William und Joanna ab 09.09.12 - Teil 5

Josephine

Josephine lächelte und schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin viel eher der Fisch, der in seinem Netz gelandet ist. Aber ich danke dir, Ben." erwiderte sie sanft und seufzte dann leise. "Ja, vielleicht sollte ich das tun. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob sie sich so sehr über meinen Besuch freuen wird." Sie zuckte leicht mit den Schultern und verschwand dann nach draußen.
Sie ging am Haus entlang und wollte gerade den kleinen Hof überqueren, der zu dem kleinen Stall führte, als sie am Arm gegriffen wurde. "Mensch, Josephine! Ich dacht mir doch, dass du das bist." erklang hinter ihr eine Stimme, die Josephine leider nur allzu vertraut war. Während die Begegnung mit Ben noch ganz angenehm gewesen war, war das hier der Grund, weshalb sie nicht in diesem Wirtshaus hatte einkehren wollen. "Mensch Mädchen, bist ja richtig erwachsen geworden, wa?" lallte es dicht an ihrem Ohr und ehe Josephine sich los machen konnte, hatte Oswin sie schon herum gezerrt und drückte sie fest an die Hauswand. "Lass mich los, Oswin." zischte Josephine und versuchte den Kerl, der sie um fast zwei Köpfe überragte von sich zu schieben. "Wasn los, Mädchen, früher haste dich doch nie so geziert ... weißt nich mehr, wie viel Spaß wir immer zusammen hatten?"

Robert hatte sich gerade auf den Weg zurück in die Schenke, als er den Namen seiner Frau aus dem Mund eines Betrunkenen hörte. Das bedeutete nichts Gutes. Wie hatte sie so dämlich sein können einfach den Schankraum zu verlassen? Sie hatte genau das doch vermeiden wollen...
Die Wut kochte in ihm hoch, als er sah, wie dieser Kerl seiner Frau auf die Pelle rückte. Robert packte Oswin an der Schulter.
"Früher war sie auch noch nicht verheiratet.", zischte er. "Ich denke, meine Gemahlin hat deutlich genug gemacht, dass sie deine Gesellschaft nicht wünscht."

Josephine

"Oswin verschwinde, die Zeiten sind vorbei." fuhr Josephine ihn wütend an und versuchte erneut diesen nach Alkohol stinkenden Klotz von sich zu schieben - dieses Mal sogar mit Erfolg. Überrascht weiteten sich ihre Augen als Oswin zurück trat, dann sah Josephine die Hand auf seiner Schulter und im nächsten Augenblick erklang Roberts Stimme. Erleichtert lehnte sie sich wieder gegen die Wand. Robert war da ...
"Wer bistn du?" fragte Oswin verwirrt und starrte Robert verärgert an. Ganz offensichtlich passte es ihm gar nicht, dass er von seinem eigentlichen Vorhaben abgehalten wurde. "Verheiratet? Ha! Das ich nicht lache. Die kleine Hure will doch niemand." lallte Oswin, zog dann jedoch eine Augenbraue in die Höhe als er zu begreifen schien. "DU? Biste etwa auf das Mädchen reingefallen? Bistn ganz schöner Dummkopf, wa? Ich weiß ja, dass die Kleine gut is, wenn sie aufm Rücken liegt und die Beine breit macht, aber man muss schon n ziemlicher Tölpel sein, um die zu heiraten."
Josephine wurde blass. Oswin war schon immer ein Trunkenbold gewesen und der Hellste war er ohnehin nicht, so dass es ihm ständig gelang die falschen Menschen zu provozieren. Allerdings war der Bauer auch unglaublich stark ... "Robert, bitte ..." flüsterte sie leise und hoffte nur, dass ihr Mann die Nerven behielt.

"Wer ich bin, tut nichts zur Sache." Roberts Augen verengten sich schlagartig zu Schlitzen, als der Bauer so ausfallend wurde und ihn als Dummkopf bezeichnete.
Er packte den Mann am Kragen, auch wenn dieser noch einen guten Kopf größer war als er. "Im Gegenteil. Jeder, der nicht erkannt hat, was für einen guten Charakter sie hat, ist ein Tölpel. Und wer sie nicht heiraten wollte, hat nicht mehr alle beisammen. So wie du offenbar auch nicht, du Saufbold."
Oh wie es ihn doch in den Fingern juckte. Da half auch Josephines Ermahnung nicht. Wie er diese Worte doch hasste...und endlich, endlich würde ihn niemand zur Rechenschaft ziehen, wenn er diesen Bauern dafür bezahlen ließ, dass er so über seine Frau sprach. Und über ihn.
Er holte aus und verpasste Oswin einen Faustschlag auf die Nase.
"Sie ist keine Hure, du dämlicher Bauer!"

Josephine

Josephine biss sich auf die Unterlippe als Robert Oswin am Kragen packte. Der Bauer zeigte sich jedoch recht unbeeindruckt davon. "Was willstn, Bürschchen? Brauchst wohl ma ne Tracht Prügel, hm?" brummte er und lachte dann auf. "So wie du redest, scheint se ja noch besser geworden zu sein, dass sie dir so den Kopf verdreht hat." Oswin legte die Hände an Roberts Handgelenk und wollte sich gerade aus dessen Griff befreien als Robert zuschlug.
Josephine schnappte nach Luft als sie das verräterische Knacken hörte, das darauf hin deutete, dass Robert dem Bauern gerade die Nase gebrochen hatte.
Oswin taumelte etwas zurück und griff sich mit einem Grunzen an die Nase aus der nun das Blut zu laufen begann. "Bistn ganz großer Held, wa?" brummte er und ließ den Blick zu Josephine hinüber gleiten. "Na gut." murmelte Oswin dann und wandte sich wieder Robert zu. "Dann werd ich erst dir Maniern beibringen und dann werd ich die kleine Hure mal wieder ordentlich ran nehmen, damit sie wieder weiß, was n richtiger Mann is." erklärte Oswin mit anzüglichem Grinsen und ging dann auf Robert los.

Robert verspürte nicht wenig Genugtuung, als die Nase des Bauern brach. Dessen Beleidigungen machten ihn nur noch wütender. Dieser Bursche würde schon noch sehen, was er von seinem Verhalten hier hatte.
"Gar nichts wirst du! Und taub bist du wohl auch. Sie ist keine Hure.", grollte Robert und als Oswin auf ihn losging, zog er sein Schwert.
Er hatte nicht umsonst jahrelang trainiert. "Sei vorsichtig, Bauer. Du weißt nicht, worauf du dich einlässt. Im Gegensatz zu dir weiß ich, was Manieren sind. Eine Bewegung meiner Hand und du bist tot. Also rate ich dir heim in dein Bett zu gehen, deinen Rausch auszuschlafen und nie wieder eine solche Bemerkung über meine Frau zu machen. Also...großzügig wie ich bin, erlaube ich dir nun zu gehen. Aber ich würde dir raten heute und morgen nicht hierher zurückzukehren."

Josephine

Josephine schrie leise auf als Oswin sich auf Robert stürzen wollte, doch der hatte im nächsten Augenblick bereits sein Schwert in der Hand. Josephine schlug die Hände vor den Mund. "Gott, Robert, nicht!" flehte sie ihn an, doch zum Glück blieb Oswin beim Anblick des blanken Stahls abrupt stehen.
Der Blick des Bauern flackerte unstet und huschte zwischen der Klinge und Josephine hin und her. Langsam machte er einen Schritt zurück und schließlich noch einen, um sich außer Reichweite zu bringen. "Bist trotzdem n Dummkopf, die zu heiraten. Hat se dir erzählt mit wie vielen Kerlen die es schon getrieben hat? Ich hätt die ja nich geheiratet an deiner Stelle." bemerkte Oswin, wandte sich dann aber so rasch um, wie es in seinem trunkenen Zustand möglich war und trat den Rückzug an.
Josephine atmete geräuschvoll aus und stürzte dann zu Robert hinüber, um die die Arme um ihn zu schlingen. "Oh Gott, Robert, ich bin so froh, dass er dir nichts getan hat." murmelte sie leise, außer Acht lassend, dass ja eigentlich sie selbst diejenige gewesen war, die vor einem Moment noch in Schwierigkeiten gesteckt hatte.

Robert hielt die Klinge so lange aufrecht, bis Oswin den Rückzug antrat. Auch, wenn er ihn am liebsten noch mehr bezahlen lassen würde. Jetzt war es einfach klüger die Sache auf sich beruhen zu lassen, so wütend er auch war.
Er steckte sein Schwert ein und strich Josephine durch das Haar. "Ich bin froh, dass ich rechtzeitig kam. Ich bin der Erbe von Cornwall und ein Ritter des Königs. Es wäre eine Schande für mich, wenn ich nach Jahren der Übung nicht mit einem besoffenen Bauern fertig würde. Du hättest trotzdem nicht einfach hinaus gehen dürfen....das ist viel zu gefährlich."

Josephine

Als Robert sein Schwert wegsteckte und ihr über die Haare strich, zog Josephine ihn enger an sich und vergrub das Gesicht an seiner Halsbeuge. "Ich hatte trotzdem Angst um dich. Oswin ist ein fürchterlicher Kerl." murmelte sie und strich Robert dann über die Wange. "Ich wollte nur nach dir sehen." erklärte Josephine leise. "Ich wollte mit dir Reden bevor das Essen auf den Tisch kommt, damit nicht der ganze Abend hinüber ist ..."
Erst jetzt, da sie so dicht bei Robert stand und seinen Herzschlag spürte, bemerkte sie erst, wie sehr ihr eigenes noch raste. Dieser Moment war die Hölle gewesen ... vor allem das, was Oswin gesagt hatte, hatte sie auf ein neues tief getroffen und am meisten schmerzte es sie, dass Robert sich ihretwegen solche Dinge anhören musste. Mit einem Mal überwältigten sie ihre Gefühle und Josephine schluchzte leise auf. "Gott, ich habe dich gar nicht verdient." flüsterte sie verzweifelt.

"Fürchterlich ja, aber kein Gegner für mich.", erklärte Robert überzeugt, während er sich langsam wieder beruhigte, als Josephine sich an ihn schmiegte.
"Worüber wolltest du denn reden?" Robert seufzte leise. "Hör auf solchen Unsinn zu reden. Warum solltest du mich nicht verdient haben?", fragte er dann.
"Allerdings hätte ich es schön gefunden, wenn du mir die Wahrheit unter vier Augen gesagt hättest. Ich habe mir immer Mühe gegeben dich nicht zu fragen, damit ich dich nicht dränge. Und dann so etwas." Robert legte die Hand an ihr Kinn. "Wer ist Sébastien?", fragte er dann scharf und voller Eifersucht. Mit den Freiern konnte er leben, das wusste er. Aber das klang eindeutig nach eine, Kerl, der mehr von ihr gewollt hatte.

Josephine

"Ich habe dir doch angesehen, wie wütend und enttäuscht du warst ... ich wollte das in Ruhe mit dir klären." murmelte Josephine, ehe sie den Blick senkte. "Wegen solcher Kerle wie Oswin ... wegen meiner Vergangenheit. Meinetwegen wirst du dir immer wieder solche Dinge anhören müssen, das hast du nicht verdient. Ich ... ich bin gar nicht gut genug für dich." flüsterte sie mit belegter Stimme. Dieser Abend hier im Wirtshaus ließ die Schatten der Vergangenheit wieder deutlich bedrohlicher wirken. Josephine fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Ich bin nicht wie du. Ich bin ... ach, schau dich doch einfach um. Leute wie Ben und Oswin, dieses Dorf, dieses Wirtshaus ... hier komm ich her. Wenn du sehen würdest, wo meine Mutter lebt, wo ich aufgewachsen bin ... oh Gott." Josephine kam sich so unendlich schäbig vor.
Josephine sah auf als Robert die Hand an ihr Kinn legte und wäre fast zusammen gezuckt unter der Schärfe, die in seiner Stimme lag. "Sébastien ist ... Niemand." murmelte sie dann leise. "Er war ein junger Ritter aus der Gegend, niemand besonderes. Er hatte seine Ausbildung hinter sich gebracht und wir haben uns getroffen als er wieder hier her zurück kam." Josephine zuckte mit den Schultern. "Er war derjenige, der mich hier weggeholt hat. Er wollte nach Rouen zu Henry und da er meine Gesellschaft immer gerne genossen hat, hat er mich überredet ihn zu begleiten."

"Natürlich war ich das. Weil du mir nicht die Wahrheit gesagt hast. Glaubst du, ich wusste nicht, dass ich mir immer wieder Gerede anhören muss, wenn ich dich heirate? Das habe ich in Kauf genommen. Und es ist völlig in Ordnung. Natürlich bist du nicht wie ich. Wärst du so wie ich, wärst du nicht die Josephine, in die ich mich verliebt habe. Also hör auf mit solchem Unsinn. Natürlich bist du gut genug für mich. Du bist die Beste...weil du mich glücklich machst."
Robert sah sie eindringlich an. "Mit einem Niemand geht man nicht einfach so mit und gibt sein Leben hier auf, Josie. Warst du verliebt in ihn?"
Das wollte er unbedingt wissen. Er wollte unbedingt wissen, ob er wirklich noch der Erste war, der in ihr Liebe hervor gerufen hatte.

Josephine

Trotz aller beruhigender Worte fühlte Josephine sich miserabel. Oswins abfällige Worte klangen in ihren Ohren nach und sie hatte wieder einmal das Gefühl völlig fehl am Platz zu sein. Sie liebte Robert und er sie auch, aber konnte er es wirklich ein Leben lang ertragen ständig solche Dinge über sie zu hören?
"Ich habe Angst." gestand sie dann leise. "Angst, dass es dir irgendwann zu viel wird. Dass dir irgendwann jemand einmal zu oft erzählt, dass ich ihm das Bett gewärmt habe." Und dass er sie dann irgendwann nicht mehr haben wollte.
Gegen ihren Willen musste Josephine dann kurz auflachen. "Du hast ja keine Ahnung, Robert." erwiderte sie. "Als Sébastien kam und mich überreden wollte ihn zu begleiten, war ich ein junges, dummes Ding, das kaum mehr als die nächsten umliegenden Dörfer gesehen hatte und fast jeden Mann aus der Umgebung besser kannte als mir lieb war. Ich wäre vermutlich sogar mit einem Kerl wie Oswin mitgegangen, um hier wegzukommen." Josephine schüttelte den Kopf. "Nein, ich war nicht verliebt in ihn. Er war das deutlich angenehmere Übel, aber er war und blieb immer nur ein Freier. Ich mag dir nicht von ihm erzählt haben, aber ich habe die Wahrheit gesagt, darüber, dass du der erste bist in den ich mich verliebt habe." Josephine legte die Hand auf Roberts Brust. "Der erste und der letzte."

"Du Dummchen...warum sollte es mir zu viel werden? Ich liebe dich doch. Und in Cornwall sagt das doch auch niemand. Ich wusste schon genau, worauf ich mich einlasse, als ich dich geheiratet habe. Ich wusste um deine Vergangenheit und ich kann damit leben, Josephine. Könnte ich es nicht, wäre ich ein sehr schlechter Ehemann. Und ich habe doch geschworen in guten wie in schlechten Tagen zu dir zu stehen.", erwiderte Robert leise. Dann aber zog er seine Hand weg und seine Augen verengten sich leicht.
"Ach, ich habe keine Ahnung? Woher denn auch, wenn du es nicht für nötig hältst mich einzuweihen und ich dann vor diesem Wirt dastehe wie ein Trottel? Ich bin dein Mann. Ich dachte, wir hätten keine Geheimnisse mehr voreinander...", sagte er dann gekränkt. Das traf ihn wirklich.
"Das will ich auch hoffen..." Wenigstens das war die Wahrheit gewesen.

Josephine

"Ich weiß ja, ich dachte nur ..." Josephine schüttelte den Kopf und lächelte sachte. "Ich habe einfach Angst, dass ich dich verlieren könnte." Das wäre das schlimmste was passieren könnte.
Im nächsten Moment zuckte Josephine zusammen als Robert die Hand zurück zog und die Augen verengte. Sie biss sich auf die Lippen und ließ die Arme sinken. Sie rang einen Moment mit sich, wusste nicht genau, was sie am besten erwidern sollte, dann senkte sie schließlich den Blick. "So habe ich das doch gar nicht gemeint." erwiderte sie bedrückt und schluckte. "Du hast doch gar nicht dagestanden wie ein Trottel. Und ich wollte daraus kein Geheimnis machen, ich wollte dir nur nicht von noch einem Kerl erzählen ... oder willst du etwa den Namen von jedem Mann wissen mit dem ich geschlafen habe? Das könnte schwierig werden." erklärte Josephine dann etwas gereizt. Als sie wieder auf sah, funkelten ihre Augen wütend. "Das will ich auch hoffen?? Was soll das denn bitte heißen? Glaubst du mir etwa nicht?" fragte sie Josephine zornig und trat einen halben Schritt zurück, um Robert besser ansehen zu können.

Robert schüttelte den Kopf. "Du wirst mich nicht verlieren, keine Sorge. Ich brauche dich doch auch..." Robert seufzte. "Nein, will ich nicht. Aber ich habe dich so lange nicht drängen wollen, weil ich dachte, du fängst irgendwann von selbst an zu reden. Ich dachte einfach, du würdest mich irgendwann in deine Vergangenheit blicken lassen, damit wir keine Geheimnisse haben. Aber statt dass du es mir selbst sagst, muss ich all das so hören. Ich dachte, du würdest mir vertrauen."
Robert verschränkte die Arme, als Josephine so wütend wurde.
"Natürlich glaube ich dir. Aber ich war die ganze Zeit so stolz darauf der Erste zu sein, den du liebst. Wenn du jetzt in ihn verliebt gewesen wärst, hätte das all das zunichte gemacht."

Josephine

"Wir haben auch keine Geheimnisse voreinander!" erwiderte Josephine heftig. "Schließlich habe ich aus der Sache kein Geheimnis gemacht! Das wäre es nur, wenn ich gezielt vermieden hätte es dir zu sagen - wenn du etwas wissen willst, dann frag mich doch einfach, Robert. Aber wag es ja nicht mir jetzt die Schuld daran ganz alleine zuzuschreiben!" Das würde ihr ja gerade noch fehlen. "Hättest du mich danach gefragt, so wie Ben gerade, hätte ich dir alles erzählt, was du wissen willst. Aber ich wollte nicht ausführlicher als nötig darüber reden. Was macht es denn auch für einen Unterschied, ob ich mit 10 oder 20 oder 50 Männern geschlafen habe und dass mich einer davon mit nach Rouen geschleppt hat?
Du hast mir auch nicht erzählt, wie du das erste Mal aus England in die Normandie gekommen bist - ist das deshalb ein Geheimnis, das wir voreinander haben? Ich denke nicht." ereiferte Josephine sich.
Dann starrte sie Robert einen Moment lang verblüfft an. Seine Worte überraschten sie so sehr, dass sie im ersten Moment nicht einmal wusste, was sie davon halten sollte. Dann allerdings kochte die Wut in ihr hoch und mit ihr bittere Enttäuschung. "Es hätte alles zunichte gemacht?" wiederholte sie ungläubig und mit rauer Stimme. "Das ist nicht dein Ernst, oder?" Sie spürte die Tränen in den Augen und wie sie heiß ihre Wangen hinab zu laufen begannen. "Du bist eifersüchtig auf einen Toten. Das ist doch verrückt." Josephine schüttelte den Kopf. "Das hätte alles zunichte gemacht ..." murmelte sie heiser und im nächsten Moment verpasste sie Robert eine Ohrfeige.

"Ich dachte einfach, es wäre dir unangenehm darüber zu sprechen. Ich dachte, du würdest es mir irgendwann erzählen. Aber da habe ich mich getäuscht. Es wäre mir nur einfach lieber gewesen, wenn ich nicht so davon hätte erfahren müssen. Gemeinsam mit diesem Ben und mit meinem Halbbruder. Ich dachte einfach, ich würde es so erfahren. Ich hab mich einfach nicht getraut zu fragen, weil ich dachte, du fühlst dich dann schlecht."
Robert schüttelte den Kopf. "Du weißt doch, dass mein Vater mich in die Normandie geschickt hat." Warum nur drehte sie ihm die Worte im Mund herum? So hatte er das doch gar nicht gemeint.
"Ich bin nicht eifersüchtig! Aber ich will etwas Besonderes für dich sein. Wenn da eben ein Mann in deinem Leben war, wollte ich das einfach wissen. Aber es ist ja nicht so. Es hätte einfach meine dämliche, romantische Traumvorstellung zunichte gemacht..."

Josephine

"Es war ja nett gemeint von dir, aber gib mir deshalb an dieser Sache nicht die Schuld!" erwiderte Josephine gereizt.
"Du bist etwas besonderes für mich, du Idiot!" fuhr Josephine ihn wütend an, während die Tränen weiter über ihre Wange liefen. "Glaubst du etwa, ich hätte sonst all das durchgemacht, wenn du es nicht wärst? Und was spielt es da für eine Rolle was vorher gewesen ist? Selbst wenn ich in ihn verliebt gewesen wäre, bin ich jetzt hier bei dir und bei niemandem sonst, reicht dir das nicht als Beweis?" Die Vorstellung, dass Robert ihre Beziehung daran maß, ob sie vorher schon einmal verliebt gewesen war oder nicht, ließ ihr beinahe übel werden.
"Ich hätte nicht gedacht, dass so eine Banalität wichtig dafür ist, wie du mich siehst." erklärte Josephine leise und wandte sich dann ab. Sie wollte sich nicht mehr mit ihm streiten, außerdem waren sie schon viel zu lange hier draußen und das Essen stand sicher schon auf dem Tisch. Wenngleich sie nun recht wenig Appetit hatte.

"Ich gebe dir nicht die Schuld. Ich war einfach enttäuscht.", erklärte Robert. Ihre Tränen schmerzten ihn sehr, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Wie sollte er ihr denn begreiflich machen, was in ihm vorging?
"Du willst mich missverstehen, oder? So meine ich das doch gar nicht." Robert legte die Hand an ihre Wange. "Ich liebe dich doch trotzdem genauso. Es ist einfach nur ein so schönes Gefühl, dass ich der erste Mann bist, den du lieben kannst. Und ich hatte eben Angst, dass ich nicht mehr der Erste bin, sondern nur der Zweite. Nicht, dass es an meiner Liebe etwas ändert, aber für mich fühlt es sich eben gut an. Ich liebe dich doch, Josie...wie kannst du daran zweifeln?"

Josephine

Josephine sah Robert einen Moment lang schweigend an, dann entzog sie sich wieder seiner Berührung. "Na dann kannst du dich jetzt ja weiterhin gut fühlen." erwiderte sie heiser und drehte sich dann wieder um und ging zurück, um wieder in das Wirtshaus zu gelangen.
Josephine seufzte leise. Reagierte sie gerade über? Sie war sich nicht sicher. Fest stand aber, dass all das hier an ihren Nerven zerrte. Diese Gegend, dieses Wirtshaus, Ben, Oswin, das Gerede über Sébastien, ... all das machte ihr zu schaffen. Und dann noch der Gedanke daran möglicherweise ihre Mutter wieder zu sehen. Als würde das nicht reichen, stritt sie nun auch noch mit Robert. Und das ausgerechnet jetzt ...
Josephine blieb vor der Tür stehen und schloss noch einmal die Augen. Sie musste sich ein wenig beruhigen, sonst würde sie sofort schiefe Blicke ernten und das würde zu Fragen führen und sie wollte jetzt nicht mehr reden.

Robert war ihr erst eine Weile später gefolgt. Sie hatten sich bemüht normal zu wirken und während Josephine ins Bett gegangen war, hatte Robert noch eine Weile mit Philippe zusammen gesessen und einen Becher Wein geleert. Erst dann hatte er den Mut wieder zu seiner Frau zu gehen.
Vorsichtig zog er seine Stiefel aus und legte sich zu ihr, legte den Arm von hinten um sie.
"Es tut mir leid...", flüsterte er in ihr Ohr. Er wusste einfach, dass sie nicht schlief, obwohl der Raum dunkel war. Das hier war ihr erster wirklicher Streit gewesen. Das machte ihnen Beiden zu schaffen und er wollte es gern wieder ins Reine bringen.

Josephine

Josephine hatte sich dazu gezwungen ein wenig zu Essen, aber sonderlich großen Hunger hatte sie nicht mehr gehabt, wenngleich das Essen recht gut war. Sie hatte sich dann auch so schnell wie es möglich war zurück gezogen und sich unter die Bettdecke verkrochen. Eine ganze Weile hatte sie leise in das Kissen geweint bis ihre Tränen schließlich versiegten und sie einfach die Augen geschlossen hatte ohne jedoch Schlaf zu finden.
So war sie auch noch wach als endlich die Tür geöffnet wurde und Robert leise herein kam. Sie rührte sich jedoch keinen Zentimeter und wartete bis er ins Bett kam und die Arme um sie legte. Selbst als er ihr eine Entschuldigung ins Ohr flüsterte, regte Josephine sich zunächst nicht, doch schließlich atmete sie leise aus und drehte sich herum, um sich an Roberts Oberkörper schmiegen zu können. Wortlos vergrub sie das Gesicht an seiner Schulter und kuschelte sich einfach für einen Moment an ihn.
"Ben und Sébastien haben sich um mich gekümmert." begann Josephine dann irgendwann leise. "Sie haben Acht gegeben, dass nie jemand grob zu mir wurde und dass ich immer genug zu Essen hatte. Sébastien hat die ganze Zeit immer von Rouen erzählt und gesagt, ich solle ihn doch begleiten. Erst habe ich mich nicht getraut, ich meine ... ich kannte doch nichts außer der Gegend hier. Aber irgendwann war es mir einfach zu viel hier und ich bin mit ihm gegangen. Es ist so schon manchmal anstregend in einer Gegend zu wohnen in der jeder jeden kennt und etwas über einen zu berichten weiß. Wenn man dann aber auch noch als Dirne arbeiten muss ... du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist. Kaum ein Mann, der dich nicht gehabt hat und kaum eine Frau, die dich nicht mit diesem verachtenden Blick ansieht, weil sie weiß, dass du mit ihrem Mann geschlafen hast ..." murmelte Josephine leise.

Robert war erleichtert, als sie sich doch noch umdrehte und an ihn kuschelte. Er hatte schon befürchtet, sie würde ihm jetzt ewig gram sein. Dabei hatte er es doch nicht böse gemeint.
Sanft strich Robert über ihren Rücken, wieder und wieder.
"Das kann ich verstehen. Aber mach dir keine Sorgen. Jetzt passe ich auf dich auf und kümmere mich um dich. Du wirst nie wieder eine solche Situation erleben müssen."
Er konnte sich wirklich vorstellen, wie schwer es für sie gewesen sein musste. Die Bewohner einer so ländlichen Gegend waren in diesen Fällen nicht gerade gnädig. Eine Dirne in ihrer Mitte hatte es wirklich schwer.
"Du hast jetzt eine bessere Zukunft als sie alle."

Josephine

"Ja, jetzt habe ich dich." murmelte Josephine leise und schlang die Arme um Robert, um ihm näher zu sein. "Und denk nicht so viel über Sébastien nach, ja? Er hat mir etwas bedeutet, weil er mir hier geholfen hat und weil er mich mitgenommen hat, aber ich war nie verliebt in ihn." wiederholte Josephine und gab Robert einen Kuss. "Und ich bin ihm insgeheim heute noch dankbar dafür. Ohne ihn wäre ich nicht hier. Nicht hier bei dir." wisperte sie und legte den Kopf an Roberts Schulter.
Sie lächelte leicht. "Ja, eine bessere Zukunft als ich es für mich je erträumt habe. Für mich und die Kinder ..." Ihr Lächeln vertiefte sich und sie vergrub das Gesicht an Roberts Schulter, damit er es nicht sah. Sie hatte ihm von der Schwangerschaft noch nichts erzählen wollen. Sie wusste, dass er sich während der Reise nur Sorgen machen würde und sie wollte sicher gehen ... aber vielleicht war es ja jetzt doch ein guter Moment?