William und Joanna ~ 1178

"Versuch es damit, Rupert, ich bin sicher, es hilft.", erklärte John noch einmal nachdrücklich, bewusst die vertraulichere Form wählend. Gerade atmete er auf, erleichtert, weil der Alte endlich ging, da wandte dieser sich noch einmal um.
John atmete tief durch und schloss kurz die Augen, dann zwang er sich zu einem freundlichen Lächeln. "Sicher. Kommt vorbei, wenn es nicht besser wird. Aber ich bin sicher, mit dem Mittel werdet Ihr ganz schnell einschlafen und morgen früh ist alles nur noch eine böse Erinnerung. Macht Euch keine Sorgen, vertraut mir. Ich bin sicher, es wird alles gut.", versicherte er dem Alten. Ihn gänzlich abzuweisen brachte er einfach nicht über das Herz.
"Gute Nacht, Master Rupert.", wünschte er und schloss die Tür hinter dem Greis. "Gott sei Dank ist der Kerl weg...", sagte er leise zu seiner Frau.

 

Constance atmete leise aus als der Alte John ebenfalls eine gute Nacht wünschte und sich dann endgültig umwandte und auf den Heimweg machte. Mit gerunzelter Stirn sah Constance zur Tür und wartete bis John wieder bei ihr war. Sie legte die Arme um ihren Mann und gab ihm einen Kuss.
"Der Arme tut mir Leid. Er war ganz blass um die Nase." bemerkte sie und strich John über die Wange. "Hast du wirklich keine Idee, was er haben könnte?" fragte Constance, obwohl sie die Antwort eigentlich schon kannte. Aber Ruperts Anblick hatte ihr Mitgefühl geweckt, der arme Kerl tat ihr Leid, erst Recht, wenn seine Schmerzen tatsächlich nur eingebildet waren. Wie sollte man denn bloß Schmerzen behandeln, die es tatsächlich gar nicht gab?

John ließ sich wieder neben seine Frau sinken und genoss es, dass sie ihn mit ihren Zärtlichkeiten beruhigen wollte. Sie kannten sich inzwischen nur zu genau. Er strich ihr durch die langen Flechten und lächelte ein wenig versonnen, als er sie ansah. Was für ein Glück er doch mit dieser Frau gehabt hatte...
Schließlich schüttelte er den Kopf. "Nein. Ich habe ihn dreimal von Kopf bis Fuß untersucht und nichts Ungewöhnliches feststellen können. Ich habe ihm Mittel gegen Bauchschmerzen gegeben, alles, was mir eingefallen ist, aber er kommt trotzdem immer wieder. Also gehe ich davon aus, dass er sich die Schmerzen ausdenkt oder einbildet. Bei letztem könnte das Mittel helfen, wenn er daran glaubt, dass es hilft. Wir werden sehen...ich hoffe, er taucht heute Nacht nicht noch einmal auf, das hätte mir gerade noch gefehlt. Er strapaziert meine Geduld wirklich. Morgen früh ist er ohnehin wieder quietschfidel."

 

Constance genoss Johns leichte Liebkosung und sein Lächeln jagte ihr einen kleinen Schauer über den Rücken. Wie sehr sie diesen Mann doch liebte, es war immer wieder ein unbeschreibliches Gefühl. Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss und schüttelte dann den Kopf. "Warum um alles in der Welt will jemand freiwillig Schmerzen haben? So wie er aussah, scheinen sie für Rupert ja durchaus real zu sein, er war blass um die Nase. Aber wenn er sich das alles nur ausdenkt ..." Constance dachte einen Moment nach und strich gedankenverloren durch Johns Haar. "Ob er einfach etwas Aufmerksamkeit sucht?" mutmaßte sie dann.
Allerdings hoffte sie auch, dass der Alte heute Nacht nicht noch einmal kommen würde. Heute Abend, in Ordnung, aber mitten in der Nacht, nur weil ihm langweilig war ... nein, darauf konnte sie getrost verzichten.
Ein Lächeln huschte über Constances Lippen und sie strich John über die Brust. "Aber wie wäre es, wenn wir uns jetzt nicht weiter um Rupert kümmern, sondern lieber ins Bett gehen, was meinst du?"

John hob leicht die Schultern. "Ich weiß es auch nicht. Aber der Gedanke, dass er Aufmerksamkeit sucht, ist mir tatsächlich schon gekommen. Sein Sohn un seine Schwiegertochter haben viel zu tun, er kann nicht mehr arbeiten. Sicher wird er sich langweilen und alte Menschen werden manchmal wunderlich, besonders wenn der Ehepartner stirbt."
John legte die Hand auf ihre, überlegte kurz und nickte dann. "Das ist eine ausgezeichnete Idee. Erledigt habe ich alles und wir sollten ihn jetzt vergessen. Morgen früh ist er ohnehin wieder völlig in Ordnung. Unser Bett zusammen mit dir, das ist eine Aussicht, die mir weitaus besser gefällt."
Er erhob sich und lachte leise, hob dann seine Frau hoch, um sie ins Schlafzimmer zu tragen.

 

Constance nickte langsam. "Vielleicht solltest du einmal mit seinem Sohn sprechen, falls Rupert wieder hier auftaucht. Auch wenn er mir Leid tut, wir können nicht auch noch auf einen alten, verwirrten Mann aufpassen nur weil sein Sohn keine Muße hat ihm Zeit zu widmen." entgegnete Constance dann.
Sie lächelte zufrieden als John einwilligte und stieß dann einen leisen Schrei aus als er sie hoch hob, um nach nebenan zu tragen. "John!" rief sie lachend und schlang die Arme um seinen Nacken. "Du scheinst ja voller Tatendrang, mein starker Mann." bemerkte Constance lächelnd und strich ihm zärtlich durch die Haare, schenkte ihm einen verführerischen Blick und rekelte sich dann genüsslich auf dem Bett als er sie darauf niederließ.
"Wie wäre es denn, wenn du mir beweist, dass du noch nicht so alt bist, wie unser guter Rupert?" fragte sie herausfordernd und drehte sich dann auf den Bauch herum. "Du könntest zunächst einmal mein Kleid öffnen." schlug sie mit Unschuldsmiene vor und sah John über die Schulter hinweg an.

John seufzte und stimmte dann zu. "Ja, vielleicht sollte ich das. Das ist eigentlich eine gute Idee. Sein Sohn wird schon eine Idee haben, wie er seinen Vater beschäftigen kann und dann sind wir ihn los."
Er lachte auf, als seine Frau schrie und ließ sie erst auf dem Bett wieder hinab. Constance war so eine anziehende Frau, immer noch. Nie würde er eine andere je lieben können.
"Natürlich bin ich das, bei so einer Frau wie dir." Er beugte sich über sie und schnitt ihr mit einem Kuss das Wort ab. "Von wegen alt.", murmelte er dann und begann ihr Kleid zu öffnen, einzelne Küsse auf ihren Rücken zu hauchen.
Wenn sie ihn so ansah, war das nahezu zum aus der Haut fahren. Diese Frau machte ihn wahnsinnig. Wie sehr er sie doch liebte....

 

Constance erwiderte Johns Kuss und grinste dann. "Dann ist ja gut." erwiderte sie und genoss, wie John sie anschließend von ihrem Kleid befreite. Wie er Zentimeter um Zentimeter ihrer Haut frei legte und Küsse auf ihren Rücken hauchte, die ihr eine wohlige Gänsehaut bescherten und Constance leicht erbeben ließen.
Als ihr Kleid neben dem Bett landete, drehte Constance sich auf die Seite und sah zu John auf, der über ihr kniete. Einen Moment betrachtete sie ihren Gemahl einfach nur voller Wonne, dann streckte sie die Hand aus, ließ die Finger erst durch seine Haare gleiten und strich dann über seine Brust hinab, schob die Hand unter Johns Hemd und liebkoste zärtlich mit den Fingerspitzen seine warme Haut.
"Weißt du was ..." murmelte sie dann und lächelte leicht. "Ich denke, es wäre durchaus an der Zeit, um noch ein Kind zu bekommen, du solltest dir also Mühe geben." erklärte Constance mit einem herausfordernden Funkeln in den Augen.

John genoss es, wie Constances Hand über seine Brust und unter sein Hemd wanderte. Ihre Worte verursachten eine untypische Ungeduld in ihm, er wollte sie haben. Jetzt...
"Keine Bange, ich gebe mir immer ganz besonders viel Mühe bei dir." Er drehte sie auf den Rücken und verschloss ihre Lippen mit einem langen Kuss. "Doch ich finde, ich habe noch zu viel an. Meinst du nicht?"
Seine Hand wanderte genießerisch über ihren in seinen Augen perfekten Körper. Er hatte nie einer Frau nachgesehen, nie hatte ihn eine in Versuchung geführt. Und dann war er Constance begegnet.
"Ich liebe dich..."

 

Constance grinste schelmisch. "Welch eine Ehre." bemerkte sie und ließ sich willig auf die Matratze sinken als John sie herum drehte. Genüsslich erwiderte Constance seinen Kuss, dann lachte sie leise und befreite John ohne ein weiteres Wort von seinem Hemd. Erst als dieses sich zu ihrem Kleid auf dem Boden gesellte, schenkte sie John einen weiteren verführerischen Blick. "Du hast in der Tat Recht." bemerkte sie, doch ehe sie sich an Johns Hose zu schaffen machen konnte, musste Constance inne halten. Sie biss sich auf die Unterlippe, damit noch ja kein Laut über ihre Lippen kam als Johns Hände so zielsicher über ihren Körper wanderten. Constance schloss die Augen und gab sich kurz diesem unglaublich betörenden Gefühl hin, dann hielt sie es keinen Augenblick länger aus.
Sie schlug die Augen wieder auf und sah John mit verklärtem Blick an. "Ich dich auch." hauchte sie und ihre Hände öffneten bereits eilig Johns Hose, um ihn möglichst rasch ganz davon zu befreien. Sie wollte nicht mehr warten, sie konnte nicht mehr warten.

"Wer wird nun ungeduldig?" John lachte heiser und seine Lippen wanderten über ihre Rundungen, folgten dem Weg, den seine Hände zuvor beschritten hatten. Ihre weiche Haut betörte ihn ebenso wie ihr angenehmer Duft nach Minze, der sie immer umgab.
Er ließ sich von ihr von seiner Hose befreien und legte die Hand an ihre Hüfte. Dann schob er ihre Schenkel mit dem Knie ein wenig auseinander und er drang sanft in sie ein. So sehr das Begehren auch in ihm loderte, er wollte ihr um keinen Preis der Welt wehtun. Niemals sollte sie Schmerzen dabei haben, wenn sie mit ihm das Bett teilte.
"Constance...", stöhnte er leise, als er sich zu bewegen begann. "Du bist wirklich ein Wunder..."
Ein Wunder, das nie aufhörte ihn zu faszinieren.

 

Constance lächelte schuldig und wollte gerade etwas sagen, als Johns Lippen über ihre Haut glitten und sie nur noch ein lustvolles Stöhnen hervor brachte. Sie legte die Hände auf Johns Schultern und schloss die Augen. "Herr im Himmel ..." keuchte sie und hatte das Gefühl, dass er sie jetzt bereits um den Verstand bracht. "Nimm mich, John, ich bitte dich." hauchte Constance und gab dem Druck seiner Knie nur zu gerne nach, um John in Empfang zu nehmen.
Bevor sie ihn kennen gelernt hatte, hätte Constance es nie für möglich gehalten, dass sie jemals so bereitwillig mit einem Mann das Bett teilen würde, ja dass sie sich sogar darauf freute. Aber John hatte sie eines Besseren belehrt und ihr gezeigt, wie wundervoll es doch mit ihm sein konnte.
Constance lachte heiser und schlag die Beine um Johns Hüften. "Ein Wunder, dass aber nur mit dir zusammen wirken kann ..." keuchte sie dann.

John lag matt und vollauf zufrieden auf dem Rücken, seine Frau eng an sich gezogen. Er wartete nur darauf, dass ihrer beider Herzschlag sich langsam beruhigte. Doch der Abend hatte eine gänzlich unerwartete Wendung genommen, die ihm sehr gut gefiel. Jetzt würden sie aneinander gekuschelt gleich einschlafen und erst morgen früh erholt erwachen.
"Das war wundervoll, Liebes. Immer wieder...", murmelte er schläfrig. "Genau das Richtige für einen Abend wie diesen."
Seine Hand wanderte zu ihrem Bauch. "Und vielleicht geht dein Wunsch ja auch in Erfüllung." Sie hatten sich immer eine große Familie gewünscht.

 

Constance schmiegte sich eng an ihren Mann und legte den Kopf auf seine Brust. "Mehr als wundervoll." bestätigte sie und lächelte verträumt als Johns Hand zu ihrem Bauch glitt. "Ja, das wäre wundervoll. Ich werde Gott gleich Morgen früh darum bitten ..." murmelte Constance und hauchte John einen Kuss auf die Wange. "Schlaf gut, mein Liebster." wisperte sie und schloss zufrieden die Augen.
Allzu lange sollte ihre Ruhe allerdings nicht anhalten. Constance schreckte hoch, als es laut an ihrer Tür klopfte und eine Stimme gedämpft durch das Holz hindurch drang. Sie konnte die Worte nicht verstehen, doch die Stimme klang seltsam gehetzt.
"Das klingt dringend ..." murmelte sie und fuhr sich über die Augen. "Du solltest besser nachsehen." bat sie John, der unwillig die Augen geöffnet hatte.
Es war nicht das erste Mal, dass mitten in der Nacht jemand zu ihnen kam, doch glücklicherweise passierte es nie allzu oft.

John hatte das Gefühl gerade erst eingeschlummert zu sein, als es heftig an die Tür klopfte. Er stöhnte genervt, als er die Augen aufschlug. Wahrscheinlich war es wieder der alte Rupert, der ihn da um seinen Schlaf brachte. Morgen früh würde er wieder hoffnungslos übernächtigt sein.
"Warum musste ich nochmal unbedingt Arzt werden, Constance?", knurrte er unwillig und quälte sich aus dem Bett. Er stieg in seine Hose und tapste barfuß zur Tür, innerlich fluchend.
Er öffnete die Tür und starrte den Besucher schlaftrunken an.
"Was kann ich für Euch tun? Ich hoffe, es ist wichtig, denn es ist mitten in der Nacht, falls es Euch nicht aufgefallen ist."

 

Constance musste unwillkürlich lächeln und strich ihrem Mann über die Wange. "Weil du einfach der Beste darin bist." erklärte sie leise und gab ihm einen Kuss, ehe John aufstand, um dem Besucher mürrisch die Tür zu öffnen.
Martins Herz schlug ihm bis zum Hals als er Geräusche von drinnen hörte und im nächsten Moment die Tür geöffnet wurde. "Master John ..." murmelte er erleichtert. "Ich ... ich weiß, verzeiht, aber ... aber es geht um meinen Vater. Es geht ihm nicht gut, er ... ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll. Ich bitte Euch, Ihr müsst ihn Euch ansehen." flehte er dann verzweifelt. "Ich weiß, er war schon bei Euch, aber es geht ihm schlechter und ich - bitte, seht ihn Euch an."
Constance hatte sich ihr Nachthemd angezogen und eine Decke um die Schultern gelegt und kam nun mit einer kleinen Kerze in der Hand aus dem Schlafzimmer. Sie stockte als sie den Mann an der Tür erkannte. "Martin ..." murmelte sie und trat hinzu. "Was ist denn los?" Noch nie hatte sie diesen kräftigen, großen Kerl so aufgebracht und nervös erlebt.

John seufzte tief. "Ich habe Euren Vater schon untersucht, Martin. Ich weiß nicht, woher seine Beschwerden kommen und ich habe ihm auch schon an Arznei verordnet, was mir als Lösung einfiel. Ich wüsste nicht, wie ich ihm noch helfen soll.", erklärte er. Aber er wusste, er musste mitkommen. Wenn es Rupert wirklich schlechter ging - woran er nicht glaubte - musste er versuchen ihm zu helfen. Andernfalls konnte er dessen Lügen vielleicht entlarven. Und die Verzweiflung des Mannes konnte er auch nicht einfach abtun.
"Ich werde Euch begleiten, Martin. Keine Sorge. Nur lasst mich erst ein paar Dinge holen." Er drehte sich um und legte Constance kurz die Hand auf die Schulter. "Rupert...", sagte er nur leise und packte seine Tasche, ehe er Hemd und Stiefel anzog um Martin dann zu begleiten.

 

Constance musterte den ungebetenen Besucher aufmerksam und musste zugeben, dass sie den Stallmeister noch nie so aufgelöst gesehen hatte. Martin war ein stämmiger Kerl, den so leicht nichts aus der Ruhe brachte, doch jetzt stand ihm der Schweiß auf der Stirn und er war völlig unruhig.
"Ich weiß und er hat Eure Medizin auch genommen." begann der Stallmeister nervös. "Erst wurde es auch besser, aber dann ... ich bin wach geworden, weil er so gestöhnt hat vor Schmerzen. Und ich glaube er hat Fieber bekommen." berichtete Martin aufgewühlt und nickte ein wenig erleichtert als John einwilligte mitzukommen.
Constance tauschte einen Blick mit John und unterdrückte ein Seufzen. Der Alte machte es ihnen wirklich nicht leicht. Während John seine Sachen holte, legte sie Martin kurz die Hand auf den Arm. "John wird ihn sich ansehen. Macht Euch keine Gedanken, es wird schon werden." redete sie dem Stallmeister gut zu, der sie verzweifelt ansah.
Als John angezogen zurück kehrte, sah Martin ihn gequält an. "Ich danke Euch. Es geht ihm wirklich nicht gut und ich habe doch keine Ahnung von sowas. Ich kann Pferde behandeln, aber keine Menschen ..." erklärte Martin nervös. "Und ... und als er anfing Blut zu husten, dachte ich, ich komme her ..."
Constance starrte den Stallmeister entsetzt an. DAS konnte Rupert nun wirklich nicht mehr schauspielern ...

John lauschte mit halbem Ohr den Erzählungen des Stallmeisters und runzelte alarmiert die Stirn. Das klang in der Tat nicht gut.
Er nahm seine Tasche, gab seiner Frau einen letzten Kuss und folgte Martin hinab ins Dorf. Ruperts Zustand hatte sich seit dem Abend deutlich verschlechtert, musste er feststellen. Er hustete in der Tat Blut und hatte hohes Fieber, von dem John keine Ahnung hatte, woher es so plötzlich kam. Und damit kam auch die grauenvolle Gewissheit, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Er hatte Rupert einfach nicht ernst genommen, dabei ging es ihm diesmal wirklich schlecht-
Die restliche Nacht kämpfte John mit all seinem Wissen und allen Mitteln um Ruperts Leben. Doch kurz vor Sonnenaufgang verlor er diesen Kampf und Rupert tat seinen letzten Atemzug.
Martin machte ihm keinerlei Vorwurf, aber die Vorwürfe, die er sich selbst machte, genügten schon völlig.
Niedergeschlagen und zutiefst schockiert kehrte er nach Hause zurück.

 

Constance hatte sich fester in ihre Decke gehüllt und sich vor das Feuer gesetzt. Sie konnte jetzt unmöglich einfach ins Bett zurück und weiter schlafen, daran war gar nicht zu denken.
Stattdessen kreisten ihre Gedanken um das, was Martin gerade erzählt hatte und sie hoffte inständig, dass John Rupert helfen konnte.
Zwischendurch nickte sie ein wenig ein und schlief etwas, wurde jedoch wieder wach als die Sonne langsam aufzugehen begann. Unruhig blickte Constance zur Tür als würde das etwas daran ändern, dass ihr Gemahl noch nicht zurück war. Ohne groß darüber nachzudenken, ließ sie die Hand zu ihrem Bauch wandern und strich gedankenverloren darüber. Wenn jemand Rupert helfen konnte, dann John. Und wenn er nicht, dann war es nun einmal Gottes Wille, dass der alte Mann sein Leben hier auf Erden beendete.
Schließlich öffnete sich doch die Tür und Constance war im nächsten Moment auf den Beinen und eilte zu John. Sie sah ihm bereits an, wie Ruperts Behandlung verlaufen war und beschleunigte ihre Schritte noch etwas, schlang die Arme um ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Da bist du ja wieder." murmelte sei leise und fragte ganz bewusst nicht nach dem alten Mann. John würde es ihr schon erzählen, sie brauchte ihn nicht drängen.

John fühlte sich wie ein Schlafwandler, als er durch das erwachende Dorf nach Hause lief und überall das Leben um sich herum sah. Wie hatte ihm so eine Fehleinschätzung passieren können nach all den Jahren? Und statt dass er dem Alten geholfen hatte, hatte er sich mit Constance vergnügt.
Aschfahl im Gesicht öffnete er die Tür und Constance kam ihm direkt entgegen um ihn zu begrüßen. Er achtete nicht viel auf sie, sondern machte sich los, um am Tisch erst einmal zwei Becher Wein hinunter zu stürzen, um das alles zu verdauen.
"Er ist tot...ich konnte nichts mehr für ihn tun und das nur, weil ich ihm unterstellt habe, er denkt sich seine Schmerzen aus! Das ist unverzeihlich...."

 

Constance hatte einige Reaktionen erwartet, aber dass John sich von ihr losmachte und stattdessen lieber im Eiltempo zwei Becher Wein leerte, hatte nicht dazu gehört und es versetzte ihr ungewollt einen Stich als sie nun unsinnig vor der Tür stand und ihm beim Trinken zusah.
Constance atmete leise aus und schloss die Tür, ging zum Tisch hinüber, beginn aber nicht noch einmal den Fehler John in die Arme schließen zu wollen, sondern setzte sich einfach ihm gegenüber. Als er schließlich redete, atmete sie leise aus, sie es sich schon denken können als er herein kam. Dann jedoch schüttelte Constance entschlossen den Kopf. "Red dir das ja nicht ein!" mahnte sie dann. "Du hast ihn drei Mal untersucht, John. Drei Mal! Und es war nichts zu finden gewesen. Du hättest auch nichts gefunden, wenn du ihn noch ein viertes Mal untersucht hättest, als er hergekommen ist. Du hast getan, was du konntest, John. Es ist tragisch, aber nicht deine Schuld!"
Es mochte nicht rühmlich gewesen sein, dass er - nein, sie beide ja, wenn war sie ebenfalls beteiligt - vermutet hatte, Rupert denke sich seine Schmerzen nur aus, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass John keine Ursachen für die Schmerzen hatte finden können.

John stellte den Becher zur Seite und verschränkte die Arme vor der Brust. Er wusste, dass Constance verletzt war, weil er sie abgewiesen hatte, aber er konnte es jetzt nicht ertragen von ihr in die Arme genommen zu werden.
"Das habe ich, Constance, aber das ist schon Tage her. Ich hätte heute etwas gefunden, wenn ich ihm geglaubt hätte! Aber ich habe mich davon leiten lassen, dass ich keine Lust hatte mich wieder mit ihm auseinander zu setzen. Es ist meine Schuld! Vielleicht hätte ich ihn retten können, wenn ich ihn mir früher angesehen hätte. Er hat wirklich grauenvoll gelitten, das hat er nicht verdient. Und ich habe auch noch schlecht über ihn gesprochen."
Diese Schuld fand er wirklich unerträglich. Er hatte Rupert letztlich nur noch ein starkes Schmerzmittel geben können, damit der Alte halbwegs friedlich einschlafen konnte.

 

Constance schüttelte den Kopf. "Vielleicht hättest du etwas gefunden, vielleicht aber auch nicht. John, dass er gestorben ist, ist nicht deine Schuld! Du kannst dir vorwerfen, dass du zu Unrecht schlecht über ihn gesprochen hast, aber du bist nicht Schuld an seinem Tod. Ohne dich wäre er auch gestorben und kein andere hätte ihm helfen können." erwiderte Constance eindringlich.
Schließlich stand Constance nun doch auf und trat vor ihren Mann, legte die Hand an seine Wange. "Quäl dich nicht unnötig damit." murmelte sie leise. "Ich habe doch auch nicht gedacht, dass er wirklich etwas hat ... ich habe dir noch dazu geraten mit Martin zu sprechen, damit er uns Rupert vom Hals hält. Wie hättest du ahnen sollen, dass es ausgerechnet heute so schlimm wird?"

John konnte die Auffassung nicht teilen. "Es war meine Pflicht ihn ernst zu nehmen, Constance. Meine Pflicht als Arzt, wie dürfte ich mich sonst denn so nennen? Ich sollte für alle Kranken da sein, ob ich nun will oder nicht. Woher willst du wissen, dass er ohne mich auch gestorben wäre? Ich hätte ihm nur früher helfen müssen, dann hätte er die Nacht vielleicht überlebt."
Auch, wenn Martin ihm keinen Vorwurf machte, er selbst konnte gar nicht anders.
Als Constance die Hand an seine Wange legte, schaute er sie voller Verzweiflung an. "Ich hätte ihm einfach glauben müssen, Constance. Schließlich hat er mir vertraut."