William und Joanna ~ 1170

Joanna zuckte leicht, als er gleich wieder so gereizt reagierte und setzte sich schließlich auf, ehe sie dann vorsichtig wieder seinen Blick suchte. "Doch...aber ich schäme mich einfach. Weil ich mich damals darauf eingelassen habe, aber auch, weil ich nicht den Mut hatte es dir früher zu sagen. Ich schäme mich, deshalb wagte ich es nicht dir in die Augen zu sehen, weil ich die Wut über mich nicht darin sehen wollte. Aber wenn es dir nicht gefällt...werde ich mich bemühen mich darum nicht zu kümmern.", erklärte Joanna leise.
"Soll ich dir heute auch noch aus dem Weg gehen, wie du es gestern wolltest?", fragte sie dann. "Oder wie soll ich mich verhalten? Sag es mir, ich bitte dich. Ich will dir nicht auf die Nerven gehen."
Sie wollte es ihm einfach nur recht machen, damit er ihr irgendwann vergeben konnte, schließlich war es sehr schlimm für sie, nicht mehr so unbeschwert mit ihm umgehen zu können.

William ließ sich zurück in die Kissen fallen als Joanna sich aufsetzte, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah zu ihr auf.
"Untersteh dich." brummte er dann. "Ich weiß auch nicht, wie du dich verhalten sollst, aber fest steht, dass ich nicht will, dass du mir den ganzen Tag aus dem Weg gehst." erklärte er dann.
Ein wenig zögerlich streckte er die Hand aus und strich Joanna über den Arm, ehe er die Hand wieder sinken ließ. "Ich will dir wirklich verzeihen. Lieber gestern als heute. Aber ganz so einfach ist das nicht. Du ... du gibst mir nicht gerade das Gefühl, dass du mir vertraust. Und das obwohl ich dachte, dass wir all das nun mittlerweile hinter uns gelassen hätten."

Joanna lächelte schwach. "Wenn du meinst." Immerhin etwas. Immerhin wollte er nicht vermeiden sie zu sehen. Das war schon ein kleiner Fortschritt. Und ein Schritt in die richtige Richtung. Und ein weiterer Schritt war es, dass er sie wieder berührte, obwohl er nüchtern war. Dass er wieder freundlich mit ihr sprach und sie nicht anfuhr, nicht wütend oder verärgert war.
"Ich weiß...ich weiß nicht, warum. Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue. Wirklich nicht. Ich würde dir mein Leben anvertrauen. Ich habe es einfach vor mir her geschoeben. Als ich ihn sah...da dachte ich, ich würde vielleicht irgendwie aus der Sache heraus kommen, ohne dass es jemand erfahren muss. Weil es mir so peinlich ist. Wenn ich ihn heute sehe, frage ich mich, wie ich mich jemals auf ihn einlassen konnte. Aber damals...damals war er einfach jemand, der mir gezeigt hat, dass ich auch etwas wert bin. Da wusste ich einfach noch nicht, wie sich Liebe wirklich anfühlt. Aber jetzt...jetzt denke ich einfach, dass ich damals furchtbar naiv war. Und deshalb wollte ich vermeiden, dass du davon erfährst, solange es nicht notwendig ist. Es ist mir wirklich peinlich... auch vor dir."

William sah Joanna an und schwieg. So lange, dass man fast den Eindruck gewinnen konnte, dass er nicht mehr vor hatte zu antworten. Aber er musste einfach nachdenken. Nachdenken über das, was sie ihm sagte und über die Gefühle, die in ihm tobten.
Er wusste ja, dass es ihr Leid tat und in Joannas Augen erkannte er auch ganz klar, dass sie es ernst meinte, was sie ihm da erzählte. Dass sie bereute was sie getan hatte.
Und William wusste ganz genau, wie sie sich fühlte. Wie es war, wenn man wünschte, man könne etwas rückgängig machen ...
"Komm her." forderte er sie schließlich auf und breitete die Arme etwas aus, um sie in den Arm nehmen zu können, sobald sie sich wieder zu ihm legte.

Joanna schwieg ebenso und wartete fast bang auf irgendeine Reaktion von ihm. Sie wusste nicht, wie er reagieren würde, was er entscheiden würde, aber sie hatte noch ein klein wenig Hoffnung.
Sie wurde etwas nervös, als er nach einer ganzen Weile immer noch schwieg. Würde er überhaupt noch antworten oder hatte sie ihn nun völlig vergrault? Joanna seufzte lautlos. Sie wollte doch nur, dass alles wieder gut wurde.
Schließlich aber machte sich die Erleichterung in ihr breit, als er die Arme ausbreitete und sie einlud zu ihm zu kommen.
Befreit lächelte sie und legte sich zu ihm, kuschelte sie eng in seine Arme, um endlich wieder etwas von seiner beruhigenden Wärme zu haben. Sie hatte ihn so vermisst...
"Ich liebe dich doch..."

Als Joanna sich wieder zu ihm legte, zog William sie eng an sich und vergrub das Gesicht in ihren Locken, um ihren süßlichen Duft einatmen zu können. "Und ich dich erst!" murmelte William. "Mehr als alles andere auf der Welt."
Er strich ihr zärtlich über den Rücken und schloss für einen Moment die Augen.
Es brannte noch immer eine kleine Flamme des Zorns in ihm über ihr Verhalten, doch er war in der Lage sie so niedrig zu halten, dass er zuversichtlich war, sie bald ganz gelöscht zu haben.
"Tu mir nur einen Gefallen. Tu so etwas nie, nie wieder. Egal was es ist, du kannst mir alles, wirklich alles anvertrauen. Ich würde dich für nichts in der Welt weg schicken. Niemals."

Joanna entspannte sich völlig, als WIlliam sie eng an sich zog. Endlich war alles wieder gut und sie hatte ihren Mann wieder. Sie war so glücklich darüber, sie hätte diesmal vor Freude weinen mögen. Er hatte ihr zumindest teilweise verziehen und sie brauchte keine Angst mehr zu haben. William würde sie nicht wegschicken, egal, was auch passierte. Darüber war sie sich nun im Klaren.
"Nie wieder, ich verspreche es. Es war dumm von mir dir nicht gleich etwas zu sagen.", murmelte sie und gab ihm einen zärtlichen Kuss. "Ich bin so glücklich, dass du mir verzeihst."
Joanna schloss die Augen und schmiegte die Wange an seine Schulter. "Was hast du mit ihm gemacht?", fragte sie dann. "Ist er...fort?"
Sie konnte sich kaum vorstellen, dass William ihn einfach so in Frieden gelassen hatte. Und für seine Erpressung hatte er das auch verdient.

"Ja, das war es wirklich." stimmte William ihr zu und erwiderte dann liebevoll den Kuss, den sie ihm gab. "Wie könnte ich dir nicht verzeihen? Mein Leben ist nichts ohne dich und zudem hast du mir schon so oft verziehen ... dieses Mal ist die Reihe wohl an mir." erwiderte er leise lachend.
Auf ihre Frage hin verdüsterte sich Williams Blick für einen Moment. "Er wird für eine lange Zeit keine Position finden in dem ihm nicht irgendetwas weh tut und ihn daran erinnert, dass er hier den größten Fehler seines Lebens begangen hat. Und sollte er auch nur einmal in deine Nähe kommen, so gnade ihm Gott, denn ich werde es nicht noch einmal tun." erwiderte William zornig.
Dieser Mistkerl hätte in seinen Augen noch viel mehr verdient gehabt, doch Geoffrey hatte wohl nur Recht daran getan William irgendwann zurück zu halten.

Joanna lachte leise. "Wenn du es so sehen willst...ich werde mich darüber sicher nicht beschweren." Aber er hatte recht. Sie hatte ihm schon sehr viel verziehen. Trotzdem war sie froh, dass er ihr vergab und ach über ihre Fehler hinweg sehen konnte. "Es ist wirklich besonders mit uns. Länger als einen Tag können wir uns nie böse sein. Meistens zumindest."
Ohne ihn war sie einfach nicht vollständig, etwas fehlte.
"Oh...nun, ich denke, das hat er auch verdient. Und er wird hierher nicht zurückkehren. Wir haben Ruhe vor ihm, das ist gut. Er hätte nie hierher kommen dürfen. Vielleicht ist dann einmal wirklich alles ruhig. Was hältst du davon, wenn wir bald wieder einen Ausritt machen? Ein bisschen Abstand - und sei es nur für eine Stunde - wird uns wohl gut tun."

"In meinen Augen hätte er noch viel mehr verdient, aber lassen wir das." entschied William schließlich und gab Joanna einen Kuss. ""Ich will diesen schönen Moment mit meiner Frau nicht mit Gerede über eine solch widerwärtige Person vergiften."
Wobei William zugeben müsste, hätte Roland Joanna nicht erpresst, wäre er dem Mann fast dankbar dafür gewesen, dass er Joanna damals einen kleinen Halt gegeben hatte. Zwar war doch fraglich wie selbstlos er dabei gewesen war, doch so wie Joanna gesprochen hatte, hatte es ihr zumindest damals ein Stück weit geholfen.
"Ich liebe dich, meine Schöne." flüsterte William und zog Joanna noch ein wenig enger an sich.

"Ich weiß..." Joanna lächelte verständnisvoll. Williams Beschützerinstinkt für sie und die Kindern war sehr ausgeprägt, von Anfang an schon, und darum war ihr klar, warum er so reagierte. Warum er Roland so bestraft hatte. Niemand erpresste sie ungestraft, schließlich war sie sein Ein und Alles. Und darauf war sie sehr, sehr stolz.
"Du hast Recht. " Er würde sich zwar trotzdem Gedanken über Roland und sie machen, aber das würde auch vorbei gehen. Hauptsache, zwischen ihnen war alles wieder gut. Das war das Wichtigste für sie, sie brauchte William.
"Ich dich auch."
Sie schmiegte den Kopf an seine Brust und schloss noch ein wenig die Augen. Es war noch früh, sie hatte kaum geschlafen, vielleicht würde sie ja einfach noch ein bisschen einschlummern.

William lächelte schweigend und strich Joanna liebevoll über den Rücken. Heute würden sie wohl noch eine Weile länger im Bett bleiben ... einfach, um den Schlaf nachzuholen, der über Nacht gefehlt hatte.
"Schlaf noch ein wenig. So schnell werden wir schon nicht vermisst." murmelte er Joanna ins Ohr und gab ihr noch einen Kuss.
Es war gut, dass er diesen Unsinn beendet hatte. Sie fühlten sich schließlich beide deutlich wohler, wenn sie zusammen waren und keinen Streit hatten.
John hatte recht gehabt, es war gut gewesen, dass er ihr verziehen hatte. Immerhin hatte sie es ja auch nicht böse gemeint.

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Während William einige Unterlagen durchsah, hatte Joanna beschlossen ihm Gesellschaft zu leisten. So hatte sie Filou mitgenommen und es sich vor dem Kamin gemütlich gemacht, wo sie das lange Fell einmal mehr bürstete und von Kletten befreite.
Sie genoss die Ruhe ebenso wie Filou die Aufmerksamkeit und so horchte sie erst auf als es leise klopfte, die Tür sich aber auch auf eine Aufforderung nicht öffnete.
Joanna tauschte einen beunruhigten Blick mit William, ehe sie sich erhob und öffnete. Plötzlich sah sie sich James gegenüber, der mit glühenden Wangen und Tränen in den Augen vor der Tür stand und sich an seinem Stoffpferdchen festhielt, dass sie ihm geschenkt hatte. "Mama...", schniefte er leise. Joanna ging sofort in die Knie und strich ihm über die Wange, erschrak dann aber. "Meine Güte, du bist ja ganz heiß..."
"Mama, mein Kopf tut weh....", jammerte Jder kleine Junge und streckte die Arme nach seiner Mutter aus.
Sie nahm ihn hoch und schaute William besorgt an. "James ist krank."

William sah irritiert auf und beobachtete Joanna, wie sie zur Tür ging und öffnete. Noch ehe er sah, wie sie ihren Sohn hochhob, hörte er bereits James' leises Stimmchen, das gar nicht so munter klang wie sonst.
William seufzte leise und stand auf, um zu Joanna hinüber zu gehen und seinem Sohn eine Hand auf die Stirn zu legen.
"Na kleiner Mann, dich hat es aber ganz schön erwischt, was?" murmelte William und versuchte seinem Sohn ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. "Was hältst du davon, wenn du dich in das große Bett legst und Mama dir eine Geschichte erzählt, während ich John hole?" schlug er vor und erntete ein zögerliches Nicken.
Er gab seinem Sohn einen Kuss auf die Stirn und wechselte einen kurzen, besorgten Blick mit Joanna. "Ich bin gleich wieder da."

Joanna seufzte leise. Am Morgen war James noch normal gewesen wie immer. Doch jetzt schien ihn das Fieber fest im Griff zu haben. Sie nickte William zu und stecke James umgehend ins Bett, setzte sich dann aber zu ihm, sodass er den Kopf auf ihren Schoß betten konnte und erzählte ihm leise die erstbeste Geschichte, die ihr einfiel. Damit er abgelenkt war, bis John kam und ihn untersuchte. Vielleicht schlummerte er darüber aber auch schon ein. Schlaf würde ihm jetzt wohl am Besten helfen. Doch sie wurde die Frage nicht los, warum Marian nichts davon gemerkt hatte. Warum James ganz allein zu ihnen gekommen war und das in seinem Zustand.
Bisher waren sie recht verschont geblieben von Krankheiten der Kinder, aber James schien sich doch eine ordentliche Erkältung eingefangen haben. Sie hoffte zumindest, dass es nur eine schlichte Erkältung war.
"Alles wird wieder gut, Schatz, du wirst sehen."

William brauchte nicht lange um John zu finden und als dieser hörte, wie es um James stand, kam er sofort mit. So waren die beiden nur wenig später wieder zurück und John machte sich daran James genau zu untersuchen.
Während dessen legte William einen Arm um Joanna und ga ihr einen Kuss auf die Stirn, eine Geste, die beruhigend wirken sollte - allerdings mindestens genauso sehr für ihn wie auch für Joanna.
Mit ungutem Gefühl beobachtete William den vertrauten Arzt bei seiner Arbeit. Wäre es nicht John, der seinen Sohn behandelte, William hätte garantiert schon gänzlich die Nerven verloren. So wartete er jedoch einfach besorgt ab bis John sich wieder zu ihnen herum drehte.
"Und, was meint Ihr?" fragte William besorgt, noch ehe John zu Wort kommen konnte.

John hatte sich Zeit genommen um James gründlich zu untersuchen, ihm dabei aber keine Angst zu machen und ihm stattdessen leise zu erklären, was er tat. Als er sich schließlich wieder zu WIlliam und Joanna umwandte, wiegte er den Kopf nachdenklich hin und her. "Im jetzigen Stadium ist es ziemlich schwer zu sagen, was es genau ist. Für eine normale Erkältung ist das Fieber zu hoch, aber er hat auch keinen Ausschlag. Wichtig ist vor allem, dass er in den nächsten Tagen Abstand von seinen Geschwistern hält, sonst wird er sie wohl anstecken. Viel Schlaf ist jetzt maßgeblich, auch wenn ihm langweilig wird, sollte er im Bett bleiben. Ich werde ihm etwas gegen das Fieber geben und einen Tee machen, der ihm auch beim einschlafen hilft. Ansonsten sorgt dafür, dass er sich nicht alleine fühlt. Ich werde nur kurz ein paar Dinge holen, dann komme ich zurück. Das Fieber sollte besser möglichst schnell runter gehen. Es ist für ein so kleines Kind nicht ungefährlich. Aber macht Euch keine Sorgen, das bekommen wir schon wieder hin.", beruhigte John William und Joanna.

William nickte nachdenklich und wartete bis John verschwunden war, um seine Sachen zu holen. Dann tauschte er einen besorgten Blick mit Joanna und ließ sich neben seinem Sohn aufs Bett sinken. Behutsam strich er James über die Stirn. "Seit wann geht es dir denn nicht gut, Kurzer?" fragte er. Sein Sohn zögerte einen Moment. "Seit heute Mittag ... glaube ich."
William runzelte die Stirn und sah zu Joanna hinüber. "Wir müssen mit Marian reden." brummte er und versteckte seinen Ärger nur, weil James direkt neben ihm lag. Andernfalls hätte er sich nun fürchterlich über ihre Kinderfrau aufgeregt. Sonst war sie ausgesprochen zuverlässig, aber das sie den kleinen Jungen in einem solchen Zustand alleine hier her kommen ließ ...
"Was hältst du davon, wenn du erstmal hier bei uns bleibst, hm?" schlug er dann vor und lächelte aufmunternd. "Du kannst dich hier im großen Brett schön breit machen, da werden die anderen sicher neidisch."

Joanna machte sich große Sorgen um ihren Sohn, verfolgte aber das Gespräch von WIlliam mit James aufmerksam. So lange schon und Marian hatte es nicht gemerkt. Das passte überhaupt nicht zu der sonst so zuverlässigen Kinderfrau.
"Das müssen wir.", bestätigte sie finster.
Erleichtert bemerkte sie, dass sich ein zartes Lächeln auf James Lippen stahl. "Ja! Toll!", freute er sich, blinzelte aber schon schläfrig und schloss schließlich die Augen.
"Du solltest mit ihr reden.", sagte sie dann leise zu William. "Geh nur, ich bleibe hier bei ihm. Es kann nicht sein, dass sie nicht merkt, wenn eines der Kinder krank ist. Und das über Stunden. Er ist allein durch die Gänge gelaufen. Das können wir nicht hinnehmen."

William beobachtete seinen kleinen Sohn, der bereits in einen leichten Schlaf gefallen war und runzelte die Stirn. "Ich werde sie suchen gehen." stimmte er zu und strich James noch einmal durch die Haare ehe er aufstand.
Kurz nahm er Joanna noch einmal in den Arm und gab ihr einen Kuss. "Ich hoffe für sie, dass sie eine gute Entschuldigung hat ... das ist völlig inakzeptabel. Ich bezahle sie schließlich nicht, damit sie die Kinder sich selbst überlässt." grollte er und machte sich dann auf die Suche nach der Kinderfrau.
Als er sie schließlich fand, maß er sie mit einem finsteren Blick. "Kann es sein, dass dir ein Kind abhanden gekommen ist?" fragte William und klang dabei durchaus schroff - und das war angesichts der Wut, die er empfand sogar noch eine enorme Leistung.

Marian

Marian kümmerte sich gerade um Elias und fütterte ihn mit einem etwas Brei, als sie sich plötzlich einem nicht gerade amüsiert wirkenden Lordkanzler gegenüber sah. Sie blinzelte ein wenig irrtiert und begann dann fieberhaft zu überlegen, was sie über den Aufenthaltsort der Kinder wusste. Sie war doch nur eine Stunde fort gewesen, das konnte doch nicht sein. Aber...
"Ich...ich weiß nicht. Ich dachte eigentlich, ich wüsste, wo sie alle sind. Was ist passiert?", fragte sie verständnislos und ein wenig alarmiert. "Wer sollte mir abhanden gekommen sein?"
Das konnte doch nicht sein! Nur ganz kurz hatte sie Robert gesagt, er solle kurz auf seine Geschwister aufpassen. Und jetzt...was war nur vorgefallen? Sie machte sich wirklich Sorgen.

"Du dachtest?" wiederholte William mit einer Mischung aus Ärger und Unglauben. "Nun, da hast du offensichtlich falsch gedacht, denn James stand gerade vor unserer Tür. Und das mit Kopfschmerzen und hohem Fieber. Würdest du wohl die Güte besitzen mir zu erklären, wie es sein kann, dass mein Sohn seit heute Mittag krank ist und du es nicht bemerkt hast? Und er dann plötzlich sogar mutterseelenallein durch die Gänge läuft, um uns zu suchen." warf William ihr vor und maß Marian mit einem kritischen Blick.
Sonst war die Kinderfrau immer mehr als zuverlässig gewesen, doch das heute ...
"Wenn dir die Arbeit zu viel wird, solltest du besser den Mund aufmachen, dann müssen wir eine andere Lösung finden, aber solche Nachlässigkeiten wie heute kann und will ich nicht noch einmal tolerieren!"

Marian

"Oh nein..." Erschrocken legte Marian die Hand vor den Mund. "Wie geht es ihm? Was hat er? Es wird doch wieder, oder?" Sie liebte jedes einzelne der ihr anvertrauten Kinder sehr, schließlich kümmerte sie sich schon seit einigen Jahrem um sie - seit sie selbst noch ein recht junges Mädchen gewesen war.
"Es tut mir so leid. Die Arbeit ist mir nicht zu viel, ich liebe die Kinder sehr. Es wird wirklich nicht wieder vorkommen. Ich war...nur kurz abgelenkt." Sie war doch nur kurz bei Jasper gewesen, hatte sich von ihm ablenken und zu einem ihrer heimlichen, seltenen Treffen überreden lassen. Nur eine Stunde war es gewesen, James hatte einträchtig mit Edward gespielt. Wie hatte sie denn ahnen können, dass er so plötzlich krank werden würde? "Es tut mir so leid...so sehr. Ich würde sie doch nie vernachlässigen. Nicht absichtlich."

"Er schläft jetzt. John kümmert sich um den Jungen, aber wir wissen noch nicht wirklich was er hat." Und ob er es durchsteht.
William musterte Marian skeptisch. Es schien ihr ohne Zweifel Leid zu tun und da so etwas überhaupt nicht zu der sonst so gewissenhaft arbeitenden Marian passte, war William durchaus gewillt ihr zu glauben. Trotzdem ...
"Und was kann bitte schön so wichtig sein, dass du dich dermaßen ablenken lässt? Ich muss sagen, dass ich wirklich anderes von dir gewohnt bin." erwiderte William.
Er hoffte, dass diese Ablenkung wirklich eine einmalige Sache war. Andernfalls würden sie eine neue Kinderfrau suchen müssen ... und das wäre ihm mehr als lästig.

Marian

"Ich hoffe sehr, dass es wieder wird. Er ist so ein guter Junge." Auf seine Nachfrage hin errötete sie dann doch und senkte schwigend den Blick. "Ich weiß, es tut mir leid."; murmelte sie leise. "Es wird nicht mehr vorkommen, ich werde achtsamer sein. Ich verspreche es." Ob sie ihm wohl die Wahrheit sagen sollte? Vielleicht...vielleicht...
"Ich...Ihr habt doch diesen Ritter in Euren Diensten...Jasper....und er und ich..." Sie verstummte und sammelte sich schließlich erneut. "Edward hat gerade mit James gespielt und ich habe Robert gesagt, er solle kurz auf seine Geschwister aufpassen. Ich weiß, dass es ein Fehler war, es tut mir so leid. Es wird nicht wieder vorkommen. Es ist nur..ich sehe ihn so selten."
Weil seine Familie sie nicht für angemessen hielt, aber nicht den Mut hatte zu ihr zu stehen. Und sie nahm es hin, bevor sie ihn gar nicht mehr sah.