William und Joanna ~ 1170

"Ich mache es mir leicht?" wiederholte er fast etwas ungläubig. "Was sollte ich denn deiner Meinung nach tun, damit ich es mir nicht leicht mache? Treffe ich eine Entscheidung, bin ich der Böse, weil ich sie ohne dich getroffen habe. Mache ich einen Vorschlag, bin ich ebenfalls der Böse, weil ich es mir zu leicht mache." William machte einen Schritt zurück und breitetet die Arme ein wenig aus. "Weißt du, ich versuche wirklich dir entgegen zu kommen. Ich weiß, dass ich eine Menge Fehler gemacht habe und ich bin auch noch immer nicht so perfekt, dass mir keine mehr passieren. Aber Teufel nochmal, wie soll ich es dir bitte recht machen? Egal wie ich mich verhalte, scheint es dir in Dingen in denen wir nicht direkt einer Meinung sind, sowieso nie recht zu sein."
William schüttelte den Kopf und seufzte leise.
"Weißt du was, ich suche ihm ein Schiff, dass ihn auf einer anderen Route übersetzt, dann finde ich vielleicht auch eins, das einen Hafen anfährt, der dichter an seinem zu Hause ist. Und dann ist gut, ich bin es leid." damit wandte William sich ab, um den Raum wieder zu verlassen.
Dieses Mal hatte er gedacht, es wäre der richtige Weg mit Joanna über diese Überlegung direkt zu sprechen, aber auch das schien wieder nicht richtig gewesen zu sein.

"Darum geht es überhaupt nicht! Du tust so, als würde ich den Jungen einfach aus einer Laune heraus hassen, dabei weißt du genau, dass das nicht wahr ist. Ich versuche wirklich mir Mühe zu geben, aber ich kann ihn einfach nicht so behandeln wie jedes andere Kind auch. Außerdem geht es auch nicht darum, dass du einen Vorschlag gemacht hast! Aber immer, wenn ich deine Vorschläge nicht freudestrahlend annehme, wirst du so gereizt und wirfst mir vor, man könne es mir ja gar nicht recht machen! Wo ist denn dein Problem? Ich habe doch gesagt, nimm ihn mit und damit hat sich die Sache. Ich komme dir doch entgegen. Das ist doch genau das, was du wolltest. Was denn noch?"
Joanna hielt in ihrer Tätigkeit inne und seufzte.
"Jetzt lauf doch nicht weg! Meine Güte...ich habe doch gesagt, es ist gut. Er kann mit uns kommen, du bringst ihn nach Hause und musst nicht noch ein anderes Schiff suchen. Abgesehen davon wollten wir in zwei Tagen los, so schnell findest du keine andere Passage für ihn. Jetzt sei doch nicht so. Nur weil es mich nicht gerade begeistert."

"Das tue ich nicht. Und keine Sorge, ich weiß wirklich nur zu gut, wieso du ihn nicht leiden kannst, das rufst du mir ja regelmäßig sehr lebhaft ins Gedächtnis, sobald sein Name fällt." erwiderte er gereizt. "Und mein Problem ist, dass du mir ständig vorwirfst, und wenn nur indirekt, dass ich dich erpressen würde."
Als Joanna dann ein wenig einlenkte, hielt William mit der Hand auf dem Türknauf inne und drehte sich langsam wieder um. "Es geht mir nicht darum, ob du es freudestrahlend machst oder nicht. Es geht mir um ein ganz anderes Prinzip, aber lassen wir das.
Wenn es wirklich erträglich für dich ist, dass er mit kommt, würde ich dann jetzt die Vorbereitungen dafür treffen."

Das tust du doch auch..., dachte Joanna, beschloss aber, das Ganze nicht weiter zu vertiefen und schon gar nicht auszusprechen. Das hätte nur wieder Ärger gegeben. Sie wollte nicht, dass er wieder sauer auf sie war und wieder Streit zwischen ihnen aufkam. Sie hoffte, dass es besser werden würde, wenn Philippe endlich wieder bei seiner Mutter war und kein Streitpotenzial mehr bot.
"Ja, was soll ich denn machen? Es ist doch nunmal so und ich kann nicht einfach den Mund halten, so bin ich nicht. Und das werfe ich dir auch gar nicht vor."
Joanna sah ihn an und ihre Augen verengten sich leicht. "Ja. Triff die Vorbereitungen dafür. Ich sagte schon, dass er mitkommen kann. Ich ändere meine Meinung normalerweise nicht innerhalb von zwei Sekunden."
Wie sie es doch hasste, mit ihm uneins zu sein. Dann fühlte sie sich immer unvollkommen, sie brauchte ihn doch....Ohne William war es nicht dasselbe.

William fuhr sich ein wenig erschöpft über die Augen. Die letzten Tage forderten auch von ihm einen hohen Preis, ohne Zweifel. "Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir das klären können ohne wieder aneinander zu geraten. Deshalb bin ich her gekommen. Weil ich dich nicht vor vollendete Tatsachen stellen wollte." bemerkte er und schluckte im letzten Moment hinunter, dass er sich das aber augenscheinlich auch hätte sparen können.
Die Reaktion von Joanna wäre immerhin die gleiche gewesen, egal ob er alleine entschieden hätte oder nicht, sie hätten sich ohnehin gestritten einfach nur, weil es um Philippe ging.

Drei Tage später waren sie tatsächlich auf dem Schiff unterwegs in die Normandie. Philippe war ebenfalls mit dabei und Joanna hatte mit William nicht mehr darüber gesprochen. Es war alles dazu gesagt. Ihr gefiel es nicht, aber ihm zuliebe nahm sie es einfach hin. Es war nicht so, dass sie etwas gegen den Jungen an sich hatte. Nur gegen das, dessen Folge er war. Es war einfach nicht schön, wenn sie darüber nachdenken musste und immer vor Augen geführt bekam, dass ihr Mann früher alles Andere als treu gewesen war....auch, wenn er verheiratet war. Auch, wenn er ihr schon zuvor gesagt hatte, wie sehr er sie liebte. Es verletzte sie, auch wenn sie wusste, dass sie kein Anrecht darauf hatte. Es war einfach so...
Sie hatten diesmal zu Joannas Leidwesen ein wenig heftigeren Wellengang und sie kämpfte immer wieder einmal gegen die aufkommende Übelkeit an, die ihr das heftige Schaukeln des Schiffes verursachte.
Gerade hatte das Stärkste nachgelassen und darum wollte sie kurz an Deck an die frische Luft gehen. Vielleicht würde das ihren Magen ein bisschen beruhigen.
Und dann sah sie Philippe da sitzen...

Philippe

Philippe war erst einmal in seinem Leben auf einem Schiff gewesen und das war als er mit seiner Mutter nach Cornwall übergesetzt hatte - bei deutlich besserem Wetter als diesem. Jetzt schaukelte das Schiff teilweise sehr beträchtlich, ein Umstand, der nicht gerade dazu beitrug, dass Philippe sich wohl fühlte. Ihm war zwar ein wenig flau im Magen, doch nicht völlig übel, aber viel schlimmer war die Angst.
Und das durfte er doch niemandem erzählen! Er hatte schon überlegt, ob er zu seinem Vater gehen sollte, der neben dem Kapitän stand und mit diesem die weitere Route diskutierte, doch was sollte dieser nur von ihm halten, wenn er beim ersten rauen Seegang zitternd wie ein Mädchen zu ihm gerannt kam? Nein, das ging nicht!
Also hatte er sich an Deck auf den Boden gesetzt, mit dem Rücken an die Reeling gelehnt und die Arme fest um die Beine geschlungen ... vielleicht würde es ja bald wieder aufhören.

Joanna hatte sich eigentlich sofort wieder abwenden wollen, als sie den Jungen entdeckt hatte, aber inzwischen hatte sie so viel Erfahrung mit Kindern, dass sie Philippe ansah, wie unwohl er sich fühlte. Dass er sich ein wenig fürchtete. Und genau das rührte schließlich doch ihr Mutterherz.
Sie verfluchte sich und vor allem ihre schwangerschaftsbedingten Hormone, aber sie konnte einfach nicht gehen. Dieses einsame, ängstliche Kind weckte ihren Beschützerinstinkt mit ganzer Kraft und deshalb konnte sie gar nicht anders, als zu Philippe hinüber zu gehen und sich ein bisschen umständlich in die Hocke sinken zu lassen.
"Ist alles in Ordnung, Philippe? Geht es dir gut?", fragte sie besorgt. "Willst du nicht vielleicht lieber mit hinunter kommen? Dort ist es nicht ganz so windig."
Joanna wusste nicht so recht, wie Philippe auf sie reagieren würde, aber jetzt war er einfach nur ein Kind, das Gesellschaft brauchen konnte.

Philippe

Philippe zuckte leicht zusammen als er die Stimme der Lady Cornwall vernahm - noch zu gut erinnerte er sich an ihre aller erste Begegnung und seit dem hatte sie ihn stets mit abweisenden Blicken gestraft, wenn sie sich einmal begegnet waren. Die Lady hatte keinen Hehl darauf gemacht, dass sie ihn nicht leiden konnte, umso verwirrter war Philippe als sie sich plötzlich nach ihm erkundigte.
"Nein, es geht schon hier oben. Es ist alles in Ordnung, Mylady." erwiderte er dann ein wenig zurück haltend und hoffte, dass sie es dabei belassen würde. Er wollte vor ihr keine Schwäche zeigen, denn was sie dann von ihm hielt stand außer Frage. Und wenn sie ihn schon nicht leiden konnte, dann sollte sie ihn wenigstens nicht auch noch für einen Feigling halten.

"Bist du sicher? Es ist kühl hier oben und das Schiff schwankt viel mehr." Joanna wusste genau, dass sie sich nicht gerade so verhalten hatte, dass er Vertrauen zu ihr gewinnen konnte. Und es tat ihr auch leid, dass sie nicht über ihren Schatten zu springen vermochte, aber das fiel ihr so schwer, so sehr wie sie Begegnung mit seiner Mutter aus der Fassung gebracht hatte. Es war schwer für sie, dass Philippe Williams Sohn war. Mit einer anderen Frau. Einer Fremden...
"Komm schon, du musst hier niemandem etwas beweisen. Ich weiß, dass das heute nicht gerade beste Bedingungen für eine Schiffsreise sind." Und oft konnte er noch nicht auf einem Schiff gewesen sein.
"Ich bin noch nicht so oft über das Meer gereist. Aber so heftigen Wellengang wie heute habe ich noch nicht überstehen müssen. Nicht so angenehm, wenn man ständig gegen die Übelkeit kämpfen muss. Ich bin froh, wenn wir wieder festen Boden erreichen.", begann sie schließlich zu erzählen. Vielleicht würde er ja weniger abweisend reagieren, wenn sie das Ganze ein wenig auflockerte.
"Freust du dich auf Zuhause?"

Philippe

Philippe presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. "Unten ist es stickig." erklärte er dann, was zwar nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber ihm war das Verhalten der Lady nicht gerade geheuer.
Dann nickte er jedoch, ehe ihm bewusst wurde, dass er gerade in ihre kleine Falle tappte. "Sehr sogar! Ich habe Mutter noch nie so lange alleine gelassen, ich hoffe sie kommt mit allem zurecht." erzählte er und wirkte dabei etwas besorgt. Solange er denken konnte, hatte er seiner Mutter immer bei allem geholfen so gut er konnte. Und je älter er wurde, desto verantwortungsbewusster wurde Philippe. Auch passte er immer auf seine kleinen Geschwister auf, damit seine Mutter nicht die ganze Arbeit hatte.

"Nur ein bisschen...es ist auszuhalten.", erwiderte Joanna mit einem leichten Lächeln. "Besser, als hier oben nass zu werden und zu frieren." Eines stand jedenfalls fest, der Junge liebte seine Mutter sehr und er hatte gelernt Verantwortung zu übernehmen. Dabei war er so jung...er sollte noch ein wenig Kind sein dürfen...
Mit einem Mal hatte Joanna Mitleid mit Philippe. Wie er wohl zurecht kam als unehelicher Sohn eines Earls?
"Ich bin sicher, das wird sie. Du warst ja nicht allzu lange von Zuhause weg, sie wird auch mal ohne dich auskommen. Hat sie keinen Mann, der sie in manchen Dingen unterstützt?"
Sie seufzte und ließ sich dann ein bisschen ungelenk neben dem Jungen nieder, da ihr die Hocke langsam zu anstrengend wurde. Es war zwar nicht sehr gemütlich hier, aber sie hatte ein untrügliches Gefühl, dass Philippe einsam war und sich hier gerade ein wenig fürchtete. Und sie hatte ihn schon erfolgreich ein bisschen abgelenkt.

Philippe

Philippe schüttelte erneut kurz den Kopf. "So kalt ist es gar nicht, Mylady." versuchte er sie zu überzeugen, was jedoch recht misslang, da er selbst durchaus ein wenig fror.
Dann biss er sich kurz auf die Unterlippe. "Nein, Mylady, hat sie nicht mehr." erklärte er den. Der Vater von Philippes Geschwistern hatte sie vor einiger Zeit sitzen lassen und war bei Nacht und Nebel verschwunden. Und da er Philippes Mutter nicht zur Frau genommen hatte, gab es für sie auch keine Möglichkeit, dass ihr irgendwer verriet, wo hin er verschwunden war.
"Der Bürgermeister kommt hin und wieder vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und etwas zu helfen, aber viel Zeit hat er meist nicht." erklärte Philippe etwas zögerlich.

Joanna seufzte leise. Sie sah dem Jungen an, dass er fror, aber offenbar hatte er auch Williams Stolz geerbt und der verbot ihm natürlich das zuzugeben. Wenn sie ihn drängte, würde das auch nicht weiterhelfen.
"Hast du deinem Vater davon erzählt, dass ihr ganz allein seid?", fragte Joanna dann nach. Sie konnte sich gut vorstellen, welche Gegenleistung dieser Bürgermeister gern haben wolte für seine Hilfe. Es schockierte sie, wie der Junge aufwuchs. Welche Last er schon zu tragen hatte."Ich bin sicher, deine Mutter ist sehr stolz auf dich, Philippe.", versuchte sie ihn aufzumuntern und ein wenig aus der Reserve zu locken.
Sie bemerkte seine Unruhe und legte vorsichtig die Hand auf seine Schulter."Fürchtest du dich? Du brauchst keine Angst zu haben, du bist nicht allein."

Philippe

Philippe zögerte einen Moment, schüttelte dann aber den Kopf. "Mutter will nicht, dass ich ihm davon erzähle ... sie will keine Almosen von ihm haben." erklärte er dann langsam. Eigentlich hätte er das nicht einmal erzählen sollen, aber nun war es ohnehin zu spät.
Im nächsten Augenblick wurde er ein klein wenig rot und zuckte verlegen mit den Schulter. "Ich helfe doch nur so gut ich kann." erwiderte er dann ein wenig schüchtern. Mit einem solchen Lob hatte er nicht unbedingt gerechnet.
Aber genau damit hatte sie einen kleinen Zugang zu ihm gefunden und er biss sich leicht auf die Lippen ehe er zögerlich nickte. "Ein bisschen ... aber wirklich nur ein bisschen!"

"Und sie schweigt lieber aus Stolz als für euch um Hilfe zu bitten?" Joanna konnte das nicht so recht verstehen, nahm sich aber vor, mit William darüber zu sprechen. Claires Ruf Zuhause würde der einer Hure sein und darunter würden letztlich die Kinder leiden. Das würde ihre Chancen in der Zukunft doch sehr schmälern.
Daran musste sie etwas ändern. Sie würde es schon so anstellen, dass es nicht wie Almosen aussah. "Wir bekommen das schon hin irgendwie...du wirst sehen. Ich glaube nicht, dass William dich jetzt einfach vergessen wird, wenn du wieder Zuhause bist. Vertrau mir, ich kenne ihn inzwischen wirklich gut."
Joanna lächelte. "Und für jemanden, der so jung ist wie du, ist das eine beachtliche Leistung. Ich bin sicher, dass sie froh ist, dass sie dich hat." Sie war schließlich doch überrascht, als er zugab, dass er sich fürchtete und sich ihr so anvertraute. Fürsorglich strich sie ihm über den Rücken. "Willst du nicht doch mit mir reinkommen? Beatrice und Richard sind auch dort. Dort ist es angenehmer als hier und du brauchst dich nicht mehr zu fürchten."
Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und stand auf, um ihm die Hand hinzuhalten.

Philippe

Philippe knirschte mit den Zähnen und schüttelte den Kopf. "Wir brauchen keine Hilfe!" erklärte er entschlossen. "Ich bin immerhin schon bald groß genug, um alles für uns zu machen, was ein Mann nun einmal zu regeln hat. Wir kommen gut zurecht!" verteidigte er seine Mutter, da Philippe das Gefühl hatte, seine Worte hätten ein schlechtes Licht auf sie geworfen. Dabei war sie doch die beste Mutter der Welt!
"Ich bin doch gar nicht mehr so jung." protestierte Philippe leise, gab dann jedoch nach und griff nach Joannas Hand, um sich aufhelfen zu lassen. "Ist es unten wärmer?" fragte er dann zögerlich und kam sich dabei ein wenig dumm vor, aber er hatte sich seit Beginn der Reise nur zum Schlafen nach unten gewagt und wusste nicht, wie es tagsüber dort unten war.

Joanna schüttelte den Kopf. "Ich weiß. Aber man muss es sich doch nicht schwerer machen, als nötig, oder? Ich bin sicher, dass ihr gut auskommt. Das war doch kein Angriff...Und du bist jung. " Sie lächelte. "Im Vergleich zu mir zum Beispiel. Meinst du nicht? Du hast dein Leben noch vor dir, du kannst noch viel sehen."
Sie registrierte zufrieden, dass er ihre Hand nahm und aufstand. Das war ein guter Fortschritt, offenbar hatte sie wirklich einen Zugang zu ihm gefunden.
"Ja, ist es. Dort kommt der Wind nicht so hinein, weißt du. Das macht es angenehmer. Und nass wird man auch nicht. Lass uns rein gehen." Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und setzte sich in Bewegung. "Du wirst schon sehen, gleich musst du nicht mehr frieren. Außerdem ist es allein auf dem Deck doch sehr langweilig."

Philippe

"Aber Ihr seid doch noch nicht alt!" erwiderte Philippe fast ein klein wenig schockiert über Joannas Vergleich. Keine Frage, sie war älter als er, aber so alt doch auch noch nicht ...
Fast wäre er zusammen gezuckt als sie die Hand auf seine Schulter legte, doch im letzten Moment konnte er sich zusammen reißen und nickte stattdessen. "Das hört sich gut an." erwiderte er dann und lächelte leicht. Es tat gut sich nicht mehr so vor der Frau seines Vaters in Acht nehmen zu müssen. Bisher hatte er vor ihr regelrecht Angst gehabt, weil sie ihn so fürchterlich angefahren hatte. Das war auch mit ein Grund gewesen wieso er sich nicht unter Deck getraut hatte.

Joanna lachte leise. "Wie charmant von dir, das ist sehr nett." Sie kam mit dem Jungen besser aus, als sie gedacht hatte, besonders wenn sie einfach zur Seite schob, dass er Williams Affäre mit dieser Claire entstammte. Der Junge war ja wirklich nett und er hatte einen angenehmen Charakter. Dass er seine Mutter schützte, war sehr liebenswert. Aber Joanna war trotzdem der Meinung, dass William irgendetwas für Philippe und seine Geschwister tun sollte. Sie sollten ein bisschen Kind sein können. Philippe konnte einfach seinen Geschwistern den Vater nicht ersetzen. Und seiner Mutter nicht den Mann.
"Das ist es auch. Vielleicht willst du auch etwas essen, wie du willst. Wir werden hoffentlich nicht mehr so lange unterwegs sein. Ich bin ausgesprochen froh, wenn wir in der Normandie ankommen und endlich wieder ein festes Dach über dem Kopf haben."
Gerade jetzt in ihrem Zustand wurde ihr noch leichter übel und sie fand das alles ausgesprochen anstrengend.
Nun, immerhin William würde sich freuen, dass sie sich mit Philippe arrangierte.

William war zufrieden mit dem Kurs, den der Kapitän vor hatte einzuschlagen und machte sich nun wieder auf den Weg unter Deck, da es hier oben gerade mehr als ungemütlich wurde.
Was er dann jedoch schon von weiter weg sah, ließ ihn inne halten. Joanna war bei Philippe und es sah nicht aus als hätte sie mit dem Jungen geschimpft, im Gegenteil, sie hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt und lächelte ... William blieb stehen und blinzelte irritiert. Sah er gerade richtig? Das war wirklich mehr als erstaunlich.
Langsam ging er weiter, um den beiden zu folgen, die sich ebenfalls unter Deck begaben, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Es wäre ihnen allen einiges erspart geblieben, wenn Joanna ihre Zuneigung zu dem Jungen eher entdeckt hätte, doch besser spät als nie.

Joanna war ganz froh, dass sie erst einmal einigem Streitpotenzial durch ihre Annäherung an Philippe aus dem Weg ging. Es war angenehmer so und deshalb beließ sie es auch dabei, nicht weiter mit dem Jungen zu diskutieren.
Als sie unten ankamen und der Junge sich zögerlich zu Beatrice und Richard gesellte, ließ auch Lady Cornwall sich auf einen Stuhl sinken. Sie wusste, dass William bald kommen würde. Er würde ihr kaum glauben, dass sie mit Philippe gesprochen hatte und wie einig das Gespräch doch verloren war. Das war ein deutlicher Fortschritt...er würde seinen Augen kaum trauen.
Joanna seufzte zufrieden und legte beiläufig die Hand auf ihren Bauch. Dann hörte sie Schritte die Treppe hinunter kommen und wusste sofort, dass William folgte.
Vielleicht hatte er ja ein bisschen Zeit für sie. Es war unangenehm und sie hätte auch gerne mit ihm geredet. Wenigstens saß der Junge nicht mehr allein in der Kälte.

Als William Joanna entdeckte, ging er direkt zu ihnen hinüber und sank neben ihr in die Hocke. "Na, haben meine Augen mich da getäuscht oder hast du tatsächlich mit Philippe gesprochen?" fragte er dann mit etwas gedämpfter Stimme, während er ihre Hand ergriff.
"Wenn das wahr sein sollte, muss ich vielleicht John bescheid sagen, was meinst du?" neckte er sie liebevoll und gab ihr dann einen Kuss. Er wusste zwar nicht, was sie dazu bewogen hatte, doch sie war mehr als froh, dass Joanna zu dem Jungen wenigsten ein bisschen freundlichen Kontakt hatte und ihn nicht gänzlich abwies.

Joanna grinste, als er neben ihr in die Hocke ging und erst einmal nachfragte. Sie hatte genau gewusst, dass er fragen würde. "Nein, deine Augen haben dich nicht getäuscht. Aber warum solltest du John Bescheid sagen? Krank bin ich deshalb doch nicht."
Sie erwiderte seinen Kuss und wurde dann ernst.
"Er saß einsam, frierend und sich fürchtend an der Reling, da kann ich ihn doch nicht sitzen lassen, William. Er tat mir wahnsinnig leid. Und es hat eben gedauert, bis er mir weit genug vertraute um mit mir zu kommen."
Sie legte den Kopf zur Seite und warf einen Blick hinüber zu Philippe.
"Er trägt zu viel Verantwortung Zuhause. Seine Mutter hat keinen Mann und alles fällt auf ihn, weil er ihr so gut wie möglich helfen will. Dabei sollte er noch Kind sein dürfen. Sie wollen dich nicht um Hilfe bitten, weil Claire zu stolz ist. Sie will keine Almosen von dir."; erzählte sie leise, sodass Philippe es nicht mitbekam, wie er so mit Beatrice sprach.
"Aber vielleicht kannst du ihnen trotzdem helfen. Ohne dass es so aussieht..."

William grinste frech und legte eine Hand auf Joannas Stirn. "Bist du dir sicher?" scherzte er und gab ihr einen weiteren Kuss, ehe er sie nachdenklich ansah.
William nickte langsam und fuhr sich mit der Hand über das Kinn. "Das könnte schwierig werden. Es wird auffallen, wenn ich ihr mehr Gold zukommen lasse als der Junge es nun bei sich hat. Und dann wird man zweifelsohne Fragen stellen. Und du weißt, wo das hin führt ..."
William hätte selbst kein Problem damit, den Jungen als seinen Sohn anzuerkennen, allerdings war das nichts, was er alleine entscheiden konnte. "Ich würde ihnen gerne helfen, wenn ich kann. Nur weiß ich noch keine Möglichkeit, wie das anstellen könnte."