Angst, weil ich erst nicht wusste, ob es stimmte. Ich wollte mir keine Hoffnungen machen, die schließlich doch zerstört wurden."
Und dann war da noch ein dritter Aspekt.
"Außerdem" fuhr Constance mit rauer und sehr leiser Stimme fort. "Hatte ich Angst, dass jemand herausfand, dass ich ihm nicht geholfen hatte."

"Ich denke nicht, dass dir das jemand übel nehmen könnte.", beruhigte Joanna Constance zunächst, um ihr dann weiter zu lauschen, wo sie denn endlich redete uns auch von selbst weiter sprach. Nichts davon überraschte sie und nichts konnte man Constance vorwerfen. Bis sie diesen letzten Satz aussprach.
Joanna schaute sie ein wenig schockiert an, nicht sicher, ob sie es richtig verstanden hatte oder es sich um ein schlichtes Missverständnis handelte. Wenn es stimmte, würde das weitere Probleme geben.
"Wie meinst du das, Constance?", fragte sie leise. "Wie und wobei hast du ihm nicht geholfen und warum hast du deswegen solche Angst?" Auf jeden Fall würde das noch Schwierigkeiten in der Kollision mit Johns Prinzipien geben, wenn sie Constances Andeutungen richtig interpretiert hatte.

Constance musste sich beherrschen, um unter Joannas schockiertem Blick nicht zusammen zu zucken. Sie war die erste mit der Constance dieses Geheimnis teilte, das sie bisher so wohlbehütet in sich verschlossen gehalten hatte.
"Robin ... er ... er hatte Fieber. Ein Fieber an dem er gestorben ist." begann sie zögerlich und starrte auf ihre Hände hinab, um Joanna nicht ansehen zu müssen. "Und ich habe ... ihn nicht so gepflegt, wie ich es hätte tun sollen." gestand sie leise. "Aber allein die Vorstellung, dass ausgerechnet ich ihn gesund pflegen würde ... und das nur, damit er mich hinter her wieder in sein Bett zerren und missbrauchen würde bis ich kaum noch würde gehen können ..."
Constance spürte die gleiche Übelkeit in sich aufsteigen, die sie schon damals bei dieser Überlegung überfallen hatte. "Ich konnte ihm einfach nicht helfen." flüsterte sie und spürte, wie die Tränen wieder in ihr aufstiegen.

Joanna sah sich in ihrer Vermutung durch Constances Worte nur bestätigt und musste erst einmal schlucken. Das waren in der Tat brisante Neuigkeiten. Wenn man so wollte, hatte sie ihren Dienstherrn auf dem Gewissen. Joanna zog Constance fester an sich und umarmte sie erst einmal stumm.
"Ach Constance..:" Wie schwer musste ihr dieses Wissen all die Zeit gefallen sein. "Das hättest du nicht tun dürfen, ihn nicht seiner Hilflosigkeit ausliefern. Aber...ich kann verstehen, warum du so gehandelt hast. Warum du dem ein Ende machen wolltest."
Joanna seufzte leise. "Vielleicht wäre er auch so gestorben....es muss ja nicht sein, dass du daran Schuld bist. Aber das werden wir niemals wissen. Constance, du musst es John sagen. Ich denke, er hat ein Recht darauf diesen Teil deiner Vergangenheit zu erfahren, es geht schließlich um seinen Bruder und um die Frau, die er liebt. Sag es ihm. Ich denke, er wird es ebenso verstehen, auch wen er durchaus erst einmal entsetzt sein wird. Ach Liebes...es tut mir so leid..."
Warum ließ Gott solche Dinge zu? Warum ließ er zu, dass die Männer manchmal ihre körperliche Überlegenheit so ausnutzten? Constance tat ihr wahnsinnig leid und sie wusste genau, dass sie es nicht so gut überwunden hätte wie sie. Nun galt es einfach nur, ihrer Freundin neuen Mut zu machen.
"Du solltest mit deinem Mann genauso offen über all das reden wie mit mir jetzt. Das wird eurer Ehe helfen. Er versteht nämlich im Moment nicht so recht, was eigentlich los ist."

Im ersten Moment verspürte Constance tiefe Erleichterung darüber, dass Joanna ihr Verständnis entgegen brachte und sie nicht einfach von sich stieß auf Grund dieser Neuigkeiten. Bei den nächsten Worten ihrer Freundin stockte Constance jedoch der Atem und sie sah Joanna panisch an. "Das kann ich nicht!" flüsterte sie ängstlich und sie spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte.
"Wenn ich ... wenn ich ihm das sagen, dann ..." ein leises Schluchzen kam über ihre Lippen und im nächsten Augenblick füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen. "Er wird mich dann nicht mehr haben wollen." flüsterte sie.
John würde ihr Handeln keineswegs gut heißen. Und wie sollte er sie noch so uneingeschränkt lieben, wenn er davon wusste. Wenn er wusste, dass sie seinen Bruder regelrecht umgebracht hatte.
"Ich kann ihn nicht verlieren, Joanna." Constances Stimme bebte, als sie sich an ihre Freundin klammerte. "Ich darf ihn nicht verlieren ... was soll ich denn ohne ihn tun?" fragte sie heiser. Ein Leben ohne John war für sie völlig undenkbar geworden. Er war neben Cathie das einzige, was ihrem Leben Sinn und einen festen Halt gab.

Joanna ließ Constance nicht los und schüttelte nur leicht den Kopf. "Natürlich kannst du, Constance. John hat seine eigenen Prinzipien und darin ist er mit sich selbst teilweise sehr streng, aber das bedeutet nicht, dass du es ihm nicht sagen kannst. Er liebt dich mehr als alles Andere und deshalb wird er dich auch verstehen. Glaubst du nicht, dass er seinen Bruder auch hasst für das, was er dir angetan hat? Er wird vielleicht im ersten Moment entsetzt sein, aber er wird dich deshalb nicht weniger lieben. Er hat sein ganzes Leben geändert, weil er mit dir zusammen sein will, das wird er sicher nicht einfach wegwerfen. Und so leichtfertig schon gar nicht. Du wirst ihn nicht verlieren, Constance. Aber du musst es ihm sagen. Er hat ein Recht darauf. Und wie soll er denn sonst verstehen, was dich belastet? Er ist völlig verstört, weil er nicht weiß, wie er dir helfen kann, weil du vor ihm zurückweichst und ihm mit Angst begegnest. Und das ist etwas, was er niemals wollte. Er weiß nicht, was er falsch gemacht hat und womit er deine Reaktion ausgelöst hat. Sag es ihm. Er wird Verständnis für dich haben, Liebes. Da bin ich mir mehr als sicher. Du verlierst ihn nicht und du wirst dir auch nicht überlegen müssen, was du ohne ihn tust. Ich denke, eure Liebe ist groß genug um alles zu überstehen. Denk einmal nach, was er bereit war für eure Zukunft zu tun. Er wird keinen Rückzieher machen, auch wenn er vielleicht ein paar Tage braucht um dein Geständnis zu verarbeiten. Nur Mut, Constance."

Constance sah ihre Freundin zweifelnd an. "Ich weiß nicht ..." murmelte sie langsam. "Wenn er das erfährt ... ich meine, von da an werde ich für ihn doch jemand ganz anderes sein ... nicht mehr diejenige in die er sich verliebt hat. Was, wenn das mehr ist als er ertragen kann? Gerade weil er so viel für mich aufgegeben hat."
Mittlerweile waren die Tränen versiegt und nur ein Schimmer lag noch in ihren Augen, der zusammen mit ihren roten Augen verriet, dass sie gerade noch geweint hatte.
Constance fuhr sich mit zitternder Hand über die Augen und sah Joanna gequält an. "Ich wusste, dass es John war." sagte sie dann leise. "Ich wusste, dass er dort saß und nicht Robin, aber etwas in meinem Kopf wollte das nicht zulassen. Ich habe immer nur seine Stimme gehört und ich habe ihn regelrecht spüren können ... seinen Atemn auf meiner Haut, seine Hände auf meinem Körper." erzählte sie leise. "Gott, ich wollte nie, dass John mich jemals so sieht." murmelte sie.
Sie war sonst doch immer die Starke gewesen, die mit dieser schlimmen Vergangenheit so gut zurecht gekommen war und sich ihren Lebensmut erhalten hatte. Doch seit dieser Fehlgeburt war diese Angst in ihr wieder wach geworden, die Angst, dass Gott sie jetzt für ihre Sünden bezahlen ließ.

"Constance, du wirst ihn viel eher verlieren, wenn du ihm nicht sagst, was mit dir los ist. Willst du ihn anlügen und ihm erzählen, es sei nichts, obwohl da eine ganze Menge ist? Du musst ihm eine Chance geben, er kann doch nichts dafür. Du bist immer noch die Frau, die er liebt. Es wird schwierig für ihn sein, das bestreite ich nicht, aber ich glaube, er liebt dich genug um es zu akzeptieren. Außerdem ist es doch gar nicht sicher, dass es deine Schuld war. So leichtfertig wird er seine Familie nicht mehr hergeben."
Joanna hörte Constance schweigend zu und seufzte leise. "Aber es ist passiert. Er hat dich so gesehen. Und du musst dir darüber klar werden, ob es so weiter gehen kann. Wie soll es funktionieren mit euch? Wie, wenn du John hinhältst und er dich nicht mehr anfassen darfst, du ihm den Grund aber nicht sagst? Wenn du ständig Angst hast und die Erinnerung dich belastet, du ihm aber nichts erzählst, obwohl er merkt, dass etwas nicht stimmt. John ist nicht dumm, er wird es merken. Er weiß es längst. Er wird denken, dass du ihm nicht vertraust. Was glaubst du, wie lange er das mitmachen wird? Es geht ihm damit doch selbst nicht gut. Meine Güte, Constance, er liebt dich. Und jetzt, wo die Erinnerungen dich nun einmal nicht mehr in Ruhe lassen, kannst du eigentlich nicht länger schweigen. Wie stellst du dir das vor?" Der Drang Constance zu schütteln wurde langsam größer. Warum begriff sie denn nicht, dass kein Weg an einem Gespräch mit John vorbei führte?

Constance biss sich auf die Unterlippe und seufzte dann leise. "Du hast ja recht." räumte sie leise ein. "Es ist nur so furchtbar schwer." Sie hatte gelernt nicht über diese Dinge zu reden, denn der einzige Mensch, dem sie sich damals anvertraut hatte, hatte sie schamlos hintergangen. Das war ohne Zweifel eine Lehre für sie gewesen.
Constance griff nach Joannas Hand und drückte sie leicht. "Danke, dass du für mich da bist." bedankte sie sich und umarmte ihre Freundin dann. Ohne Joanna wäre es ihr deutlich schwerer gefallen sich wieder zu beruhigen, geschweige denn, dass sie je über diese düsteren Dinge gesprochen hätte.
Constance schniefte noch einmal und schloss kurz die Augen. Die Unterhaltung, die ihr nun bevor stehen würde, war wahrlich keine leichte. Im Gegenteil, sie würde vermutlich die schwierigste in ihrem Leben werden, aber Joanna hatte recht, sie musste mit John darüber sprechen.

Joanna erwiderte den leichten Händedruck und lächelte Constance aufmunternd an. "Ich weiß, dass es schwer ist, Constance. Aber glaub mir, du schaffst das, gemeinsam mit John, und danach wird es dir besser gehen, da bin ich ganz sicher."
Sie strich ihrer Freundin sanft über den Rücken.
"Das ist selbstverständlich. Du hörst dir meinen Kummer ja auch immer an. Und du weißt auch, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, wenn etwas ist. Mach dir keine allzu großen Sorgen, es wird alles gut werden. Nur dafür, dass es gut wird, musst du über deinen Schatten springen. Du hast einen wundervollen Mann, er würde nie etwas falsch machen wollen. Also sag ihm, was dich bewegt. Ihr findet einen Weg. Cathie bleibt einfach noch eine Weile bei uns, wenn ihr mehr Zeit braucht, gerne auch über Nacht. Sag mir einfach Bescheid."
Joanna drückte noch einmal Constances Hand und erhob sich dann.
"Soll ich dir John vorbei schicken oder willst du erst noch eine Weile alleine sein?"

"Danke." wiederholte Constance noch ein mal und lächelte leicht. Sie war wirklich froh, dass sie eine Freundin wie Joanna hier gefunden hatte. Ohne sie wäre es doch einfach nicht dasselbe.
"Ich" begann sie langsam und zögerte dann noch einmal, sie musste sich wirklich überwinden, aber es würde sich nie etwas ändern, wenn sie dieser Sache aus dem Weg ging. "Ich denke, du solltest ihn her schicken." vollendete sie den Satz dann.
Schließlich konnte John nichts dafür, er war nicht Schuld an dieser ganzen Miesere unter der Constance nun so litt. Und wenn er erst einmal Bescheid wusste und vielleicht tatsächlich nicht abweisend reagierte, dann würde er ihr helfen können, sie unterstützen.

John atmete noch einmal durch ehe er die Tür öffnete. Joanna hatte ihn zu Constance geschickt und ihm geraten, ihr einfach zuzuhören. Er hatte das auch vor, wenn sie überhaupt mit ihm reden wollte. Wenn sie nicht wieder mit solcher Panik auf ihn reagierte wie vorhin. Und er wusste einfach nicht, womit er von einer Sekunde auf die Andere dieses Verhalten ausgelöst hatte.
"Constance?"; fragte er leise und kam ein wenig näher.
Er wagte kaum näher zu kommen. Was, wenn sie ihn wieder so abwies? "Geht es dir besser? Joanna meinte, du wolltest mich sehen."
John seufzte leise und versuchte schließlich sein Glück, kam zögernd näher.
"Was...was ist denn los, Constance?"

Constance erschauderte leicht als eine Männerstimme ihren Namen aussprach, mahnte sich dann jedoch zur Vernunft. Wenn sie genau hinhörte, war der Unterschied zwischen den Stimmen der beiden Brüder sehr deutlich. Das hier war nicht Robin, es war John. Ihr geliebter John.
Constance sah auf und begegnete Johns Blick für einen Moment, ehe sie schluckte und zaghaft die Hand nach ihm ausstreckte. "Komm her." bat sie ihn leise und ergriff seine Hand als er ihrer Bitte langsam Folge leistete. "Es tut mir so Leid." bat sie ihn um Verzeihung und senkte den Blick etwas. "Es ist nur ... dieser Satz ... dieser Satz, den du gesagt hast." begann sie langsam zu erklären. "Das hat Robin immer zu mir gesagt und ich ..." ihre Stimme brach ab und sie atmete tief durch. Immerhin war der erste Schritt schon gemacht. Es würde wohl sehr lange dauern bis Constance mit allem heraus kam, aber sie hatte sich entschlossen John alles zu erzählen.

Johns Blick wurde noch weicher und er folgte ihrer Bitte, strich über ihre Hand und hielt sie fest. Im nächsten Moment begriff er, warum sie so reagiert hatte. "Es muss dir nicht leid tun. Mir tut es leid, Constance. Aber ich wusste es doch nicht. Ich wollte dich nicht an ihn erinnern. Es tut mir so leid..."
John legte vorsichtig die Hand an ihre Wange und senkte den Blick. "Ich habe immer befürchtet, dass das irgendwann passieren. Wir waren uns nie ähnlich, aber es war letztlich nur eine Frage der Zeit, bis ich dich durch irgendetwas an ihn erinnern würde. Ich will doch nicht, dass du Angst vor mir hast. Das ist ein furchtbares Gefühl. Vielleicht solltest du mir erzählen...was war. Damit ich nicht mehr versehentlich Dinge sage oder tue, die das alles wieder hochholen. Es tut mir leid....Ich weiß gar nicht, ob ich das von dir verlangen kann, aber ich weiß nicht, was ich machen soll."

"Du wusstest es ja nicht ..." erwiderte Constance als John sich entschuldigte. Sie machte ihm ja keinen Vorwurf, es war einfach ein ungünstiger Moment gewesen in dem diese Worte gefallen waren. Wenn sie nicht kurz zuvor noch darüber geredet hätten, wäre Constance vielleicht auch gar nicht so in Panik geraten.
Im nächsten Augenblick seufzte sie leise und legte dann vorsichtig den Kopf an Johns Brust. Es war ja nicht so, dass sie Angst vor ihm hatte, nur Angst vor dem was in ihren Erinnerungen möglicherweise wieder wach wurde.
"Es hat ihn nie interessiert, was ich wollte." murmelte sie leise. "Erst waren es nur ein paar beiläufige Berührungen und ich habe ihn zurecht gewiesen ... ich dachte, dass es damit erledigt war, da er aufhörte. Aber dann wurde nur alles noch schlimmer." Es fiel ihr schwer das Ganz noch ein zweites Mal in Worte zu fassen, nachdem sie es gerade erst Joanna erzählt hatte, aber sie wollte es wenigstens versuchen. Das war sie John schuldig.

John atmete erleichtert auf, als Constance sich wieder an ihn schmiegte und er legte ohne zu zögern die Arme um sie. Seine Wange schmiegte sich an ihren Scheitel und er lauschte ihren Worten reglos, wagte kaum sich zu rühren. Doch er wollte ihr dennoch zeigen, dass er da war und dass er sie vor allem beschützen würde, soweit es in seiner Macht stand. Er würde einfach alles für sie tun.
John strich ihr sanft über den Rücken, unterbrach sie aber nicht. Wenn sie schon einmal sprach, sollte sie das auch so tun können, wir sie es für richtig hielt.
Als sie dann aber eine kurze Pause machte, seufzte er. "Nein. Vermutlich hat ihn das nur noch mehr gereizt. Weil es eine Frau gab, die seinetwegen nicht sofort dahin geschmolzen ist.", sagte er leise.
"Dabei wärst du auch als Ehefrau viel zu schade für ihn gewesen."

Constance zuckte ganz leicht zusammen als John die Arme um sie legte, entspannte sich dann jedoch. Es war schließlich John, der sie in den Arm nahm.
Constance nickte dann langsam, denn John hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. "Immer wenn ich versucht habe mich ihm zu widersetzen, hat ihn das nur noch mehr angetrieben." flüsterte sie leise. "Er ... er hat mich eines abends auf dem Gang einfach bei Seite gezogen." Ihr ging durch den Kopf, was sie kurz zuvor noch Joanna erzählt hatte und sie schluckte. "Er hat mir keine Möglichkeit gelassen ... und später, später hat er mich ... einfach zu sich rufen lassen."
Constance schloss die Augen und schluckte schwer. Es war furchtbar gewesen, seinem Ruf zu folgen. Aber sie hatte keine Wahl gehabt. Wenn sie nicht gekommen war, war er zu ihr gekommen ... und dann wurde es jedes Mal viel, viel schlimmer.

Ihr leichtes Zusammenzucken entging John nicht, doch diesmal ließ er sich nicht irritieren, schließlich war es kurz darauf vorbei und sie ließ ihn gewähren. Er küsste sie zärtlich auf die Stirn.
"Ich schäme mich dafür der Bruder eines solchen Mannes zu sein. Er war ein Scheusal. Wie kann ein Mensch nur so sein? Er hat dich rufen lassen, um dir seine Macht über dich zu demonstrieren. Er war der Herr und du die Magd. Ganz einfach...er war so einfach gestrickt. Warum bist du nie fort gegangen, Constance? Warum bist du in Surrey geblieben? Du hättest sicher anderswo Arbeit finden können. Aber...ich sollte darum froh sein, sonst hätten wir uns wohl nie kennengelernt. Aber ich hätte mir so sehr gewünscht, dass du das alles nie hättest erdulden müssen. Das verdienst du einfach nicht. Und ich würde dir nie wehtun, Constance. Denk immer daran, dass ich nicht bin wie er...Es ist gut, dass Robin tot ist. Andernfalls hätte ich ihm wohl eigenhändig den Hals umgedreht für das, was er dir angetan hat."
Auch wenn ihm solche Gewalt normalerweise völlig fremd war.

Constance vergrub das Gesicht an Johns Brust und kämpfte die Tränen nieder, die sich erneut ankündigten. "Oh John, es war so erniedrigend." brachte sie leise mit rauer Stimme hervor. "Ich wusste jedes Mal genau, weshalb er mich rief und ich musste trotzdem zu ihm gehen." Diese Hilflosigkeit, die irgendwann in schierer Ohnmacht endete ...
"Ich konnte nicht." erklärte sie dann. "Ich ... ich wollte deine Schwester nicht alleine lassen, aber einmal habe ich es versucht. Einmal habe ich meine Sachen gepackt und bin wie immer zum Markt mit der Absicht nicht wieder zu kommen ... ich habe keine halbe Tagesreise hinter mich bringen können, da hatten seine Ritter mich bereits gefunden." Constance presste die Lippen aufeinander. Nichts hatte sie tun können und trotzdem war das Aufgeben für sie unerträglich gewesen.
Constances Herz begann zu rasen als John von Robins Tod sprach. Sie fürchtete diesen Moment, aber sie musste mit John darüber sprechen.
"Hättest ... hättest du das wirklich getan?" fragte sie zögerlich.

"Ich kann es mir vorstellen...", murmelte John und strich mitfühlend durch ihr weiches Haar. "Nie wieder wirst du das durchmachen müssen. Nie wieder, solange ich lebe."
Es fühlte sich an wie glühendes Eisen in seinem Herzen, wenn er sie erzählen hörte, was sie erlitten hatte. Was sein eigener Bruder ihr angetan hatte. Er wollte, er könnte ihr ihren Schmerz nehmen, doch er vermochte es nur ihr zuzuhören und für sie da zu sein, soweit sie es zuließ. "Ich würde gern all das ungeschehen machen. Ich würde alles tun, damit du deine Unbeschwertheit zurückgewinnst."
John seufzte leise und überlegte einen Moment.
"Ich weiß es nicht, vielleicht. Wenn er mir genug Anlass gegeben hätte...wahrscheinlich hätte ich ihn eher angezeigt. Aber ich würde in diesem Punkt nicht unbedingt eine Garantie geben. Ich verabscheue Gewalt, das weißt du. Aber...er hätte es einfach verdient gehabt. Wer anderes Leben so mit Füßen tritt, verdient das Leben nicht."

"Du kannst es nicht ungeschehen machen. Aber ... wenn du für mich da bist, kannst du mir helfen wieder glücklich zu werden." erklärte sie und legte eine Hand an Johns Wange. Ohne ihn wäre ihr Leben sinnlos. Sie wäre heute nicht hier in Cornwall, sondern noch immer in Surrey, dieses Mal durch irgendjemand anderes zurück gehalten.
"John, ich" begann Constance, brach aber wieder ab und suchte nach den richtigen Worten. "Robin ist an einem Fieber erkrankt." erzählte sie dann mit gedämpfter Stimme. "Und ich ... ich hätte ihm helfen sollen, aber ... ich konnte nicht. Allein die Vorstellung, den Mann gesund zu pflegen, der mich peinigte, nur damit er damit fortfahren kann, sobald er wieder auf den Beinen war ... ich konnte es nicht." Sie fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. "Ich habe ihm nicht geholfen." flüsterte sie erneut.