William und Joanna ab ca. 1179 bis 1180

Richard zuckte leicht zusammen als hinter ihm mit einem Mal Alans Stimme erklang. Warum war das alles nur so schwer? Alan hatte Recht, er konnte sich nicht ewig etwas vormachen, genau genommen gelang es ihm ja jetzt schon nicht mehr.
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, dann drehte er sich langsam zu dem Ritter herum. "Und wenn das nicht Gottes Werk ist? Sondern das des Teufels?" erwiderte er mit rauer Stimme. "Wieso sollte ich sonst solche Gefühle hegen, wo ich doch eine Gemahlin an meiner Seite habe, die ich über alles liebe?" Richard konnte es einfach nicht begreifen und das war fast das schlimmste an der ganzen Sache.

Alan

Alan sah Richard lächelnd in die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Weil die Welt nicht in schwarz und weiß unterteilt werden kann. Das funktioniert nicht. Ihr liebt Eure Gemahlin völlig anders als Ihr für einen Mann empfindet. Ihr liebt sie, sie ist Euch Freundin und Gefährtin und Ihr habt es so gelernt, dass Ihr eine Frau zu begehren habt. Und das ist es. Ihr begehrt einen Mann, aber mit Liebe hat das nichts zu tun. Trotzdem glaube ich nicht daran, dass es das Werk des Teufels ist. Ihr seid das beste Beispiel. Hätte Gott Euch Kinder geschenkt, wenn Ihr gegen seinen Willen handelt? Die Priester verdammen es, um von sich selbst abzulenken. Wenn Ihr wüsstet, was in Klostern alles vor sich geht..."

Richard knirschte mit den Zähnen. Das schlimmste an Alans Worten war, dass er genau das sagte, was Richard auch versucht hatte Beatrice zu erklären - dass sein Verlangen rein gar nichts an seiner Liebe zu ihr änderte, dass es etwas völlig anderes war.
"Vielleicht hat er mir Kinder geschenkt, um mir zu zeigen, dass es richtig ist, diesem sündigen Verlangen zu widerstehen, so wie ich es bisher getan habe." erwiderte Richard langsam. Und genau genommen war dieses für ihn unverständliche Verlangen ja keines, das er schon immer gehegt hatte. Erst seit dieser Spielmann bei ihnen gewesen war ... und wenn er an Jonathan und dessen Beeinträchtigung dachte, vielleicht war das ja doch ein Zeichen Gottes?
Richard hob eine Augenbraue. "Ich glaube, ich will gar nicht wissen, was in Klöstern so alles geschieht." bemerkte er trocken.

Alan

"Das halte ich für eine gewagte Überlegung. Gott hätte Euch keine Kinder geschenkt, wenn er Euch zürnen würde. Dann wäre Eure Frau unfruchtbar geblieben. Ihr macht Euch zu viele Sorgen, Mylord. Das Leben ist langweilig, wenn Ihr nie ein Risiko eingeht. Hinter allen schönen Dingen steckt der Mut ein Risiko einzugehen. Nein, das wollt Ihr nicht wissen, es würde Euch ziemlich schockieren und Eure Sichtweise auf die Kirche verändern. Es ist scheinheilig, was sie als Sünde anpreisen und es dann doch selbst tun."
Alan schüttelte leicht den Kopf. "Denkt nicht so viel..."

Richard wusste, dass er dabei war Alan ins Netz zu gehen und dennoch konnte er nichts dagegen tun. Der Alkohol verursachte ein angenehm leichtes Gefühl und für seine geplagte Seele waren Alans Worte wie ein lindernder Balsam ... jemand, der verstand, was in ihm vorging, der es nicht ablehnte und verteufelte und wenn gleich sie sich erst heute Abend kennen gelernt hatte und Richard nicht zu den vertrauensseligen Menschen gehörte, hatte er das Gefühl sich Alan zumindest in diesem Punkt mit seinen Zweifeln anvertrauen zu können.
"Ich weiß es nicht." erklärte er schließlich. "Ich weiß nicht, was Gott wirklich damit beabsichtigt und ich verstehe es nicht. Ich verstehe ja nicht einmal mich selbst ..." Richard fuhr sich durch die roten Locken und atmete leise aus.
Denkt nicht soviel
Was für ein verlockender Rat, nur leider war es gar nicht so leicht ihm zu folgen.

Alan

Alan wusste, er hatte gewonnen und unterdrückte ein Lächeln. Auch Richard würde schon noch einsehen, um wie viel leichter es sich ohne Vorwürfe gegen sich selbst lebte. Er musste nur einfach einmal zulassen, dass er etwas fühlte. Zulassen, dass er etwas Neues ohne schlechtes Gewissen genoss. "Ich weiß sehr gut, was Euch plagt. Ihr müsst nur darüber stehen und loslassen können..."
Alan ließ das Lächeln zu und trat einen Schritt näher, legte Richard die Hand auf die Schultern. "Ich kenne Eure Ängst und Eure Probleme damit wirklich gut. Vertraut mir, wenn ich Euch sage, dass Ihr sie überwinden könnt und müsst. Es ist nichts Schlechtes an Euren Gefühlen. Lasst Euch das nicht einreden, egal von wem."

Richard schluckte. "Das sagt Ihr so einfach." murmelte er und spannte sich im nächsten Moment an als Alan einen Schritt auf ihn zu machte. Er bebte förmlich als Alans Hand sich auf seine Schulter legte und für einen Moment war Richard hin und her gerissen zwischen dem Wunsch zurück zu weichen und stehen zu bleiben. Letztlich rührte er sich nicht von der Stelle.
"Aber ..." begann er leise, brach dann jedoch wieder ab. Richard versuchte seine Gedanken zu ordnen, was ihm jedoch nicht so recht gelingen wollte. Alles in seinem Kopf ging drunter und drüber und Alans Hand auf seiner Schulter war ebenfalls nicht gerade hilfreich. "Aber ich ... ich habe meiner Gemahlin geschworen treu zu bleiben. Ich kann diese Gefühle nicht zulassen." Beatrice würde vermutlich schon furchtbar wütend werden, wenn sie das hier jemals heraus finden sollte. Besser er erzählte ihr gar nicht weiter von seiner Unterhaltung mit Alan. "Aber ich kann auch nicht immer vor diesem Verlangen davon laufen." fügte Richard schließlich heiser hinzu. "Ich kann nicht mehr."

Alan

Alan nickte langsam. "Ja, das sage ich so einfach. Ich weiß, wie Ihr Euch fühlt." Und er war zufrieden, dass Richard stehen blieb und nicht zurückwich. "Ihr könnt Euch nicht immer verstellen, irgendwann wird es nicht mehr funktionieren. Und wenn Ihr dem Verlangen einmal nachgebt...sie wird es nicht erfahren. Wie sollte sich auch? Ihr müsst es ihr ja nicht sagen."
Der Ritter bewegte seine Hand leicht nach unten. "Ihr habt noch nie gekostet, wie dieses Verlangen schmeckt. Woher wollt Ihr wissen, ob es das nicht wert ist?"
Er kam näher.
"Nein, Ihr könnt nicht davon laufen.", sagte er und hauchte Richard einen Kuss auf die Lippen.

"Aber nur weil sie es nicht weiß, macht es die Sache ja nicht ungeschehen. Ich würde wissen, dass ich mein Wort ihr gegenüber gebrochen habe, sie betrogen habe ..." erwiderte Richard gequält. Und er war sich nicht sicher, ob er Beatrice so ohne Weiteres etwas vor machen konnte. Vor allem plagte ihn aber auch die Frage, was danach passieren würde. Wenn er einmal nachgab, wer sagte dann, dass es bei diesem einen Mal bleiben würde? Dass er danach nicht erst Recht wieder schwach werden würde?
Richard atmete scharf ein als Alans Hand über seine Schulter strich und etwas weiter abwärts wanderte, sich auf seine Brust legte. Er wusste genau, was kommen würde als Alan mit einem Mal näher kam und das war auch der Moment in dem die Stimmen in seinem Kopf sich anzuschreien begannen. Eine wollte, dass er zurück wich, dass er Alan stoppte, bevor er einen Fehler begehen könnte und die andere forderte ihn auf stehen zu bleiben, abzuwarten und sich endlich das zu holen, was er so sehr begehrte und zu unterdrücken versuchte.
Richard schloss die Augen als er Alans Lippen auf den seinen spürte. Auf Grund des Zwiespaltes, der in ihm herrschte, war er nicht in der Lage den Kuss zu erwidern, aber er verhinderte ihn auch nicht. Und während Alan ihn küsste, fragte Richard sich, ob er dieses Gefühl, das in ihm aufkeimte überhaupt haben durfte ... dieses Gefühl, das ihm sagte, dass es genau das war, was er wollte.

Alan

"Das müsst Ihr mit Eurem Gewissen vereinbaren. Entweder Ihr könnt es oder Ihr könnt es nicht. Aber so werdet Ihr niemals wissen, wie es sich anfühlt, einmal nachzugeben...Einmal das Verbotene zu kosten. Und ich kann Euch sagen, es ist so köstlich..."
Er war ausgesprochen glücklich, dass Richard ihn nicht zurückstieß, sonder einfach stehen blieb. Alan intensivierte den Kuss ein klein wenig und versuchte Richard eine Reaktion zu entlocken.
Er wollte diesen Prinzen in seinem Bett, aber er hatte Angst ihn zu verschrecken, wenn er zu forsch heran ging.

Richard fühlte sich außer Stande irgendetwas auf Alans Worte zu antworten. Wie verlockend es doch war seinen Worten zu folgen und einfach nachzugeben, aber ...
Fast hätte er nach Luft geschnappt als Alan den Kuss in die Länge zog und dabei ein wenig fordernder wurde. Richard schluckte leicht, dann bemerkte er, wie sich seine Lippen ganz ohne sein Zutun ein wenig öffneten und er zaghaft damit begann den Kuss zu erwidern. Erst nur langsam und zögerlich, dann ein wenig eindringlicher. Es wäre so einfach ...
Richard legte eine Hand auf Alans Brust und rückte ein klein wenig näher. Himmel, es reizte ihn unglaublich diesem schamlosen Kerl so nahe zu sein, seine Muskeln unter dem Hemd zu spüren. Richard spürte, wie sein Herz zu rasen begann und noch immer schrien sich die beiden Stimmen in seinem Kopf gegenseitig an, der Kampf schien noch immer nicht ausgefochten zu sein ...

Alan

Alan triumphierte innerlich, als Richard näher rückte und begann den Kuss zu erwidern. Schließlich wurde der Andere sogar ein wenig mutiger, wurde forschender und seine Hand legte sich auf Alans Brust. Alan zog den Prinzen näher an sich und strich vorsichtig durch die roten Locken.
"Du bist solch eine Versuchung...", murmelte er. Richard war so ein stattlicher Mann, wie sehr er ihn doch begehrte.
"Es wäre so einfach...und du willst es doch auch, nicht wahr?" Er konnte die festen Muskeln unter dem Hemd spüren, die sich unter seiner Berührung leicht anspannten und am liebsten hätte er ihn einfach mit in seine Gemächer gezogen.

Ein leises Stöhnen, verursacht durch eine Mischung aus Qual und Lust, kam über Richards Lippen als Alan ihn näher an sich zog und die Finger des Ritters durch seine Haare glitten. Richard bebte leicht am ganzen Körper, erschauderte unter Alans Berührung und verzweifelte beinahe, weil ihn dieser Zwiespalt einfach nicht los ließ.
Als sie den Kuss beendeten, atmete Richard schwer und lehnte seine Stirn an Alans Schulter. "Ich kann nicht." murmelte er leise. "Es ... es tut mir Leid, aber ..." Richard suchte verzweifelt nach Worten, nach einer Begründung, die ihn auch selbst überzeugte und seine Entscheidung klar und eindeutig werden ließ, aber so einfach war das alles nicht. "Ich muss nachdenken." schloss er schließlich heiser und hob den Kopf wieder, um Alan anzusehen. "Ich muss über so vieles nachdenken." Vor allem wie er mit der eben gemachten Erfahrung umgehen sollte. Wie sollte es nun weiter gehen? Er hatte insgeheim gehofft, dass dieser Kuss ihm die Augen öffnen und ihm zeigen würde, dass er sich nicht wirklich nach einem Mann wie Alan sehnte, sondern es nur der kurze Nervenkitzel des Verbotenen war. Doch nun hatte er es getan, hatte das erste Mal seinem Verlangen nachgegeben und einen Mann geküsst ... und er wollte mehr.

Alan

Richards Stöhnen ging ihm direkt ins Blut und Alan genoss es sehr. Zu lange hatte er keinen Partner mehr gehabt, zu lange ausgeharrt und sich gesehnt. Vielleicht konnte es nun ein Ende haben? Doch er wurde enttäuscht - vorerst.
"Dann geh und denk nach...meine Tür steht dir offen, wenn du es dir anders überlegst.", erklärte er sanft. Es würde nun keinen Sinn machen Richard zu drängen. Also zog er ihn nur kurz an sich und küsste ihn auf die Stirn.
"Denke nach, ich werde auf dich warten."

Richard fühlte sich als hätte man eine tonnenschwere Last von seinen Schultern genommen als Alan sich so nachsichtig zeigte. Einmal mehr fühlte er sich von seinem Gegenüber verstanden und wenn Richard ehrlich zu sich war, tat das unglaublich gut. Alan bedrängte ihn nicht und gab ihm die Möglichkeit nachzudenken über das, was er getan hatte und was er damit nun anfangen würde.
Richards Hand, die noch immer auf Alans Brust lag, strich sanft über den Stoff seines Hemdes. "Ich danke dir." erwiderte er schließlich leise.
Ohne dass Richard es verhindern konnte, lehnte er sich noch einmal vor und hauchte einen kurzen Kuss auf Alans Lippen, ehe er sich von ihm löste und zum Gehen wandte. Er hatte die Wahrheit gesagt, er musste nachdenken und das über nicht gerade wenig.

Beatrice wartete ungeduldig auf ihren Mann. Sie konnte nicht schlafen, solange er nicht hier war. Sie konnte nie schlafen, wenn er fort war und auch heute fühlte sie sich nicht wohl, solange sie ihn noch im Festsaal wusste mit diesem komischen Kauz.
Als die Tür aufging, empfing sie ihn mit einem Lächeln. "Du warst noch lange unten. Hast du dich doch noch amüsiert?"
Sie seufzte leise.
"Ich bin froh, dass du jetzt da bist. Ich bin müde."

Richard hatte geahnt, dass Beatrice noch wach sein würde und wurde nicht enttäuscht. Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. "Kannst du immer noch nicht schlafen, wenn ich nicht da bin?" erwiderte er sanft. "Wovor hast du Angst, dass ich dir weg laufe?" neckte er, war aber nur halbherzig bei der Sache. Zu viel musste er nachdenken über das, was gerade erst geschehen war und vor allem wie er damit nun Beatrice gegenüber umgehen würde. Sie würde sicher schnell merken, dass irgendetwas nicht stimmte.
Er zog sich die Stiefel aus und setzte sich dann auf das Bett, um Beatrice zur Begrüßung einen kurzen Kuss zu geben.

Beatrice schüttelte leicht den Kopf und lächelte. "Nein, ich kann eben am Besten schlafen, wenn du bei mir bist. So ist es am Schönsten und ich muss mir keine Sorgen um dich machen, wenn du neben mir liegst." Sie erwiderte seinen Kuss und strich ihm über die Wange.
"Du wirst mir schon nicht weglaufen. Oder doch?" Sie lachte auf und legte dann den Kopf schief. "Ist alles in Ordnung? Du wirkst so abwesend? Ist etwas passiert?"
Sie kannte ihren Mann und sie wusste, wenn er anders war als sonst.

"Du musst dir auch so keine Sorgen um mich machen, ich bin groß und kann auf mich aufpassen." erwiderte Richard lächelnd. "Und ich liebe dich. Ich komme immer wieder zu dir zurück, egal was geschieht. Dir würde ich nie davon laufen." erklärte Richard ernst und hielt im nächsten Moment inne. Nun, das war schneller gegangen als er erwartet hatte, aber verwundert war er im Grunde nicht, dass Beatrice ihn so rasch durchschaut hatte.
Richard schüttelte kurz den Kopf und ließ den Blick nachdenklich durch den Raum gleiten. "Ich habe mich noch lange mit Alan unterhalten." berichtete er, wusste jedoch nicht, wie er dann weiter sprechen sollte. Wie sollte er Beatrice erklären was er getan hatte und warum und dass das rein gar nichts an seiner Liebe zu ihr änderte?

"Das weiß ich. Aber ich liebe dich und deshalb mache ich mir immer Sorgen. Ich glaube, das ist normal, oder? Du machst dir doch auch Sorgen, wenn du nicht wirklich weißt, wie lange ich irgendwo bin." Beatrice gab ihm einen Kuss. "Das ist gut. Wir gehören ja auch zusammen." Sie legte den Kopf schief und runzelte die Stirn.
"Und warum beunruhigt es dich, dass du mit ihm geredet hast? Ist er so merkwürdig? Was hat er denn so Schlimmes gesagt?", fragte sie ein bisschen amüsiert. Es würde schon nichts Schlimmes sein. Er war ja nur ein, zwei Stunden weg gewesen.

Ein schiefes Lächeln huschte über Richards Lippen. "Denk gleich bitte auch noch daran, dass du mich liebst ..." murmelte er und atmete tief durch.
"Er ist nicht merkwürdig." erwiderte Richard dann langsamer. "Nicht merkwürdiger als ich." Richard fuhr sich durch die roten Locken und musste daran denken, wie Alan durch seine Haare gestrichen hatte. "Ich weiß, dass du dafür kein Verständnis hast, aber wir haben über mich gesprochen und über ..." Richard stockte, kam aus dem Konzept und musste sich dazu durchringen weiter zu sprechen. Er starrte einen Moment lang auf seine Hände hinab, dann gab er sich einen Ruck und sah Beatrice an. Er musste ehrlich zu ihr sein, musste versuchen ihr zu erklären, was in ihm vorging. Etwas, das gar nicht so leicht war, da er es im Grunde ja selbst nicht verstand. "Über meine Neigung, mein ..." Richard schüttelte kurz den Kopf und atmete tief durch. "Darüber, dass ich mich zu anderen Männern hingezogen fühle."

"Jetzt machst du mir doch ein wenig Angst, mein Liebster. Warum sollte ich vergessen, dass ich dich liebe? Daran wird sich nichts ändern.
Beatrice wurde skeptisch. Richard verheimlichte ihr doch etwas? Warum war er so seltsam anders als sonst?
"Warum redest du mit einem Mann, den du gar nicht kennst darüber, dass du Männer anziehend findest?", wollte sie schockiert wissen. "Es muss doch wirklich nicht alle Welt wissen, was bei uns so schief läuft und was für Gelüste du manchmal hast. Ich verstehe dich nicht. Er ist wie du, das willst du sagen, oder? Deshalb verstehe ich es trotzdem nicht. Du kennst ihn doch gar nicht!"

Richard öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, klappte ihn dann jedoch wieder zu und starrte Beatrice einen Moment lang an. Genau diese Reaktion hatte er erwartet. Und wenn er ihr nun noch beichtete, dass Alan und er sich geküsst hatten, würde er die Nacht vermutlich auf dem Fußboden verbringen können.
Als wäre es nicht schon schwer genug, dass er selbst mit sich haderte, Beatrice streute noch zusätzlich Salz hinein. "Was bei uns so schief läuft?" wiederholte er ein wenig ungläubig.
Dann nickte er langsam. "Ja, das ist er." bestätigte Richard langsam, auch wenn er sich nicht ganz sicher war, was das für eine Kategorie war, in die er sich gerade selbst steckte. "Ich weiß, dass du das nicht verstehst, aber ... er versteht mich und es hat einfach gut getan darüber reden zu können." Dabei hatten sie so viel gar nicht geredet, er selbst zumindest nicht. Aber Alans Worte gingen ihm immer wieder durch den Kopf.

Beatrice erwiderte Richards Blick ernst und fragte sich, warum es ausgerechnet sie treffen musste. Warum musste ausgerechnet ihr Mann solche Gelüste haben? Warum konnte sie ihm nicht genug sein?
"Ja, es läuft doch offensichtlich schief. Du kannst von gut aussehenden Männern nicht die Augen und nur mit Mühe die Finger lassen. Das ist nicht gerade schmeichelhaft. Offenbar bin ich ja nicht mehr schön genug, um dir zu ausreichend bieten zu können. Früher hatten wir solche Probleme nicht. Sag mir doch, was ich machen soll, damit ich wieder attraktiver für dich bin, vielleicht hört es dann auf. Und es muss doch wohl nicht jeder daher gelaufene Kerl wissen, dass unsere Ehe nicht reibungslos funktioniert. Ich erzähle das doch auch keinem. Wenn er es jemandem erzählt, sind wir das Gespött des Reiches." In solchen Momenten war sie wirklich todunglücklich. Sie wollte es Richard ja recht machen, aber sie konnte einfach nicht.
"Er versteht dich, ah, schön...Ich bemühe mich seit Monaten um Verständnis mit dir, lasse alles geschehen, wenn du unsere Dienerschaft wegschickst, weil du dir selbst nicht über den Weg traust und dann ist das der Dank...ich verstehe dich also nicht, aber er, der dich ein paar Stunden kennt, tut es? Sehr freundlich von dir.", schnappte sie beleidigt. "Und von diesem Kerl kannst du plötzlich die Finger lassen?"

"Weißt du was wirklich schief läuft?" erwiderte Richard ernst und bedachte Beatrice mit einem langen Blick. "Dass du denkst, es wäre deine Schuld, dass du davon ausgehst, du wärst nicht mehr hübsch genug, nicht mehr anziehend genug für mich ... aber das ist es nicht. Kannst oder willst du das nicht begreifen? Beatrice ich liebe dich mehr denn je, würde dich nie wieder hergeben wollen und ich finde dich unglaublich anziehend. Daran liegt es nicht." Er seufzte leise. "Wenn ich wüsste, wieso es mir so geht, würde ich es dir zu gerne erklären und es abstellen, aber das kann ich nicht."
Im nächsten Moment konnte Richard nicht mehr anders als kurz verzweifelt aufzulachen. Es war alles so absurd. Er wünschte, er könnte irgendetwas tun, aber so wie es aussah manövrierte er seine Ehe gerade zielsicher auf den Abgrund zu.
"Aber das ist es doch ... du versuchst Verständnis zu haben. Du versuchst Verständnis zu haben. Er versteht was in mir vorgeht, weil es ihm genauso geht. Ich bin dir dankbar dafür, dass du versuchst Verständnis zu haben, aber versteh doch, ich selbst begreife es doch kaum, wie sollst du, die keine Ahnung von diesen Gefühlen hat, es da verstehen? Und Alan versteht mich ... zumindest in dieser Sache. Ich sage nicht, dass er mich versteht, aber er versteht meine Schwierigkeiten, was mir durch den Kopf geht und wie sehr ich damit hadere. Beatrice, versteh doch, ich habe niemanden mit dem ich darüber sprechen kann. Du wärst die einzige Person, der ich mich anvertrauen würde, aber jedes Mal wenn ich davon spreche, zeigst du mir wie abartig das ist, was in meinem Kopf vorgeht. Und es hat einfach gut getan mich jemandem anzuvertrauen ohne diesen Blick zu ernten ..." Diesen Blick, der sagte, dass er anders war, dass er abartig war.
Richard atmete leise aus. Jetzt war er da, der Moment der Wahrheit und aus irgendeinem Grund fühlte er sich mit einem Mal seltsam ruhig. "Nein, das kann ich nicht." erklärte er ernst. "Ich ... habe ihn geküsst."
Da. Da war es nun. Das Geständnis war raus und Richard begriff das erste Mal in seinem Leben wirklich, was die reinigende Wirkung einer Beichte bedeuten sollte. Dass er es ausgesprochen hatte, machte es nicht ungeschehen und für ihn würden jetzt die Schwierigkeiten mit Beatrice erst anfangen, aber für sich ... in sich drin fühlte er sich seltsam befreit.