William und Joanna - 1180

Trotz der langen Reise war William überaus gut gelaunt als sie im Burghof hielten und von den Pferden stiegen. Sie waren endlich wieder zu Hause und das war ein großartiges Gefühl. Er hatte die Reise nach Italien genossen und den Besuch bei James ganz besonders, doch es war einfach gut, wieder hier zu sein, in seinem vertrauten Heim und vor allem bei seinen restlichen Kindern.
William zog Robert in eine Umarmung und klopfte ihm leicht auf die Schulter. "Gut dich zu sehen, Junge." murmelte er und lächelte. "Ein paar turbulente Tage? Nun, dann wirst du mir ja nachher sicher so einiges zu erzählen haben, was?" erwiderte er grinsend. Allzu schlimm konnte es schon nicht sein, sonst wäre Robert sofort mit der Sprache heraus gerückt.
"Wollen wir hinein gehen? Dann können wir in Ruhe alles besprechen und wir stehen hier draußen nicht im Weg herum, während alles abgeladen wird."

Robert lächelte seinen Vater an und war ziemlich erleichtert, dass er nun die große Verantwortung erst einmal wieder abgeben konnte. Solange sein Vater lebte, war er ganz dankbar, nicht alles allein tun zu müssen. Er war eben noch nicht der Herr von Cornwall und so schnell wollte er das auch nicht sein. Hier herrschte unfassbares Treiben. Es wurde Zeit, dass Edward heiratete und vernünftig wurde. Dann würde es auch etwas ruhiger zugehen.
"Oh, zu erzählen gibt es immer genug. Und ihr wurdet sehnsüchtigst erwartet. Besonders von meinen kleinen Geschwistern und euren Enkeln. Ja, lass uns hinein gehen. Ich möchte alles über Italien und eure Reise hören. Über James..."

William grinste und klopfte Robert noch einmal auf die Schulter. "Na, das will ich wohl meinen. Es kann ja nicht sein, dass nur wir Heimweh hatten." neckte er und lächelte dann. "Aber so wie mir scheint, steht zumindest noch ein Stein auf dem anderen, du hast also gut auf alles acht gegeben." fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu und drehte sich zu Joanna um. "Willst du als erstes zu den Kindern? Du könntest sie abholen gehen, dann kann Robert mir in der Zeit die langweiligen Dinge berichten, die passiert sind und den Rest besprechen wir dann in großer Runde gemeinsam?" schlug er dann vor, weil er genau wusste, wie sehr Joanna sich danach sehnte ihre Kinder wieder in die Arme zu schließen.

Joanna hatte sich auf den Weg gemacht um die Kinder abzuholen. Der kleine William war offenbar gerade bei Josephine, die auf ihn achtete. Sie freute sich darauf ihren Jüngsten wiederzusehen, aber genauso sehr freute sie sich auch auf die Begegnung mit ihrer Schwiegertochter.
Sie klopfte an und trat dann ein. Josephine saß mit einer jungen Frau zusammen, die ihr unbekannt war. Aber das würde sich sicher noch klären. Sie war erst einmal von ihrem Sohn abgelenkt, der aufsprang und zu ihr hinüber rannte.
"Mama, Mama!" Joanna strahlte und zog ihn in ihre Arme. "Da bist du ja mein Schatz! Geht es dir gut?"

Josephine

Josephine saß mit Julia zusammen und unterhielt sich ein wenig mit der jungen Frau. Seit Edward sie gebeten hatte, Julia ein wenig zu helfen, war diese in der Regel täglich bei ihr und mittlerweile verstanden sich die beiden recht gut. Julia hatte die drei älteren Kinder bei der Kinderfrau gelassen, die Edward für sie eingestellt hatte und hatte nur den kleinen Gabriel mitgebracht. Besonders die beiden Jungen brauchten noch ein wenig, um sich hier in der Burg zurecht zu finden, deshalb nahm Julia sie nur ab und an mit her.
Josephine hatte den kleinen Will heute bei sich, der bei ihr auf dem Schoß saß und aufmerksam zuhörte, als es klopfte und Joanna eintrat. Josephine konnte den Jungen kaum so schnell hinunter lassen, wie er von ihrem Schoß hüpfte und auf seine Mutter zulief.
Lächelnd stand sie auf und beobachtete wie Joanna ihren Jüngsten begrüßte, der sich überglücklich in die Arme seiner Mutter warf. Für den kleinen Will war es mitunter schwer gewesen, dass seine Eltern so lange fort gewesen waren, aber er hatte sich tapfer geschlagen.
"Jetzt ja!" erklärte Will gerade lautstark und Josephine trat lachend näher. "Er hat schon sehnsüchtig auf euch gewartet und seit wir durch den Boten erfahren haben, dass ihr bald zurück seid, hat er ständig nachgefragt." berichtete sie und gab ihrer Schwiegermutter zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. "Schön, dass ihr wieder da seid, ich kann es kaum erwarten alles über eure Reise zu hören."

Joanna lächelte sanft und drückte Will an sich, hob ihn dann hoch und setzte ihn auf ihre Hüfte. Mit beinahe drei Jahren ging das noch gerade so. "Wir haben dich auch sehr vermisst, mein Schatz. Aber jetzt sind wir wieder zurück. Ich hoffe, du hast dich benommen?" Sie küsste Will auf die Stirn und widmete sich dann Josephines Begrüßung.
"Ihr habt uns auch gefehlt. Danke, dass du auf meine Kinder geachtet hast, meine Liebe. Du wirst nachher alles zu hören bekommen, wir wollten heute Abend gemeinsam mit euch essen. Und stell dir vor, William hat Giovanni nicht den Kopf abgerissen."
Ihr Blick fiel flüchtig auf die junge Frau, die vor dem Kamin saß und sich sichtlich fehl am Platz fühlte. Ein hübsches Ding, das ihr vage bekannt vor kam. Dann entdeckte sie das Kind auf ihrem Schoß und hätte um ein Haar Will fallen lassen. Dieser Junge....dieser rotgelockte Junge sah sie auf ihren Augen an. Er lächelte gerade vergnügt seine Mutter an und Joanna konnte nicht fassen, wie ähnlich dieses Kind Edward sah. Das konnte nicht sein....sie hätte doch gewusst, wenn Edward Vater geworden wäre.
"Wer....ist das?", fragte sie Josephine leise.

Josephine

"Er hat sich wunderbar benommen, es war wirklich eine Freude auf ihn aufzupassen." erklärte Josephine lächelnd und nickte dann. "Das klingt ausgezeichnet, ich kann es kaum erwarten zu hören, wie es in Italien war." Josephine musste leise lachen. "Es geschehen also doch noch Zeichen und Wunder? Es freut mich, dass euer Besuch bei ihm dann scheinbar so problemlos verlief."
Josephine sah, wie Joannas Blick zu Julia wanderte und sie erstarrte. Im gleichen Moment schloss Josephine kurz die Augen und verfluchte sich selbst, natürlich, wenn jemandem die Ähnlichkeit zwischen Gabriel und Edward auffiel, dann natürlich Joanna und das auf Anhieb.
Sie drehte sich herum und winkte Julia heran, ehe sie Joanna antwortete. "Das ist Julia, die Witwe des Wirtes. Seit ihr Mann tot ist und sie das Wirtshaus verkauft hat, geht sie mir hier etwas zur Hand." erklärte Josephine als Julia zu ihnen trat und leicht knickste, den Blick dann verlegen auf den Boden richtete. "Mylady." begrüßte sie Joanna ein wenig unsicher.
Josephine unterdrückte ein Seufzen. "Und das ist ihr Sohn Gabriel." fügte sie hinzu und wünschte sich, dass Edward seine Eltern vorher aufgeklärt hätte und nicht sie nun in diese verfluchte Lage kam.

"Das freut mich wirklich zu hören. Und ja, manchmal geschehen noch Wunder. Was maßgeblich daran lag, dass Giovanni mittlerweile glücklich verheiratet ist und zwei wundervolle Kinder hat."
Argwöhnisch beobachtete sie, wie Josephine Julia heran winkte und musterte die junge Frau eindringlich, als diese vor ihr knickste. "So...ich wusste nicht, dass der Wirt gestorben ist. Das tut mir leid."
Ihr Blick wanderte zwischen Gabriel und Julia hin und her in der Hoffnung einen hinweis darauf zu finden, dass sie sich irrte. Dass der Junge seiner Mutter ähnlich sah. Dem war aber nicht so...
"So...ihr Sohn Gabriel." Joanna bedachte beide Frauen mit einem scharfen Blick. Warum verschwieg Josephine ihr so etwas? "Und jetzt hört auf mich für dumm verkaufen zu wollen. Ich weiß sehr gut, wie der Wirt aussah. Definitiv nicht so. Warum sieht der Junge aus wie Edward, als er klein war? Was hat er wieder angestellt? Rückt mit der Sprache heraus!", verlangte sie kühl zu wissen. So hatte sie sich ihre Ankunft hier nicht vorgestellt. "Ich bin nicht blind!"

Josephine & Julia

Josephine lächelte. "Das freut mich zu hören, da hat William dann wohl wirklich keine Gefahr mehr gesehen, was?"
Julia fühlte sich furchtbar unwohl in ihrer Haut, nickte aber schließlich. "Danke." erwiderte sie ein wenig leise. "Er ... er wurde auf dem Weg ins Nachbardorf von einem Dieb überrascht und erschlagen." erklärte Julia und atmete leise aus. Ein Unfall, den sie nicht so bedauerte, wie sie es hätte tun müssen.
Josephine sah, wie Julia bei Joannas kühlem Tonfall zusammen zuckte und legte der jungen Frau eine Hand auf den Arm. "Eigentlich hatte dein Sohn dich einweihen sollen, aber er hat ein Talent dafür in den entscheidenden Momenten unterwegs zu sein." bemerkte Josephine und deutete zum Tisch hinüber. "Komm, wir sollten uns setzen, dann erzähle ich es in Ruhe, aber du hast das wesentliche ja bereits erkannt." erklärte sie und seufzte, ehe sie Julia zum Tisch hinüber schob und Joanna einen Blick zuwarf. "Er ist Edwards Sohn." bestätigte sie, ehe sie an den Tisch trat, um ihnen allen etwas zu Trinken einzuschenken und sich dann zu setzen.

Joanna schüttelte leicht den Kopf. Welch merkwürdige Dinge sich ereigeneten...Und dann so ein Zufall, dass ausgerechnet der Wirt erschlagen wurde, wo gleichzeitig ein Kind von Edward auftauchte....aber das konnte einfach nicht zusammen hängen.
"Ja, das scheint mir auch so. Solche Dinge überlässt er nur zu gerne Anderen." Sie zögerte, gab dann aber nach und setzte sich an den Tisch. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Warum war sie plötzlich wieder Großmutter geworden?
"Meine Söhne scheinen ein Talent dafür zu haben, mich mit unerwarteten Enkelkindern zu überraschen...." Genauso fragend hatte sie damals vor Josephine gestanden und sie gefragt, ob es sich um Roberts Sohn handelte.
"Also, ich höre....dass er Edwards Sohn ist, ist nicht zu verkennen. Er sieht genauso aus wie sein Vater, als er klein war. Aber...warum so plötzlich?"

Josephine & Julia

Josephine musste lächeln. "Das haben sie zweifellos. Aber wenn du ehrlich bist, hättest du es schlechter treffen können, oder?" Sie zwinkerte Joanna zu und warf Julia einen aufmunternden Blick zu. "Nun, von plötzlich kann eigentlich nicht wirklich die Rede sein." bemerkte sie und nickte Julia zu, damit diese weiter erzählte.
Julia sah ihren Sohn an und sammelte Mut, sah dann auf und atmete tief durch. "Das mit Edward und mir geht schon eine ganze Weile." erklärte sie schließlich. "Ich ... wir lieben uns, aber solange Tom am Leben war, war es für uns unmöglich das offen zuzugeben. Es gab mächtig Ärger als Gabriel auf die Welt kam und wenn John nicht da gewesen wäre, um ihn mitzunehmen hätte Tom den Jungen umgebracht." erklärte sie langsam. "Toms Tod war ein Unfall ... es war Zufall, dass es ausgerechnet jetzt passierte, aber es gab mir den Anlass im Dorf alles hinter mir zu lassen. Edward hat mir und den Kindern ein kleines Haus in der Vorburg besorgt und -" Sie stockte kurz, war sich nicht sicher, ob sie von der Verlobung erzählen sollte. "er will mich heiraten, sobald meine Trauerzeit vorbei ist und Ihr und Euer Gemahl wieder nun wieder zurück seid." Unsicher warf Julia Edwards Mutter einen Blick zu und machte sich auf das nächste Donnerwetter gefasst. Instinktiv schloss sie Gabriel etwas fester in die Arme.

Joanna schüttelte leicht den Kopf und musste lächeln. "Das hätte ich wohl. Trotzdem wäre es mir ganz lieb, wenn ich vorher wüsste, dass ich nochmal Großmutter werde. Nur funktioniert das irgendwie bei keinem meiner Kinder..."
Sie lauschte Julias Erzählung und runzelte die Stirn. Edward hatte also tatsächlich eine Liebschaft gehabt und sie ziemlich lange geheim halten können. "Es war ausgesprochen dumm von dir dich auf so etwas einzulassen. Außerdem muss ich zugeben, dass es mich etwas schockiert, dass John da seine Finger mit im Spiel hat und uns kein Wort gesagt hat. Ich meine, in Ordnung, dass Edward uns nichts von einer Affäre sagt, verstehe ich ja noch. Aber dass er uns ein Kind verschweigt....ich hatte eigentlich gedacht, dass mein Sohn mir mehr vertraut."
Joanna schüttelte den Kopf erneut, fassungslos. "Er will dich heiraten...und das beschließt er einfach so. Sein Vater wird von all dem gar nicht begeistert sein. Ihr stellt euch das beide so einfach vor....aber das ist es nicht."

Josephine

Josephine musste grinsen. "Nun, Mary hat den Nachwuchs ja immerhin angekündigt." erwiderte sie lächelnd. "Vielleicht ist zumindest bei deinen jüngeren Kindern Besserung in Sicht."
Julia spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss und sie sah betroffen zu Boden. Edwards Mutter war nicht nur eine beeindruckende Persönlichkeit, für sie war sie auch unglaublich einschüchternd. "Ja, das habe ich nun schon oft genug gehört." murmelte sie und atmete geräuschvoll aus. "John wollte, dass Edward es Euch persönlich sagt, deshalb hat er geschwiegen als Gabriel zur Welt kam und Edward hatte versprochen es Euch zu erklären, sobald Ihr aus Italien zurück seid." Und nun war es an ihr hängen geblieben ... Julia schluckte.
Im nächsten Moment regte sich der Widerwillen in ihr und sie sah wieder auf, begegnete Joannas Blick mit einem gewissen Trotz. "Wieso ist es nicht so einfach? Weil ich eine Bauerstochter bin, die Witwe eines Wirtes? Das ist doch das einzige Problem, nicht wahr?" Sie knirschte mit den Zähnen. Sie war es so leid zu hören wie viel weniger wert sie war und dass sie nicht einmal im Traum daran denken sollte, dass sie eine passende Partie für Edward abgeben würde.

"Da hast du wohl Recht...ich hoffe es zumindest, sonst bringt es mich irgendwann noch ins Grab." Joanna musste wirklich an sich halten um nicht die Beherrschung zu verlieren. "Er hätte es uns auch vorher schon sagen können. Warum hat er so lange gewartet? So hat er John dazu gezwungen, es uns die ganze Zeit vorzuenthalten. Und das hinterher berichten hat ja auch so wundervoll geklappt..."
Das war alles ein bisschen viel. Sie hatte gerade eine anstrengende Reise hinter sich, wollte eigentlich nur ihre Familie sehen und nun wurde sie mit so etwas überrumpelt.
Als das Mädchen dann auch noch so trotzig reagierte, bedachte sie sie mit einem finsteren Blick. "Diese Aussage zeigt mir einmal mehr, dass du gar keine Ahnung von einem Leben wie Edwards hast. Glaubst du wirklich, ausgerechnet mich würde es interessieren, ob du eine Bauerstochter bist? Aber dein Sohn ist unehelich zur Welt gekommen....oder zumindest nicht in der Ehe, aus der er stammen sollte. Damit gilt er eigentlich als Toms Sohn. Oder eben als Bastard, so leid es mir tut. Edward wird eines Tages Oxford führen und einen Erben brauchen. Wie will er rechtfertigen Gabriel als Erben einzusetzen? Vor allem dann, wenn ihr noch weitere Söhne bekommen solltet? Und wenn er es nicht tut, wie soll er dem Jungen erklären, dass er einen der jüngeren Brüder vorziehen muss? Es geht nicht nur um euch beide, ihr bringt den Kleinen in eine absolut unmögliche Situation und das ist verantwortungslos. Abgesehen davon ist eine Trauerzeit nicht nach vier Wochen zu Ende. Das wird keiner als ausreichend ansehen. Wenn Edward dich also jetzt heiratet, wird es heißen, er achte das Andenken deines Ehemannes nicht und dir wird man dasselbe vorwerfen. Du siehst also, so einfach jetzt heiraten wird nicht gehen. Nicht so leicht, wie Edward sich das vorstellt. Außerdem braucht er zu einer Verlobung immer noch das Einverständnis seines Vaters."

Josephine & Julia

Josephine konnte Julia ansehen, dass sie mit der Fassung rang. Es war so schon schwer genug für sie, aber dass sich nun der gesamte Groll Joannas über ihr entlud war etwas, womit die junge Frau schwer zu kämpfen hatte. Josephine fluchte innerlich und schwor sich, Edward die Leviten zu lesen, wenn sie ihn das nächste Mal sah.
"Joanna, zumindest für diese Entscheidung kann sie nichts." warf Josephine deshalb schließlich ein. "Ich finde ebenfalls, dass Edward falsch gehandelt hat, aber das solltest du deshalb auch ihm vorhalten." gab sie zu bedenken und drückte leicht Julias Hand, damit diese nicht ganz den Mut verlor.
Diese schrumpfte nämlich unter Joannas finsterem Blick gerade merklich zusammen. Dann machte sie sich daran zunächst den leichteren Teil zu beantworten. "Ich weiß, dass meine Trauerzeit jetzt noch nicht zu Ende ist und solange werden wir in jedem Fall noch warten." erwiderte sie ernst und atmete tief durch. "Es wäre aber auch keine Lösung, wenn er seinen Sohn deshalb so behandelt als gäbe es ihn nicht. Wenn er so tun würde, als würde er mich nicht lieben und einfach eine andere heiraten. Natürlich ist es nicht leicht, aber in dieser Situation gibt es keinen einfachen Weg mehr." erwiderte sie mit belegter Stimme und ließ den Blick kurz zu Josephine wandern, ehe sie Joanna wieder ansah. "Außerdem ..." fuhr sie fort und nun bebte ihre Stimme vor Angst. "Außerdem sind wir bereits verlobt." murmelte sie und wünschte sich, Edward wäre hier, damit sie das nicht alleine durchstehen müsste."

Joanna verschränkte die Arme vor der Brust und war ausgesprochen froh, dass ihr kleiner Sohn wieder zum Spielen gegangen war, weil ihn das gespräch langweilte. "Du kannst dich darauf verlassen, dass ich das tun werde!", prophezeite sie aufgebracht. Und sie verstand auch nicht, warum Josephine dieses Mädchen in Schutz nahm. Das alles ärgerte sie ungemein und sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie William aus der Haut fahren würde, wenn er das erfuhr.
"Wenigstens eine weise Entscheidung in dieser Sache...", erwiderte Joanna seufzend und schüttelte dann den Kopf. "Das verlange ich doch auch gar nicht. Ich wollte dir nur deutlich machen, dass es bei Weitem genug Probleme gibt außer deinem Stand. Da du mir ja vorgeworfen hast, ich wäre nur deswegen dagegen."
Bei der nächsten Eröffnung erhob Joanna sich und ihre Lippen wurden schmal vor Zorn. "Schön habt ihr euch das ausgedacht, wirklich! Was glaubst du, was Edwards Vater dazu sagen wird, dass ihr ihn so übergangen habt? Glaubst du, er wird das so einfach hinnehmen? Euer Handeln ist so ausgesprochen dumm, dass es mir die Sprache verschlägt! Warum konntet ihr nicht einfach warten? Dann hätten wir uns vielleicht ein bisschen aufgeregt und die Sache wäre erledigt gewesen. Aber damit hintergeht Edward uns. Das wird Folgen haben, das weiß ich schon jetzt. Und du, du hast natürlich freudestrahlend zugestimmt, als er damit kam, was? Der normale Weg ist, dass du dich uns erst einmal vorstellst, bevor du dich hier in diese Familie einfügen willst! Gerade, weil du keine gute Partie für Edward bist, hätten wir dich doch zumindest einmal kennenlernen dürfen, oder? Das ist ja nun wirklich nicht zu viel verlangt!"

Julia

"Es tut mir Leid, ich wollte Euch keinen Vorwurf machen." erwiderte Julia. "Ich bin es nur allmählich Leid zu hören, dass ich nicht gut genug bin." bekannte sie und senkte den Blick.
Im nächsten Moment schloss Julia die Augen und wünschte sich, die Erde würde sich auftun und sie einfach verschlingen.
Eine Weile saß sie nur schweigend da, dann schließlich zwang sie sich den Blick zu heben, wenngleich die Tränen in ihren Augen schimmerten. "Ich konnte nicht nein sagen." erwiderte Julia heiser. "Ich konnte einfach nicht, nicht nach all dem, was wir hinter uns hatten." Und zugegebener Maßen hatte sie immer ein klein wenig Sorge gehabt, dass Edward vielleicht doch wieder verschwinden würde, wenn es ernst wurde. Als er sie um die Verlobung bat, war sie einfach zu glücklich und überwältigt gewesen, sie hatte nur ja sagen können.
Julia sah wieder auf Gabriel hinab und spürte, wie ihr die Tränen nun über die Wangen liefen. Warum zum Teufel hatte sie sich nicht noch beherrschen können? Musste sie ausgerechnet jetzt heulen wie ein kleines Kind? Ja, musste sie ... das war einfach zu viel. Besonders sich wieder anhören zu müssen, dass sie nicht gut genug war.

"Ich weiß, wie es ist, sich das anhören zu müssen. Aber du wirst es dein Leben lang müssen, Julia. Das ist der Preis, den du zu zahlen hast. Wenn du damit nicht zurecht kommst, war es vielleicht die falsche Entscheidung einfach Ja zu sagen. Edward steht in der Öffentlichkeit. Glaubst du, am Hof würden die Leute nicht nach seiner Frau fragen? Wer sie ist? Damit musst du leben." Joanna biss die Zähne zusammen, als sie die Tränen in den Augen der Anderen sah. Ein wenig tat sie ihr ja auch leid, aber sie war einfach so wütend auf diese Frau und auf Edward.
Sie selbst hätte vermutlich auch nicht Nein gesagt an Julias Stelle, aber es war einfach so unfassbar schwer sich zu beherrschen. Joanna drehte sich um.
"Es ist besser, wenn ich jetzt gehe und es meinem Mann sage, bevor er dir über den Weg läuft. Das wird nicht wirklich angenehm werden.", erklärte sie ein wenig ruhiger. "Ich weiß, dass sich an der Situation nichts mehr ändern lässt, aber ich hätte mir doch zumindest etwas mehr Offenheit gewünscht. Ich liebe alle meine Enkelkinder und ich hatte mich auf den Tag gefreut, da Edward mich zur Großmutter macht. Aber ich wollte es nicht so erfahren."

Julia

"Damit werde ich leben können. Nur ist es deutlich einfacher damit umzugehen, wenn ich mich sicher als seine Gemahlin an seiner Seite weiß, als wenn alle Welt noch versucht uns eine Heirat auszureden." erwiderte Julia.
Sie schwieg als Joanna sich abwandte und kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum, stand dann jedoch auf, ehe Joanna die Tür erreicht hatte. "Mylady." Julia machte noch zwei Schritte auf sie zu und blieb dann jedoch wieder stehen. "Wollt ihr ... wollt ihr ihn einmal halten, bevor ihr geht?" fragte sie dann ein wenig unsicher. Immerhin hatte Joanna Gabriel nur kurz angesehen und so wie sie gerade sprach ... Julia hoffte nur, dass sie sich damit nun nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte.

Joanna nickte. "Ich weiß...Aber auch da wirst du durch müssen. Es wird immer Leute geben, die dir solche Dinge einreden möchten. Das ist der Preis, wenn man über seinem Stand heiratet."
Sie hatte die Tür beinahe erreicht, als Julia sie aufhielt. Einen Moment war sie fast wütend, dass die Andere sie noch einmal aufhielt und nicht damit zufrieden war, dass sie nicht völlig die Beherrschung verloren hatte. Doch was dann kam, hatte sie wirklich nicht erwartet. Joanna zögerte einen Moment. "Oh..." Sie fühlte sich hin und her gerissen. Eigentlich wollte sie wütend sein und sie war wirklich verletzt, dass die Beiden ihr nicht früher die Wahrheit gesagt hatten. Aber der Kleine war doch ihr Enkel und er sah aus wie Edward...
"Ich...ja. Ich glaube, das würde ich gern."

Julia

Einen schier endlos langen Moment sah Julia Joanna mit bangem Blick an, dann entspannte sie sich ein wenig und trat endgültig zu ihr. "Hier. Euer Enkel, Mylady." erklärte sie leise und gab Gabriel an seine Großmutter. Sie war erleichtert, dass ihre Entscheidung die richtige gewesen war, dass Joanna eingewilligt hatte.
Sie hoffte wirklich inständig, dass der Sturm sich bei Zeiten legen würde, sie wünschte sich doch nichts sehnlicher als an Edwards Seite sein zu dürfen und wenigstens von seiner Familie akzeptiert zu werden.

Joanna nahm den Kleinen vorsichtig auf den Arm. Er war erst ein paar Monate alt, aber sein Erbe war ihm so deutlich anzusehen, dass es sie beinahe schmerzte. Edward konnte etwas erleben, wenn sie ihn in die Finger bekam. Aber dieses Kind war wirklich süß. Sie hatte ja auch nichts gegen ihn oder seine Mutter. Sie machte sich Sorgen.
"Du bist ein niedliches Kerlchen, das weißt du ganz genau, nicht wahr?", murmelte sie und strich durch den rötlichen Flaum auf Gabriels Kopf. Es war nicht nur Edwards Erbe...es war ihr Eigenes rotes Haar, das sie vererbt hatte. Ebenso wie diese blauen Augen. Sie konnte ihre Verwandtschaft mit diesem Kind genauso wenig leugnen wie Edward es konnte.
"Was sagen deine anderen Kinder zu ihm? Und zu Edward?"

Julia

Julia beobachtete die Szene gespannt und musste lächeln als Gabriel vergnügt quietschte als Joanna ihm durch die weichen Haare strich. Ja, er war wirklich ein hinreißendes Kind und jeder, der ihn ansah, konnte gar nicht anders als ihn ins Herz zu schließen. Auch dass hatte er in gewisser Weise von seinem Vater, der ein unglaubliches Talent hatte, Menschen für sich zu gewinnen, wenn er nur wollte.
"Für die drei ist er einfach ein weiteres Geschwisterchen. Sie haben nicht ganz verstanden, wieso er zwischendurch nicht bei uns sein konnte, haben ihn aber ganz selbstverständlich aufgenommen." Und Aliz war ohnehin zu klein, um das Ganze auch nur ansatzweise zu verstehen.
"Sie kommen gut mit Edward aus. Aliz vergöttert ihn ohnehin und mit den beiden Jungen hat er sich bisher sehr gut stellen können. Sie wissen noch nicht, dass wir heiraten wollen, das sollen sie erst erfahren, wenn meine Trauerzeit zu ende ist." erklärte Julia.

Joanna lächelte den Kleinen an. "Er ist so sehr wie sein Vater...Edward war auch so ein einnehmendes Kind, jeder hat ihn sofort gemocht." Er hatte jeden sofort um den Finger gewickelt. "Du hast Glück...manchmal fremdeln die Kinder untereinander ein wenig, wenn das Geschwisterchen so lange weg ist und andere Aufmerksamkeit bekommt als sie selbst. Ich kann mir Edward nur schwer als Vater vorstellen, aber wenn er gut mit ihnen auskommt, ist es ein Anfang. Ich hoffe wirklich, dass er sich damit nicht übernimmt. Vielleicht ist es auch ganz gut, dass du ihnen noch nichts gesagt hast, so kurz nach dem Tod ihres Vaters."

Julia

Julia musste bei Joanna Worten lächeln. "Manchmal habe ich den Eindruck, dass er sich eher wie eins von ihnen benimmt, als in die Vaterrolle zu schlüpfen." bemerkte sie. Edward alberte gerne ein wenig mit den Jungen herum, fand aber zu ihrer Erleichterung auch das passende Maß, damit es nicht ausuferte. "Ich denke, er wird gut in diese Rolle hineinwachsen."
Julia nickte und nahm Joanna den kleinen Gabriel wieder vorsichtig ab. Der Kleine würde bald wieder Hunger haben und seine Großmutter hatte ja ohnehin gleich gehen wollen. "Ja, sie sollen erst einmal damit zurecht kommen, dass Tom nicht mehr da ist. Wobei er nie ein wirklich herzlicher Vater gewesen ist. Dennoch, er fehlt ihnen etwas und Edward kann die Zeit nutzen, um sie besser kennen zu lernen." Sie hatte sich ganz bewusst dafür entschieden, den Kindern noch nichts von ihren Zukunftsplänen zu verraten.