William und Joanna ~ 1170

"Und hast du vielleicht schon einmal darüber nachgedacht, weshalb ich bald mehr bei ihm als bei dir bin? Im Gegensatz zu dir muss ich mir von Owen nicht ständig anhören, was für einen schlechten Einfluss du auf mich hast. Im Gegenteil." erwiderte Constance trocken.
Im nächsten Moment wurde sie blass und sie verschränkte die Arme vor ihrem Körper - zum einen, um abweisend zu wirken, zum anderen, um sich vor dem zu schützen, was Johns Worte anrichteten.
"Mittlerweile habe ich in der Tat das Gefühl, dich nicht mehr richtig zu kennen." erwiderte sie leise. "Wo sind deine Versprechungen hin, dass du mir in dieser Sache beistehst, dass du Dingen, die mir helfen nicht im Weg stehen willst? Und jetzt, jetzt wo ich den größten Teil meiner Buße hinter mich gebracht habe und das Ganze ohnehin bald ein Ende hat ... jetzt fängst du so an? Manchmal erkenne ich dich wirklich nicht mehr, John."

"Weil Owen dir genau das sagt, was du hören willst! Ich traue ihm nicht, Constance, und das wusstest du von Anfang an. Was glaubst du denn, wie ich mich fühle? Jeden Tag verbringst du Stunden mit dem einzigen Mann, den ich liebend gern aus Cornwall fort gehen sehen würde. Denkst du, es gefällt mir, dass er dafür sorgt, dass ich dich kaum noch zu Gesicht bekomme? Dass wir uns in dieser Zeit auch noch ständig streiten? Du erwartest von mir, dass ich bedingungslos hinter dir stehe, aber du stehst nicht hinter mir! Du tust immer so, als wäre es eine Laune von mir, dass ich ihn nicht mag."
John schnaubte spöttisch. "Meine Versprechen, Constance, habe ich ernst gemeint. Allerdings machst du es mir unmöglich sie einzuhalten. Ich muss mir ständig dein Loblied über den unfehlbaren Owen anhören und jedes Wort der Kritik fasst du gleich als persönlichen Angriff auf und wer ist dann der Böse? Ich! Wie soll ich dir beistehen, wenn ich in der kurzen Zeit, die wir zusammen haben, jedes Wort auf die Goldwaage legen muss, bevor ich es ausspreche? Du stellst dir das sehr einfach vor. Als wäre ich unendlich belastbar. Du sagst immer, dass er ja so für dich da ist, dass er dir ja so beisteht. Meinst du, ich fühle mich nicht manchmal zurückgesetzt? Vor allem dann, wenn du wieder so begeistert von ihm bist und ich allein bin mit meiner Abneigung? Manchmal hört es sich so an, als wärst du mit ihm verheiratet und nicht mit mir! Ich würde wirklich alles für dich tun...alles. Aber von dir höre ich immer nur Vorwürfe. Ich kann nicht einmal mehr irgendetwas sagen, was nicht belanglos ist, ohne dass du mich gleich angehst, weil ich vielleicht nicht ganz so begeistert von deiner Buße bin wie du. Ich kann es dir einfach nicht Recht machen, Constance. Egal, was ich tue...Und nun, nun bin auch ich wieder Schuld, weil ich mich so verändert haben soll, dass du mich nicht mehr kennst. Vielleicht sollte ich dich einfach ganz in Ruhe lassen und nichts mehr sagen. Ist dir das vielleicht recht? Meine Güte, ich liebe dich mehr als alles Andere und nur weil ich Priester war, glaubst du scheinbar, es wäre mir egal, wenn ein anderer Mann dir schwärmerisch nachsieht. Das ist es aber nicht! Nur dass du mir unterstellst, ich würde lügen...das ist wirklich die Krönung. Du vertraust mir ja offenbar gar nicht mehr. Und das tut mir wirklich weh..."

"Es ist nicht seine Schuld, dass wir uns streiten ... das Problem liegt ganz allein bei uns." entgegnete Constance dann und hatte bewusst uns und nicht dir gesagt.
Constance fuhr sich mit leicht zitternder Hand über die Lippen. Ein Streit mit John zerrte unglaublich an ihren Nerven. Besonders, da sie durch ihre Buße auch nicht beständig ausgeglichen war. Vierzig Tage Fasten hinter ließen auch bei ihr Spuren und sie hatte einfach keine Kraft mehr sich mit John auf diese Art und Weise auseinander zu setzen.
"Wenn du auch nur ahnen würdest, wie ähnlich du deinem Bruder klingst, wenn wir uns streiten." murmelte sie dann und sah John bedrückt an. Robin und John hatten in ihrem Aussehen kaum Gemeinsamkeiten, doch hin und wieder ähnelten sich ihre Stimmen ... besonders wenn John wütend wurde. Und das machte es für Constance noch schwerer zu ertragen, wenn sie aneinander gerieten.
"Nein, das möchte ich nicht, da ich den Mann, den ich liebe nicht verlieren will. Aber vielleicht wäre es ganz gut, wenn ich alleine zu Cathie gehe, um sie zu holen und du einfach deinen Spaziergang alleine fortsetzt."

"Es war klar, dass du das sagen würdest.", erwiderte John kühl. "Owen ist nie an irgendetwas Schuld. Du findest immer eine Ausrede für ihn, in jeder Situation. Und mich, mich willst du nicht einmal mehr verstehen. Ist er für dich da, wenn du wieder schreiend aus Albträumen aufwachst? Ist er da, wenn die Vergangenheit dich überkommt? Nein! Das bin ich! Und trotzdem scheint er dir momentan wichtiger zu sein als ich."
Er schnappte nach Luft, als sie ihn zuerst mit seinem Bruder verglich und dann auch noch allein hier lassen wollte.
"Du weißt ganz genau, dass ich nie so sein werde wie mein Bruder. Es ist nicht fair mir so etwas vorzuwerfen!"
Er sollte Rücksicht nehmen. Wieder. Wie immer. Doch sie nahm auf ihn auch keine Rücksicht.
"Dann geh! Lass mich doch einfach hier stehen, Constance. Auf mich scheinst du im Moment ja sowieso nicht allzu viel Wert zu legen. Du ziehst Owens Gesellschaft ja vor. Geh nur und erzähl ihm, was für ein schlechter Ehemann ich doch bin, dass ich es wage dich an meinen Bruder zu erinnern, dass ich nicht mehr einfach nur herumsitzen will und oft nicht weiß, wo du bist. Dass ich es wage Zweifel an ihm zu haben. Wenn du irgendwann wieder da bist, werde ich es schon mitbekommen."
John schüttelte den Kopf und wandte sich dann seinerseits ab.
"Das ist sinnlos! Du verstehst mich so oder so nicht. Du willst mich nicht verstehen. Also kann ich auch gehen..." Und er fühlte sich miserabler als jemals zuvor. Ob er jetzt noch William belästigen konnte? Wohl eher nicht....aber er hatte es doch angeboten....Und John hatte das Gefühl gleich den Verstand zu verlieren, wenn er mit niemandem sprechen konnte. Der Streit - heftiger als je zuvor - nahm ihn doch sehr mit und er hatte keine Ahnung, wie sich das wieder einrenken sollte."

"Ich wollte dir das nicht vorwerfen." begann sie. "Es ist ... deine Stimme klingt seiner einfach manchmal ähnlich." versuchte Constance fast ein wenig verzweifelt zu erklären.
Constances Fingernägel gruben sich so tief in ihre Haut, dass es sie fast nicht überrascht hätte, wenn sie sogar zu bluten begonnen hätte. Auch wenn sie es gerade vorgeschlagen hatte ... wenn John sie wegschickte klang das mit einem Mal ganz anders. So hatte sie das doch auch gar nicht gemeint.
Als John sich von ihr abwandte, biss Constance sich auf die Unterlippe und machte einen Schritt in seine Richtung, um ihm eine Hand auf den Arme zu legen. "John, bitte. Warte doch. Ich ..." bat sie ihn dann leise. Zwar fand sie noch nicht die richtigen Worte, um sich zu entschuldigen, da sie die Schuld nicht nur bei sich sah, doch sie wollte um jeden Preis verhindern, dass sie nun so auseinander gingen.

"Das hast du aber.", erwiderte John leise. Und das hatte ihn hart getroffen. Ihm zu sagen, er würde wie Robin klingen, war mit das Schlimmste, was sie ihm hätte an den Kopf werfen können. Als sie ihn schließlich aufhalten wollte und die Hand auf seinen Arm legte, lief das Fass endgültig über. Konnte sie nicht wenigstens jetzt Ruhe geben? Das führte doch zu nichts!
In seiner Wut fuhr er herum und löste ihre Hand kräftig von seinem Arm und stieß sie impulsiv von sich. "Hör auf!", zischte er, erschrak dann aber über sich selbst. Wie konnte er denn das tun? Wie hatte er so grob werden können? John schluckte schwer und seine Augen weiteten sich. "Nein...du hast recht! Ich werde immer mehr wie er.", wisperte er, entsetzt von sich selbst. "Es tut mir so leid!", brachte er dann hervor, machte kehrt und trat die Flucht an. Das war wirklich nicht mehr er! Wie hatte er Hand an seine Frau legen können? Wie hatte er nur so grob werden können? Das war nicht er, das durfte nicht sein! Er würde nie mehr in einen Spiegel schauen können. Gerade bei ihrer Vergangenheit war das unverzeihlich. Wie konnte er nur? Das würde er sich niemals verzeihen können.
Er hätte ihr das nie antun dürfen, warum nur? Er machte seine Frau nur unglücklich! Er musste für das büßen, was er getan hatte! Am Besten....am besten er packte ein paar Sachen und büßte im Kloster, so hart, wie es nur ging. Constance wehzutun war das Letzte, das er im Sinn gehabt hatte "Nein...nein...nein. Ich will nicht werden wie er!", erzählte er hastig Constances Hündin, als er seine Sachen holte. "Ich muss das abstellen solange es geht!"

"John ..." flehte sie, kam aber nicht mehr dazu sich zu entschuldigen, denn im nächsten Moment fuhr John herum und stieß sie so hart von sich, dass sie stolperte und um ein Haar gestürzt wäre. Sie spürte den harten Griff seiner Hand auf ihrem Unterarm noch als John sie bereits schockiert ansah.
Und noch ehe Constance aus ihrer Starre erwachte hatte er sich umgedreht und eilte davon.
Eine Sekunde später begannen die Tränen über ihre Wangen zu laufen und ihre Beine gaben nach, so dass sie langsam in die Knie ging. Leise schluchzend schlug sie die Hände vor das Gesicht. Wie hatte das nur passieren können? Es war doch John ... ihr geliebter, sanftmütiger John ... was hatte sie nur angerichtet, dass sie ihn so gegen sich aufgebracht hatte?
Weinend blieb sie auf dem Boden sitzen und schlang die Arme um ihren Oberkörper während sie zu zitternd begann. Und nun ... nun war er einfach verschwunden und sie saß hier und wusste nicht einmal wie sie aufstehen sollte, so gelähmt war sie von den Ereignissen.

Joanna hatte gerade Marian die Aufsicht über die Kleinen überlassen, weil sie eine Weile frische Luft schnappen und auch nachsehen wollte, wie Constance zurecht kam. Ob sie vielleicht schon unterwegs war um Cathie abholen zu kommen. Es machte ihr nichts aus, auf die Kleine aufzupassen. Sie wusste, dass John und Constance im Moment große Probleme miteinander hatten, je weniger Cathie davon mitbekam, desto besser.
Nachdenklich schlenderte sie den Weg entlang, entdeckte dann aber etwas, das sie sehr beunruhigte,
"Oh nein...." Sie eilte vorwärts und ließ sich neben Constance in die Hocke sinken.
"Oh Gott, Constance, was ist denn los? Bist du in Ordnung? Was ist passiert?", fragte sie leise und strich ihrer Freundin sanft über die Wange und einige Strähnen aus dem Gesicht.
Sie legte einen Arm um Constance.
"Komm, Liebes, steh auf. Du kannst doch hier nicht sitzen bleiben. Wir setzen uns bequemer hin und dann erzählst du mir alles."

Constance war sich nicht sicher, wie lange sie dort gesessen und geweint hatte bis Joanna kam. Es hätten nur wenige Augenblicke, aber auch Stunden sein können, sie hätte es nicht gewusst.
Als ihre Freundin den Arm um sie legte, begann sie zunächst nur noch mehr zu weinen und vergrub das Gesicht an Joannas Schulter. "Wo ist er?" schluchzte sie schließlich leise. "Wo ist John?" fragte sie, denn die wahnsinnige Angst machte sich in ihr breit, dass er weg sein könnte. Immerhin hatte er sie einfach hier stehen gelassen und war verschwunden.
Aber ohne ihn ... das würde sie doch nie durch stehen. Sie brauchte ihn doch, sie liebte ihn doch!

Joannas Blick wurde noch besorgter und sie strich ihrer Freundin beruhigend über den Rücken. "Ganz ruhig, Constance...alles wird gut werden." Irritiert legte sie die Stirn in Falten. Sie musste dringend Genaueres erfahren.
"Ich weiß es nicht, Liebes. Er ist nicht hier, ich habe ihn nicht gesehen. Aber...was ist denn los? Wo sollte er denn sein? Er kann doch drin bei den Kindern sein. Was ist denn vorgefallen? So aufgelöst habe ich dich noch nie gesehen."
Erneut streichelte sie der Freundin durch das Haar und zog sie dann mit sich hoch.
"Komm, wir gehen erst einmal ins Haus, du kannst hier nicht sitzen bleiben. Und jetzt erzähl mir alles."
Joanna seufzte leise. Warum konnte es nicht einmal gut gehen? Constance war doch so freundlich und John stets sanftmütig und geduldig. Es würde schon gehen.

Constance sah Joanna fast panisch an. "Ich muss wissen wo er ist." flüsterte sie und ließ sich dann von Joanna auf die Beine helfen. "Er darf nicht weg sein."
So sehr sie sich gerade vor ihrem Mann gefürchtet hatte, so sehr fürchtete sie jedoch auch die Idee, dass John irgendwo hin verschwunden war. Das durfte einfach nicht passieren.
"Ich ... er ..." Constance musste erst einmal ihre Gedanken sortieren, ehe sie Joanna erklären konnte, was geschehen war. "Wir haben gestritten und ... er wollte gehen, aber ich ... ich habe versucht ihn aufzuhalten, da hat er mich ... mich von sich gestoßen." erzählte sie, immer wieder unterbrochen von leisem Schluchzen. "Er darf nicht weg sein!" wiederholte sie dann und hielt sie an Joanna fest, da sie sonst wahrscheinlich einfach wieder auf den Boden gesunken wäre, so schwach fühlte sie sich gerade.

Joanna lauschte schweigend und seufzte. Die Beiden waren ja bald wie William und sie, kaum Ruhe und das schon seit Monaten. Dass die Buße John schwer mitgenommen hatte, hatten sie beide gewusst, Aber damit gerechnet, dass es ihn so fertig machen würde, hatten sie beide nicht ahnen können.
"Er wird nicht weg sein, Constance." Es war jetzt erst einmal wichtig Constance zu trösten. "Wo soll er denn auch hin, Liebes? Er liebt dich so sehr, Cathie ist hier, seine Freunde... " Aber wie hatte John nur Hand an sie legen können? "Beruhige dich. Er wird nur über sich selbst erschrocken sein und versuchen, sich selbst wieder zu beruhigen.", tröstete sie leise und setzte sich in Bewegung.
"Nun komm, Constance...du brauchst jetzt erst einmal ein wenig Ruhe, damit du dich wieder fängst. Es wird alles gut und John wird schon wieder auftauchen. Er wird nicht weg sein, er kommt wieder."
Joanna seufzte leise. "Mach dir keine Sorgen...bald wirst du wissen, wo er war. Und jetzt setz dich hin."

Constance bebte am ganzen Körper und ohne Joanna hätte sie wahrscheinlich keinen einzigen Schritt zu Stande gebracht. "Ich weiß nicht, aber ... aber er darf einfach nicht weg sein!" flüsterte sie panisch. "Er ist einfach verschwunden." murmelte sie und die unterschiedlichsten Gefühle tobten in ihr. Zum einen hatte sie Angst vor dem was John getan hatte, zum anderen war es für sie jedoch auch die reinste Qual, wenn er einfach verschwunden sein sollte.
Constance schüttelte zaghaft den Kopf. "Wir müssen ihn suchen! Bitte, Joanna, ich muss wissen wo er ist." flehte Constance ihre Freundin an. Sie würde kaum still sitzen können, wenn sie nicht wusste, wohin John verschwunden war.

Joanna schüttelte den Kopf und legte Constance die Hände auf die Schultern. "Beruhige dich erst einmal, sonst werden wir gar nichts tun. Du musst wieder klar denken können, sonst bringt das alles nichts. Wir werden ihn suchen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er einfach geht. Wenn er gegangen ist, wird er dir eine Nachricht hinterlassen haben, ich denke, ihn so gut doch zu kennen."
Sie seufzte leise, als Constances weiße Hündin vorsichtig heran kam und ihrer Herrin den Kopf auf den Schoß legte, sie treuherzig ansah.
"Beruhige dich und dann stehst du auf und schaust nach, was von seinen Sachen fehlt und ob er dir irgendwo einen Brief oder einen Zettel hinterlassen hat. Ich bin sicher, auch wenn er noch so aufgeregt war, irgendetwas wirst du finden. John ist niemand, der einfach spurlos verschwindet, dazu ist er eigentlich viel zu vernünftig. Meine Güte, ich weiß nicht, wie wir euch noch helfen sollen. Ihr macht es euch so schwer....Wir finden ihn, Constance. Zur Not wird William nach ihm suchen. Er kennt die Gegend gut. Und wenn du nichts hier findest, werden wir nachsehen, ob sein Pferd noch da ist."

Constance war noch nicht recht überzeugt und ehe sie sich etwas zusammen riss, rannen noch einige Tränen über ihre Wangen, doch schließlich schniefte sie noch ein letztes Mal und streichelte dann ihre Hündin, die ihre Herrin verwirrt ansah.
"Du hast ja recht." murmelte sie dann und versuchte sich noch weiter zu beruhigen, ehe sie aufstand, um nach Johns Sachen zu schauen. So verstört wie sie über die Ereignisse war, so sehr fürchtete sie die Möglichkeit, dass John einfach gegangen war. Das würde sievöllig verstörenn und sie wusste nicht, wie sie dann noch weiter machen sollte. Sie liebte ihn doch so sehr ... und was war sie schon ohne ihn?

"Natürlich habe ich recht. Es nutzt niemandem etwas, wenn du völlig aufgelöst hier sitzt und nichts tust." Joanna schenkte Constance ein aufmunterndes Lächeln."So ist es besser. Und jetzt stehst du auf und schaust nach, ob du etwas findest und was er mitgenommen hat."
Joanna konnte sich nicht vorstellen, dass John einfach verschwand. Das passte nicht zu ihm. Andererseits...Sie war nicht dabei gewesen. Was wusste sie denn davon wie heftig die beiden gestritten hatten? Was für Worte gefallen waren? Doch etwas musste passieren. Sie konnte nicht zusehen, wie die Ehe der Beiden zerbrach.
Wenn es nicht anders ging, würde sie eben William bitten müssen, Owen fortzuschicken.

Constance sah als erstes Johns Truhe durch und wurde immer deprimierter. Als sie sich wieder zu Joanna umdrehte, standen ihr die Tränen in den Augen. "Er hat ein paar Sachen mitgenommen. Und ich glaube auch seine alte Kutte ... er hatte sie eigentlich immer ganz unten in der Truhe aufbewahrt, aber sie ist nicht mehr da." erzählte sie leise.
Dann viel ihr Blick auf den Tisch auf dem ein zusammen gefaltetes Stück Pergament lag. Mit zitternden Fingern hob sie es hoch und begann zu lesen. Constance biss sich auf die Unterlippe und reichte den Brief wortlos an Joannna weiter, damit sie ihn lesen konnte.
Hätte sie ihm doch nur nicht gesagt, dass er hin und wieder wie Robin klang, wenn er wütend wurde! Hätte sie doch bloß ihren Mund gehalten ...

Joanna legte die Stirn in Falten, als Constance ihr erzählte, was fehlte. Seine Kutte? Das konnte eigentlich nur bedeuten...Der Fund des Briefes riss sie schließlich aus ihren Gedanken. Sie hatte es gewusst. John war einfach niemand, der wortlos verschwand, so verstört er auch war. Dazu war er viel zu mitfühlend, viel zu vernünftig. Sie nahm das Pergament entgegen und begann zu lesen.

Liebste Constance,

ich wollte niemals, dass es soweit kommt mit uns. Dabei habe ich einst versprochen dir niemals wehzutun. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist und ich kann nur hoffen, dass du mir irgendwann verzeihen kannst. Ich kann mir nicht vergeben, dass ich so die Beherrschung verloren habe. Du hattest recht mit deinem Vorwurf, ich scheine Robins Wesen immer ähnlicher zu werden und das muss ich verhindern. So niederträchtig wollte ich niemals sein...Ich muss mich selbst wieder finden und für das büßen, was ich dir angetan habe mit meinen Worten und Taten. Um das zu tun ist es besser, wenn ich mich erst einmal zurückziehe und im Kloster wieder Disziplin lerne. Ein paar Tage in Demut und in Zwiesprache mit Gott werden mir helfen. Aber ich hoffe nur, ich flehe darum, dass du mir irgendwann verzeihen kannst. Es tut mir so leid...Ich wollte dir doch niemals wehtun und dich nicht an das erinnern, was du erduldet hast, sondern dich davor bewahren.
Verzeih mir.
In Liebe,
John.

Joanna seufzte schwer. "Ach John...er nimmt sich das so zu Herzen. Aber immerhin weißt du nun in etwa, wo er ist. Entweder du lässt ihn und wartest, bis er zurückkehrt oder William wird sehen, ob er ihn findet. Es ist deine Entscheidung..."

Constance ließ sich langsam wieder auf einen Stuhl sinken und beobachtete ihre zitternden Hände in ihrem Schoß. "Ich ... ich will ihn bei mir haben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ..." sie brach kurz ab und schloss für einen Moment die Augen. Das war so paradox. "Ob ich ihn in meiner Nähe ertragen kann." versuchte sie zu formulieren, was in ihr vor ging.
John war immer ihre Stütze gewesen, doch nach diesem Streit war Constance nicht sicher, wie sie reagieren würde, wenn sie ihm erneut gegenüber stand. Bisher hatte sie ihm stets bedingungslos vertraut, doch das Vertrauen in ihn war nun erschüttert und wie sie damit umgehen sollte, war ihr noch ein Rätsel.

Joanna ging neben Constance in die Hocke und legte ihr die Hand auf das Knie. "Ich weiß....ich kann das Gefühl sehr gut nachvollziehen. Bevor...bevor Beaumont mich entführte, hatte ich Streit mit William un da ist ihm die Hand ausgerutscht.", erzählte sie leise. "Aber ich weiß, dass er das nur getan hat, weil ich ihn so provoziert habe. Und dass er es nie wieder tun wird."
Sie seufzte leise und schaute zu ihrer Freundin hoch. "Du weißt doch, wie John ist. Du kennst ihn. Er würde dir niemals wehtun wollen, aber es ist für ihn im Moment auch nicht leicht. Schließlich muss er deine Buße akzeptieren, er muss auf dich verzichten, er muss zusehen, wie du Tag für Tag Zeit mit Owen verbringst und dafür ihn angehst, wenn er Owen kritisiert. Versteh mich nicht falsch, ich heiße sein Verhalten Owen gegenüber nicht gut...aber du solltest vielleicht bedenken, dass John außer dir überhaupt keine Erfahrung mit Frauen hat. Er kennt solche Situationen nicht. Aber es würde mich wundern, wenn er sich nicht selbst gerade die größten Vorwürfe machen und sich selbst zerfleischen würde. Du musst dich entscheiden...wenn William John zurückholen soll, musst du ihm auch eine Chance geben wollen...ich weiß, es ist nicht leicht. Aber es würde mich sehr wundern, wenn John jemals wieder auch nur ein bisschen grob zu dir ist. Dazu ist er selber viel zu sehr vor seiner Reaktion erschrocken."

Constance sah Joanna bedrückt an. "Das weiß ich auch, nur ... ich weiß nicht, ob ich gewisse Gefühle unterdrücken kann, wenn ich ihn wieder sehe." Sie schluckte leicht und seufzte. "Wenn Robin nicht gewesen wäre, wäre es auch etwas ganz anderes ... dann wäre ich John sofort gefolgt, weil ich weiß, dass es ihm Leid tut. Aber so ..."
So hatte sie nicht einmal aufstehen können bis Joanna kam. Johns Verhalten hatte nur zu gut wieder hervor gerufen, wie Robin beständig mit ihr umgegangen war und was sie von Johns Bruder alles hatte erdulden müssen. Und das war alles andere als leicht gewesen.
"Vielleicht ... vielleicht muss ich einfach heute Nacht darüber schlafen und morgen sieht es schon wieder anders aus." überlegte sie, auch wenn sie sich sicher war, dass sie heute Nacht kaum ein Auge würde zu bekommen.

"Das musst du einfach ausprobieren, Constance. Ich denke, er wird dir alle Zeit der Welt geben, wenn du ihm nur verzeihst. Und er weiß auch, dass es nicht sofort wieder alles gut sein wird zwischen euch. Ihr braucht einfach Zeit miteinander. Ihr müsst miteinander reden, nur dann wird es besser werden."
Joanna lächelte sanft und tätschelte ihr den Arm. "Tu das...Schlaf darüber, wenn du kannst. Euch wird für heute Nacht ein bisschen Abstand gut tun. Denk darüber nach, wie es weiter gehen soll. Wenn du jemanden zum reden brauchst, kannst du jederzeit zu mir kommen. Auch heute Nacht, wenn es zu schlimm wird, Liebes. Zögere nicht, wenn du mich brauchst. Und morgen kannst du immer noch eine ENtscheidung treffen. Ob William ihn suchen soll oder nicht. Du musst wissen, was für dich das Beste ist. Aber denk auch an Cathie..."

Constance hatte zunächst überlegt, ob sie Cathie nicht mit zu sich ins Bett holte für die Nacht, sich dann jedoch dagegen entschieden. Und als sie nun zum dritten Mal schweißgebadet hochschreckte, fühlte sie sich in ihrer Entscheidung bestätigt.
Sie schloss die Augen, während sie darauf wartete, dass ihr Herzschlag sich wieder beruhigte, ehe sie sich hinsetzte und tief durchatmete. Eigentlich hatte sie auf Joannas Angebot nicht zurück greifen wollen, doch sie sah einfach keine andere Lösung.

William brummte unzufrieden als ihn ein Klopfen an der Tür aus dem Schlaf riss. "Was zum Teufel" knurrte er und drehte sich langsam im Bett herum, um dann schlaftrunken die Augen zu öffnen. "Hat man hier denn nie seine Ruhe? Es ist mitten in der Nacht ..." fluchte er weiter vor sich hin, machte jedoch keine Anstalten aufzustehen. Vielleicht würde der nächtliche Besuch ja einfach wieder verschwinden, wenn er ignoriert wurde.

Auch Joanna erwachte, als es an der Tür klopfte und William neben ihr zu fluchen begann. Sie gähnte leicht und sortierte dann ihre Gedanken. Nachts störte sie normalerweise niemand, außer... Constance... Sie setzte sich auf und gab William einen Klaps auf den Arm. "Hör auf zu schimpfen, schlaf einfach weiter. Ich gehe schon...das ist bestimmt Constance. Ich habe ihr angeboten zu mir zu kommen, wenn es zu schlimm wird heute Nacht.", erklärte sie und erhob sich um zur Tür zu gehen.
Sie öffnete und sah sich in ihrer Ahnung bestätigt.
"Constance...komm rein, Liebes." Joanna legte fürsorglich den Arm um ihre Schultern. "Kannst du nicht schlafen? Das nimmt dich alles sehr mit, nicht wahr?"

"Das darf doch wohl nicht wahr sein." grummelte William verschlafen. "Wie soll ich bitte weiter schlafen können, wenn ihr hier drinnen Kriegsrat haltet?"
William konnte ausgesprochen ungnädig werden, wenn man ihn weckte. Im Endeffekt hätte er selbst Constance herein gebeten, aber in diesem Moment sah er sich einfach um seine Nachtruhe betrogen - und Joanna hatte ihn nicht einmal vorgewarnt.

Constance hörte dumpfe Stimmen durch die Tür dringen, dann öffnete Joanna ihr die Tür und bat sie herein. "Es tut mir wirklich Leid, ich wollte euch nicht stören, aber ..." begann sie leise und legte die Hände übereinander auf ihre Brust. "Das war der dritte Albtraum aus dem ich heute Nacht erwacht bin. Bis gestern war es schon viel besser geworden. Ich bin zwar immer noch nachts wach geworden, hatte aber nicht mehr solche Albträume ... weil ich wusste, dass John bei mir ist und mich beschützt." murmelte sie dann.